Kultur 2.0: Mittendrin statt nur dabei?

Das Internet soll Kultur demokratisieren und ihr Verständnis erleichtern. Ein Gastkommentar des Wiener Kulturstadtrats Andreas Mailath-Pokorny zur digitalen Strategie der Wiener Kulturpolitik.

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Wiens Kulturpolitik hat immer den Anspruch vertreten, Kultur einem möglichst breiten, vielfältigen Publikum zugänglich zu machen. Das geschieht in der analogen Welt durch verschiedene Vermittlungsprogramme, die maßgeschneidert auf ArbeitnehmerInnen, Lehrlinge oder MigrantInnen zugeschnitten sind. Allein aus diesem Blickwinkel heraus ergibt sich im digitalen Zeitalter der Auftrag, Kunst, Kultur und Wissenschaft auch im Netz möglichst umfassend abzubilden – und vor allem, gemäß der Logik des Digitalen – neu aufzubereiten.

Die Informations- und Kommunikationsstrategie der Stadt beruht im Wesentlichen auf zwei Punkten. Wichtiger Pfeiler ist einmal der öffentliche Auftrag, der sich schon deshalb ableitet, weil die durch öffentliches Geld finanzierte Kultur auch allgemein zugänglich sein soll. Das Internet bietet hier durchaus eine Demokratisierung des Zugangs zur Kultur. Sie wird im Netz umso mehr Menschen erreichen, je mehr Aufmerksamkeit sie zu generieren imstande ist. Die Londoner Tate-Gallery hat zu diesem neu zu schreibenden Kapitel der Vermittlung und Vermarktung Originelles beigetragen: Jeden Freitag, pünktlich zum Wochenende, illustriert sie durch ein Gemälde aus der eigenen Sammlung das Wetter in London. Das “Tate Weather forecast“ auf facebook bringt so wohl Hunderttausenden Kunst auf amüsante Weise näher.

Das führt zum zweiten wichtigen Gedanken: Ziel ist es, das Verständnis und den Umgang mit Kunst in der Bevölkerung zu steigern. Das Internet ist, das bisher beste Medium, um diese Aufgabe zu erfüllen. Dabei geht es nicht lediglich um Digitalisierung von Archiven, sondern vor allem auch um die Ermöglichung von Interaktion, Partizipation und Vernetzung. Einmischen, selbst kuratieren, Werke Freunden empfehlen, Musik teilen sind Schlagwörter dieser Entwicklung.

Die Kulturabteilung nutzt digitale Entwicklungen seit vielen Jahren: Wiens Denkmäler im öffentlichen Raum sind im Netz sichtbar und im stadteigenen Plan informativ verlinkt. Die Sammlung des MUSA, der Kunstsammlung der Stadt, hat sämtliche Kunstwerke digital abrufbar gemacht. Umfassend digitalisiert auch das Landesarchiv: Neben Urkunden (www.monasterium.net), Archivbeständen und zeitgeschichtlichen, politischen Plakaten (www.wais.wien.at) finden sich auch historische Debattenbeiträge (www.infodat.wien.at) oder etwa historische Stadtpläne online abrufbar (www.wien.gv.at). Die Wienbibliothek digitalisiert derzeit beispielsweise Österreichs größte Plakatsammlung und stellte bereits mit Digitalisaten der Musikhandschriften (Strauss, Schubert) und Autografen (Nestroy, Karl Kraus,…) oder etwa dem Lehmann Online (ehemalige Wiener Adressbücher & Branchenverzeichnis) wichtige Quellen zur einfachen Verfügung. Im Bereich der darstellenden Kunst fanden Live-Stream-Übertragungen des Theater an der Wien oder der Kammeroper statt.

Das nun bestehende, recht umfassende Datenmaterial lässt sich verschiedentlich vernetzen, mobil nutzen und hilft vor allem, mehr Menschen zu erreichen, da ja auch die Zugänge zu den Quellen vielfältiger werden. Eine neue Herausforderung wird jedoch auch sein, das vorhandene Material, wie weiter oben erwähnt, möglichst interaktiv und partizipativ zugänglich zu machen, um Wiens kulturellen Fußabdruck im Internet zu verstärken. In der Informationsflut des Internet, wird es darum gehen, Momente der Aufmerksamkeit zu schaffen, wie dies der Tate gelingt. Das ist es, was die neuen Medien von den bisher bekannten unterscheidet und den Rezipienten neue, selbsterfahrende Zugänge ermöglicht. Dies gilt es verstärkt mitzudenken. Selbstverständlich auch mit Beteiligung und Inputs aus der Internet-Community.

Andreas Mailath-Pokorny ist seit 2001 Stadtrat für Kultur und Wissenschaft.

Bild(er) © Ernst Kainerstorfer, Peter Rigaud 
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