Die Kunsthalle Krems will mit der kommenden Ausstellung "Lucas Bosch Gelatin" eine Brücke zwischen den Jahrhunderten bauen. Verstörende, fantastische Bildwelten von unter anderem Hieronymus Bosch, treffen vom 17. Juli bis zum 6. November auf die gesellschaftskritischen Werke der Künstler Sarah Lucas und Gelatin.
Gelatin und Sarah Lucas (mit Sonnenbrille) in der Kunsthalle Krems. Im Hintergrund "Wanking Arm" von Sarah Lucas, Leihgabe von Damien Hirst. Foto: Florian Schulte, 2011
Gelatin und Sarah Lucas in der Kunsthalle Krems, Foto: Florian Schulte, 2011
Gelatin und Sarah Lucas in der Kunsthalle Krems, Foto: Florian Schulte, 2011
Gelatin und Sarah Lucas in der Kunsthalle Krems, Foto: Florian Schulte, 2011
Hieronymus Bosch, Nachfolger, Die Versuchung des hl. Antonius, um 1500/1510
Sarah Lucas, Bunny Gets Snookered #10, 1997 Courtesy Sadie Coles
Gelatin, Ohne Titel, Fotomontage 2011
Das Besondere: Zur Ausstellung in der Kunsthalle wird ein Großteil der Arbeiten von den Künstlern exklusiv hergestellt. Mit diesem Experiment dürfen sich die Besucher laut dem Direktor Hans-Peter Wipplinger auf ein "Gesamtkunstwerk" freuen. Die Konfrontation von alter und neuer Kunst soll fernab von jeder Skandalisierung den Blick für eine Symbolik öffnen, die bereits die Höhlenmaler kannten. The Gap hat Sarah Lucas und die Künstlergruppe Gelatin (Wolfgang Gantner, Ali Janka, Florian Reither, Tobias Urban) interviewt.
Es kursieren zwei Schreibweisen eures Namens, Gelatin und Gelitin. Was ist korrekt?
Gelatin: Es war ein Fehler, wir mögen den Namen Gelitin eigentlich nicht. Es ist einfach passiert. Ein Stempelmacher in Süd-Korea, den wir beauftragt hatten, hat sich im Alphabet vertan. So ist Gelitin entstanden. Wir sind jetzt wieder zu unserem ursprünglichen Namen Gelatin zurückgekehrt. Nächstes Mal ist es dann wieder Gelitin, wer weiß.
Einige der vier Gelatins haben sich bereits Ende der 70iger Jahre in einem Sommercamp kennengelernt. Seit 1993 arbeitet ihr zusammen. Was ist eurer Erfolgsgeheimnis?
Gelatin: Wir sind weniger Freunde, es ist eher wie eine Familie. Da ist kein Geheimnis. Es ist ein Zusammentreffen von Seelen, Interessen, Liebe, Schönheit.
Hat jeder im Team eine feste Aufgabe oder schließt ihr euch während der Arbeit quasi zu einer Person zusammen?
Gelatin: Wenn wir anfangen, wählt jeder das aus was er möchte. Wir haben alle unterschiedliche Persönlichkeiten, ergänzen uns. Es ist wie ein Salat, ein Blatt geht über das andere. Und jeder ist mal an der Reihe. Wenn das Telefon klingelt und jemand fragt, ob wir eine Ausstellung machen können, muss das der machen, der drangegangen ist. Dann ist es seine Ausstellung. Daher geht normalerweise auch keiner an das Telefon.
Viele eurer Arbeiten sind nur für den Augenblick produziert. Steht bei euch der Spaß im Vordergrund?
Gelatin: Es geht nicht nur darum, Spaß zu haben. Das ist alles sehr ernst. Aber wenn es fertig ist, ist es vorbei.
Für eure Performances schont ihr euch nicht, bastelt z.B. sieben Tage eingesperrt in einer Kiste alles nach, was Besucher dort hineinwerfen. Ist der volle Körpereinsatz Voraussetzung für eine gelungene Präsentation?
Gelatin: Der Körper ist ein gutes Konstruktions-Material. Wir können Geld ausgeben, um fantastisches Material zu kaufen, aber wir geben es lieber aus, um mit Menschen zu arbeiten. Der Körper ist wichtig für uns. Denn eigentlich sind wir ziemlich schüchtern. Daher ist es manchmal gut, einen kleinen Kick zu haben und sich zum Beispiel auszuziehen. Und fast einen Herzinfarkt zu bekommen, bevor man rausgeht. Du bist dann selber sehr aufgeregt und das ist gut für das Publikum. Das was wir machen, ist sehr normal. Es ist auch seltsam zwischen normal und nicht normal zu unterscheiden.
Ihr ladet die Besucher eurer Ausstellungen ein, selbst in Aktion zu treten. Bei "Sweatwat" in London z.B., konnte man schnell nasse Füße bekommen. Muss man eure Installationen mit allen Sinnen wahrnehmen, um sie zu begreifen?
Gelatin: Das Publikum ist immer Teil des Ganzen, auch wenn du nur eine Zeichnung machst. Wir versuchen Raum zu schaffen, und die Leute können damit machen was sie wollen. Wir sagen ihnen nicht, was sie tun sollen. Wenn die in London ihre Schuhe anbehalten wollten, weil sie ängstlich waren nasse Füße zu kriegen, war das okay.
Sarah Lucas: Es geht einfach darum herzukommen und eine gute Zeit zu haben.
Gelatin: Ob wir eine Installation machen, ist aber auch immer vom Ort abhängig. In London hat "Sweatwat" an diesem Ort zu dieser Zeit total Sinn gemacht, hier in Krems passt das nicht.
Eure Arbeiten lösen auch immer wieder Proteste aus, wie die Plastilin-Skulptur "Arc de Triomphe" in Salzburg, die einen nackten Mannes mit erigierten Glied darstellt. Ist es für euch wichtig, provokant zu sein?
Gelatin: Das ist nicht ganz richtig. Niemand hatte ein Problem damit, es wurde nur von den Politikern verwendet, um das eigene Gesicht in die Presse zu kriegen. Ob es wichtig ist provokant zu sein, ist eine gute Frage. Es kommt darauf an, was du selbst darüber denkst. Jede Arbeit kann für eine Person eine Provokation sein. Bei dem Arc de Triomphe haben wir nicht nach dieser Art der Provokation gesucht. Es lag auch daran, was die Medien daraus gemacht haben. Normalerweise nehmen die Leute einfach Anteil und genießen. Wir wollen nur unseren Job machen. Auf der Biennale in Venedig z.B., haben wir diese Aktion mit dem Glasbrennofen gemacht. Die Leute verstehen uns, es ist sehr natürlich. Wir würden nichts machen, nur um zu provozieren.
Eure Ausstellungen sind Gegenwelten zur Realität, bieten ein Zeitloch in das Fantastische. Wovor flüchtet ihr?
Gelatin: Es geht um das Schaffen, nicht um das Flüchten. Wenn du flüchten willst, ist es besser du gehst schlafen. Auch wenn natürlich nichts falsches am schlafen ist. Es geht einfach darum zu zeigen, wie wir etwas verstehen, um unsere Sicht auf die Dinge.
Wo liegt für euch der Reiz in der Zusammenarbeit mit Sarah Lucas?
Gelatin: Es macht soviel Sinn, es wäre verrückt es nicht zun tun. Wir mögen was sie macht und sind glücklich über die Zusammenarbeit.
Verändern sich eure Werke durch die Zusammenarbeit?
Sarah Lucas: Absolut. Ich mache hier Dinge, die ich vorher nicht gemacht habe. Aber ganz wissen wir es noch nicht, wir sind ja noch nicht fertig.
Gelatin: Wir setzen einfach Ideen gemeinsam um, schauen nach Türen und Richtungen. Klar wirst du beeinflusst, wenn du offene Augen und Ohren hast. Das Neue wird Teil von dir. Es geht um den Geist. Seele, Geist und Liebe, das ist wichtig.
Zur Ausstellung stellt ihr den Besuchern Pferdekostüme zur Verfügung, mit denen sie durch die Räume galoppieren können. Wird es noch mehr solcher Aktionen geben?
Gelatin: Die Eröffnungsnacht wird unglaublich werden, da kommen viele Musiker, Freunde, wir bringen quasi noch mehr Familie mit. Mit den Pferdekostümen hat man auch eine gute Möglichkeit eine Schizophrenie zu entwickeln, da du ja Mensch und Pferd zur selben Zeit bist. Sobald du das Pferd geworden bist, willst du die ganze Zeit nur herumrennen wollen. Und dann kann es vorkommen, dass du dich mit jemanden unterhälst und das verdammte Pferd rennt dir einfach weg. (lachen)
Was ist nach Krems eurer nächstes Ziel?
Gelatin: Dieses Projekt ist sehr speziell, da alles in zwei Wochen angefertigt wird. Da ist es schwer zu sagen, was danach kommen wird. Es wird sicher weitere Shows geben.
Sarah Lucas: Ich habe mich dazu entschieden keine Pläne zu haben, da ich denke das die Zeit hier auch viel verändert, meine Arbeit, und wie ich darauf blicke. Das ist die Revolution, keine Pläne zu haben.
Gelatin: Wir werden danach erstmal Urlaub machen.
Eröffnung am 16. Juli um 18 Uhr
17. Juli bis 6. November 2011
Kunsthalle Krems