Leeres Buch, dafür aber mächtig Parole. Die Red Books sagen dem Faschismus und anderen selbsternannten Akademikern den Kampf an. Passend zum Hütchenträger-Ball, wie wir finden. 28 Werke wurden nun vom Donaufestival Krems präsentiert.
Kein Fut breit dem Faschismus / Arya Amir / Am Foto: Fahim Amir (© Katarina Balgavy)
Pegida ihr seid scheisse und wir explodieren / Marie Lang / Am Foto: F*A*C (© Daniel Hafner)
Burschis und FPÖler: Wenn ihr die neuen Juden seid, führe ich die Beschneidung persönlich durch / Daliah Spiegel (© Lukas White Gansterer)
Ehre, Freiheit, Tintifax - Das Beste ist, wenn wir die Nazis in die Kiste sperren / Marianne Vlaschits (© Marianne Vlaschits)
Somebody Needs A Therapy Here / Mario Grubisic (© Katarina Balgavy)
This Book Kills Fascists / Martin Bilinovac / Stillleben (© Kathi Hofer)
God Hates Flags / Ferris MC (© Denys Karlinskyy)
Bling Bling Boom - Die Gräten sollen euch im Hals stecken bleiben / Grelle Forelle / Am Foto: Roberta Lima (© Alfred Morina)
Tanz essen Seele auf / Amanda Piña / Am Foto: Katrina Daschner (© Lukas White Gansterer)
Stark sind wir nicht, aber viele / Michi Lukas (© Max Parovsky)
Kein Fut breit dem Faschismus / Arya Amir / Am Foto: Chicks On Speed (© Lukas White Gansterer)
Mazel Tov, Ihr Opfer / Marlene Engel & Rana Farahani (© Lukas White Gansterer)
Situation Normal - All Fucked Up / Sabine Jelinek (© Sabine Jelinek)
Wichsen statt Wichse / Stefanie Sargnagel / Stillleben (© Stefanie Katzinger)
Ich halte es für einen Wahnsinn - Wien als Treffpunkt der Äussersten Rechten / Dora Schimanko / Am Foto:Denise Kottlett (© Inés Bacher)
Schmutzball = Rotzball / Rocko Schamoni (© Denys Karlinskyy)
1938 Shades of Grey / Verena Dengler / Am Foto: Bela B
Krautdeutsch, Beschneidung und Fut. Die jüngsten Erscheinungen aus dem Verlag Proll Positions sind nicht immer leicht verdaulich, dafür ist die Message umso klarer. Den Machern der Red Books, Fahim Amir und Esther Stragenz, die sich gerne als "Kinder vom Karlsplatz-Klo" bezeichnen, geht es darum, Zeichen zu setzen. Ein Zeichen gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Faschismus. Dafür kämpfen sie mithilfe kluger Gedanken und radikaler Buchtitel.
Ohne Scheiß Alter
Linke Literatur gibt es zu Genüge, das Erstaunliche bei den Red Books jedoch ist, die Bücher sind inhaltlich leer, sprich, die Seiten bleiben weiß und das ist jetzt wortwörtlich gemeint. Proll Positions setzen nicht auf dicke Lektüre, sondern auf starke Titel und optische Reize, Parolen eben, die es zu füllen gilt. Dass sie dabei den Zeitgeist treffen, nämlich dass Bücher auch Kunst sein können, wie wir bereits berichtet haben, kommt gelegen.
Mit dieser Art, ihre Meinung zu publizieren, sind die Karlsplatz-Kinder nicht alleine. Auch andere Künstler, Autoren und kulturellen Einrichtungen finden das gut, darunter auch Menschen wie Ferris MC, Rocko Schamoni, Stefanie Sargnagel und die Grelle Forelle. In Kooperation mit dem Donaufestival präsentierte Proll Positions bis 23. Jänner täglich ein neues Cover aus der Bücherreihe.
Wir haben uns mit den beiden Herausgebern zusammengesetzt und sie unter anderem gefragt, wie sie über den Akademikerball denken und was Leute von ihren leeren Büchern so halten. Schöne Antworten haben wir bekommen.
Zunächst mal, was war der Anlass für die Gründung von Proll Positions? Wie kam die Idee?
Also der Fahim schreibt schon ewig an seiner Dissertation zu Straßentauben als Tschuschen des urbanen Stadtraums, genauer gesagt zum politischen Unbewussten hochmodernistscher Architektur und Raumproduktion. Als staatlich angestellter Philosoph ist er aber auch dem Imperativ der Wissensgesellschaft "Publish or perish" – also "publiziere oder gehe unter", ausgesetzt. Dank Proll Positions kann er weiter mit Sonnenbrille in Bars herumstehen, aber bei Tageslicht den Uni-Managern sagen: "Was wollt ihr überhaupt von mir, geht’s noch? Ich hab letztes Jahr 100 Bücher herausgegeben. Stört meine Getränkekreise nicht!"
Bei mir, Esther, geht’s darum, dass ich zwar an krasser Legasthenie leide, aber immer schon Bücher machen wollte und mich deshalb besonders auf die Titel, Seiten, Text-Posts und Ähnlichem eingeschossen habe. Proll Positions gibt mir die Möglichkeit, publizistisch auf die Kacke zu hauen, ohne je ein Buch Korrekturlesen zu müssen.
Im Prinzip suchen wir nach einer Lösung, wie man auf die lustigste und profitabelste Weise staatliche Fördergelder verschwenden kann. Sowas macht uns Spaß, diese Freude wollen wir mit anderen Menschen teilen. Nur mit dem Profit haperts noch, wobei uns gerade das Money so wichtig ist: Wir wollen so wenig wie möglich arbeiten müssen und dabei so viel Geld bekommen, dass wir es essen können.
Ihr wollt mit der Reihe Red Books ein Zeichen setzen. Wie stellt ihr euch das denn vor?
Wir versuchen ein Zwischending zwischen linken Inhalten und dem Formalismus von Kunstproduktion zu schaffen. Beide lügen sich ja in die Tasche, es gibt keinen Inhalt ohne Form oder umgekehrt. Indem dies aber geleugnet wird, können liebgewonnene Routinen beibehalten werden. Wie heißt es so treffend: Ideologie ist wie Mundgeruch, das haben immer die anderen.
Unsere Bücher selbst sind wie Reisepässe: Die einen sind ihre offiziellen Inhaber, die anderen nützen sie, die dritten verbreiten sie, auch ohne unser Wissen. Wir sehen unsere Verlagstätigkeit wie eine Art WWF auf Ketamin, also dissoziative Verwilderung, die Assoziationen bildet.
Auch wenn die Bücher selbst leer sind, grundsätzlich geben wird mit unseren Titeln und Autoren genug Hinweise, was uns "Kinder vom Karlsplatz-Klo" so alles stört und für was wir Verbesserungsvorschläge zu haben meinen. Zum anderen hilft uns die Weisheit derjenigen, die auch viel erdulden mussten: Von unseren jüdischen Freunden vor allem das Bewusstsein, dass Humor eine Überlebenswaffe ist und von muslimischen Freunden der Gedanke "Schüttle die Hand, die Du nicht abhacken kannst."
Wir bleiben also unberechenbar und legen uns mit Vorliebe mit unseren scheinbaren Feinden ins Bett. Wie bei exzeptionellem Sex, einem aufwühlenden Gespräch, einem gelungenen Kunstwerk oder einem guten Buch, sind danach die Rollen vielleicht ausgetauscht und man selbst ein anderer Mensch oder ein Tier.
Sucht Ihr bestimmte Personen aus, mit denen Ihr Eure Bücher schreibt?
Klar, weil wir platschen ja auch gerne in den unterschiedlichsten Biotopen. Survival of the Druffi!
Eure Bücher sind ja leer. Wie reagieren Leute, wenn Ihr sie fragt, ob sie mit euch gemeinsam ein leeres Buch schreiben wollen?
Unser Zugang war eher zu fragen, wie lautet ein Buchtitel der alles sagt. Also ein Buch, wo du nur den Titel lesen musst und schon alles hast, was es dazu zu sagen gibt. Schnell und kurz. Das mögen wir am liebsten. Für uns sind die Bücher eher potenzielle Waffen. Das Buch hat eine Aussage, die Seiten geben dem Ganzen Raum und Körper. Dasselbe Recht fordern wir für Bücher ein: AUFSCHLAGEN UND ZUSCHLAGEN. Wie und wann die Bücher mit was gefüllt werden, liegt im Moment nicht in unserem Bereich. Es geht darum, ein Kopf-Kino auszulösen.
Wie würdet Ihr die aktuelle politische Situation in Österreich beschreiben, was stört euch?
Die momentane Situation erinnert uns an ein kleines schreckliches Theaterstück, wie es so viele gibt. Leo Trotzki, der ja auch mal in Wien lebte, hat die österreichische Politik mit einem aufgeregten Laufrad-Hamster verglichen. Leider befinden wir uns in einer Art Hamstergeddon, wo mehr Ekelhaftes, Schreckliches und Grausames passiert, als hier ausführbar wäre.
Was ist euer Tipp für den Akademikerball?
Dort würden wir gerne einige Titel unserer aktuellen Edition zitieren: "Mazel tov, ihr Opfer!" (Marlene Engel & Rana Farahani), "God Hates Flags" (Ferris MC), "Wichsen statt Wichse" (Stefanie Sargnagel), "Wenn Ihr die neuen Juden seid, führe ich die Beschneidung persönlich durch (Daliah Spiegel), "Kein Fut breit dem Faschismus" (Arya Amir) und last but not least: "Ihr seid Scheiße und wir explodieren" (Marie Lang).
Für Gönner und Liebgewonnene: Wo kann man denn die Bücher kaufen? Oder gibt es die exklusiv am Donaufestival?
Die gibt es meistens dort, wo wir auftauchen und dann kann man mit uns darum feilschen. Es gibt ja nur jeweils wenige Stücke und ein gewisser Teil ist ja immer für Bibliotheken gedacht, als Flaschenpost in die Zukunft. Die Förderstellen bekommen in der Regel ein paar Ansichtsexemplare. Ein Tipp: Can Gülcü, ein sympathischer Kulturschaffender und Künstler, der unsere letzte Edition betreut hat, hat uns nicht Wenige abgenommen. Da kann man sich sicher welche holen.
Die Red Books Serie gibt es möglicherweise zu kaufen. Am besten man bleibt über die Facebook-Seite von Proll Positions auf dem Laufenden.