In unzähligen Parteiveranstaltungen, sowie Fernsehduellen präsentieren die SpitzenkandidatInnen zur Nationalratswahl ihre Forderungen und Ideen – das Thema Kultur bleibt dabei meist unerwähnt. Wir haben einen genaueren Blick auf die kulturpolitischen Positionen der Parteien geworfen, die besonders viel über ihr Gesellschaftsbild aussagen.
Es gibt wohl kaum etwas, dass das Selbstverständnis Österreichs so stark prägt, wie das Bild der Kulturnation. Quer über die Partei-, Alters- und Landesgrenzen hinweg, sind sich die meisten ÖsterreicherInnen dahingehend einig, dass das kleine Land, Erbe einer großen kulturellen Tradition ist. In der Abwesenheit eines politischen Gründungsmythos der Republik – einem Narrativ, dass die heterogene Bevölkerung eines Staates sich als Eins verstehen lässt – lässt sich sogar feststellen, dass die Kultur diese Rolle weitgehend eingenommen hat.
Dieses Österreichbild wirft kulturpolitisch jedoch einige Fragen auf, die vor allem von der SPÖ im Laufe der 70er Jahre zunehmend thematisiert wurden. Zum einen wäre da die Frage nach der Rolle von zeitgenössischer Kunst und Kultur. Wie kann sich ein Staat als Kulturnation verstehen, dessen größten KünstlerInnen schon lange vor der Gründung der Republik verstorben sind? Zum anderen wäre da die Frage nach dem Kulturbegriff selbst. Versteht eine Kulturnation bloß Hochkultur als »echte Kultur« oder sieht sie sich auch alternativen Schaffensformen verpflichtet? Obgleich diese Fragen in der öffentlichen Debatte verstärkt aufgegriffen wurde, blieb der Kulturbegriff bis heute konventionell geprägt. Was die Parteien in ihren Wahlprogrammen für die kommende Nationalratswahl zum Thema Kultur zu sagen haben, verrät somit auch einiges über ihr Verständnis der österreichischen Identität und allgemein ihrem Zugang zur Moderne.
ÖVP
Das Wahlprogramm der ÖVP behandelt das Thema Kulturpolitik nicht als eine eigenständige Rubrik, sondern als einen Unterpunkt von Integration. Der Kulturbegriff ist hier ausschließlich identitätsstiftend und geht nicht auf künstlerisches Schaffen ein, sondern thematisiert traditionelle Lebensweisen und Religion. Die ÖVP fordert die Bewahrung der österreichischen Kultur, die sie neben dem Judentum und der Aufklärung vor allem als durch das Christentum geprägt versteht. Daher bekennt sich die ÖVP ausdrücklich zu Kreuzen in Klassenzimmern. Neben dem Christentum erwähnt das Wahlprogramm auch den Islam. Für diese Religion fordert die ÖVP ein Kopftuchverbot für Lehrerinnen in der Schule und für Schülerinnen unter 14 Jahre. Von ZuwanderInnen wird Offenheit und Akzeptanz gegenüber der österreichischen Kultur erwartet, die durch ein neues Schulfach »Staatskunde« vermittelt werden soll. Das Wahlprogramm konzentriert sich somit auf kulturelle Fragen, die primär ZuwanderInnen betreffen, während der Stellenwert von Kunst und Kultur aus und in Österreich unkommentiert bleibt.
SPÖ
Die SPÖ vertritt in ihrem Programm einen offenen und vielfältigen Kulturbegriff, der sich nicht nur auf Hochkultur bezieht. Darüber hinaus, versteht die Partei Kultur auch als Gesellschaftspolitik. Dies wird dadurch verdeutlicht, dass sie KünstlerInnen als KritikerInnen und TrägerInnen des Fortschritts eine wichtige gesellschaftliche Position einräumt. Konkrete Forderungen der SPÖ sind ein »Museumssonntag« mit freiem Eintritt, sowie die soziale Absicherung von Künstlern, wobei nicht näher genannt wird, wie diese über den bereits existierenden Künstler-Sozialversicherungsfond hinausgehen soll.
FPÖ
Die FPÖ beschreibt in ihrem Wahlprogramm die Bedrohungen der österreichischen Kultur, die sie in der illegalen Migration, sowie dem politischen Islam verortet. Der Kulturbegriff der Partei ist restriktiv, so wird explizit erwähnt, dass illegale EinwandererInnen und der Islam nicht Teil der österreichischen Kultur sind. Konkrete Forderungen sind ein Verbot des Kopftuchs und der Burka in öffentlichen Ämtern, sowie das Beibehalten von Schweinefleisch und Nikolausfeiern in Kindergärten. Generell sieht die FPÖ Kultur als etwas von außen Bedrohtes, das verteidigt werden muss. Ansätze zur Förderung von Kunst und Kultur in Österreich finden sich keine.
Neos
Neos versteht Österreich als eine Kulturnation und räumt Kunst und Kultur eine bedeutende Funktion als »Spiegel einer Gesellschaft« ein. Die Partei verweist auf einige Versäumnisse der österreichischen Kulturpolitik, wie den Mangel einer »sinnvolle[n] Vision« und Kulturstrategie, dem Aufholbedarf bei der Digitalisierung der Kulturbranche und der Ineffizienz und Intransparenz im Förderwesen. Neos betont den wirtschaftlichen Wert der Hochkultur für den Tourismus, doch fordert Kulturkonzepte auch abseits dieser Sparte. Weiter fordert die Partei eine Anpassung der Kulturförderung an die Inflationsrate, ein neues Vergabewesen etabliert durch eine »Bundeskulturstiftung«, sowie die programmatische Koordinierung der Bundesmuseen.
Grüne
Die Grünen bieten das reichhaltigste Kulturprogramm, mit Forderungen zur Kulturförderung, den Bundesmuseen, der sozialen Situation von Kulturschaffenden, den öffentlichen Bibliotheken und dem Denkmalschutz. Das Kulturverständnis der Partei beruht auf Vielfalt, freiem Zugang zur Kultur und der gesellschaftspolitischen Bedeutung von Kunst und Kultur als »Teil der gesellschaftlichen Auseinandersetzung«. Im Bereich der Förderungen fordern die Grünen ein erhöhtes Aufkommen für kleinere, innovative und lokale Kulturinitiativen, abseits der Hochkultur. Auch die Förderungen für den österreichischen Film sollen angehoben werden und an Geschlechtergerechtigkeit gekoppelt werden. Ein weiterer kulturpolitischer Schwerpunk sind die Bundesmuseen. Hier plädieren die Grünen für tiefgehende Reformen, die eine einheitliche Digitalisierung der Bestände, einen Kollektivvertrag für alle MitarbeiterInnen, sowie die Eingliederung des Heeresgeschichtlichen Museum in die Bundesmuseen (zurzeit im Verteidigungsministerium) liefern soll. Weitere Forderungen zu den Bundesmuseen sind eine Ausweitung des Gratiseintritts (bis jetzt gilt er bloß für Kinder und Jugendliche bis 19 Jahre) und zusätzliche Mittel für die »wissenschaftliche und künstlerische« Forschung, sowie für den Ankauf von Ausstellungsstücken. Die oftmals prekären Lebensumstände von Kulturschaffenden sollen durch eine Umwandelung des Künstler-Sozialversicherungsfonds zu einer Grundsicherung von monatlich 1.750 Euro aufgebessert werden. Darüber hinaus fordern die Grünen den Ausbau des öffentlichen Bibliothekswesens, sowie eine Stärkung des Denkmalschutzes.
Andere
Wenig Aufmerksamkeit bekommt das Thema Kultur im Parteiprogramm der Partei JETZT. Der Wandel und die KPÖ verzichten gänzlich auf das Thema.
Am 29. September 2019 wird in Österreich der Nationalrat neugewählt. Wahlkarten können online (in Wien unter www.wahlen.wien.at) oder persönlich im zuständigen Wahlreferat beantragt werden. Zu beachten ist, dass Anträge für eine Wahlkarte bis spätestens 25. September (für Onlineanträge) beziehungsweise 27. September (für persönliche Anträge) gestellt werden müssen und bis spätestens den 29. September, 17 Uhr, bei der zuständigen Bezirkswahlbehörde einlangen müssen. Wer wählt hat die Möglichkeit die Zukunft Österreichs aktiv mitzugestalten. Geht wählen!