Kleine Präambel zur Erinnerung. Die Prosa-Seiten im Print-Magazin ist wortaffinen Menschen gewidmet, die ihn nach Herzenslust füllen dürfen. Die Wahl der Textsorte ist freigestellt. Das führt immer wieder zu Überraschungen. Etwa, wenn sich der Musiker und Autor Hubert Weinheimer dazu entschließt, einen Kommentar zur Lage der heimischen Subkultur zu verfassen. Lesenswerte Leviten …
Lanzen brechen – Eine kritische Innenansicht zeitgenössischer Popmusik
Der Musikzirkus ist ein einziger Saustall. In Zeiten, da sich jeder zweite Laptopbesitzer auch für einen Musiker oder mindestens einen DJ hält, kann sich kein Mensch mehr im Überangebot orientieren. Der "Popdiskurs" ist dementsprechend verunsichert und verlagert sich zusehends an die Oberfläche zu den Skandalnudeln und belanglosen Ohrwürmern. #happyabrissbirne. Es ist cool geworden, Mainstream abzufeiern. Oasch is the new leiwand. Echt jetzt?!
Vorweg ein kurzer Exkurs: Als das Subterrarium zu Beginn diesen Sommers seine Kellerpforte geschlossen hat, haben viele zum ersten Mal davon gehört – wenn überhaupt. Sieben Jahre lang wurde dort jeden Freitag Abend an der Zukunft geschraubt. Musiker und Musikerinnen von überallher machten hier Zwischenstopp, um in Sachen Musik neue Wege aufzuzeigen. Eine von ihnen war Meaghan Burke.
And we all fall in love …
Meaghan Burke ist New Yorkerin, hat aber in Wien ihr Cello-Studium abgeschlossen. Zwischen 2009 und 2013 hat sie hier sehr viele Konzerte gegeben. Solo, im Duo Cheating On New York, im Trio mit Bernd Klug und David Schweighart als Le Cowboy sowie als Teil des Kollektivs Loose Lips Sink Ships. Viele dieser Konzerte haben in Off-Spaces stattgefunden, wie dem bereits genannten Subterrarium oder im mo.ë, im Verein 08 oder im Salon Goldschlag. Oft werden die Konzerte von anderen Musikern und Künstlern organsiert und auch im Publikum finden sich viele Eingeweihte. Kurz: Vieles von dem, das anderswo einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert wird, geht auf Orte wie diese zurück, sie sind die eigentlichen Brutstätten der Stadt. Dass das Subterrarium dichtgemacht hat, ist ein herber Verlust – auch für die, die niemals dort waren.
Zurück zu Meaghan: Es passiert nicht oft, dass ich schon während des ersten Lieds in andächtiges Staunen verfalle: Stimme und Cello – fertig ist das Meisterwerk. Entscheidend sind hier nicht nur die Intensität von Text und Musik, sondern vor allem die Plastizität der Darbietung: Lieder, die sich nicht hinter einem Image verstecken, sondern in erster Linie für sich selbst stehen. Ja, genau: Der Ansatz ist ziemlich old school – und das ist auch gut so. "And did you know, and did you know, how much I thought I loved you?!" – selten wird so schön gezwinkert.
Kim Gordon ist Kim Gordon weil sie Kim Gordon ist
In der selben Stadt in einem anderen Lokal stehe ich ein paar Tage später fassungslos in der jubelnden Menge und denke mir: Du kannst dich noch so sehr bemühen, wie Kim Gordon zu singen – es wird niemals Musik dabei herauskommen, sondern immer nur eine ganz armselige Farce. Das reicht vielleicht jetzt gerade im Moment dafür, dass ein paar verwirrte Teenager dich "cool" finden, aber willst du wirklich dein Leben damit vergeuden, zu versuchen, jemand anders zu sein?! Kleiner Denkanstoß: Kim Gordon singt nicht wie Kim Gordon weil sie versucht, zu ihrer eigenen Karikatur zu verkommen, sondern weil sie Kim Gordon … ist. Es amüsiert mich immer wieder, wie vielen Menschen gerade das Offensichtlichste für immer verborgen bleiben wird. Jedenfalls war und ist der Anteil derer, die über die Jahre geglaubt haben, sie wären "genau so gut wie" diese oder jene Band, erschreckend hoch. Wer nichts Eigenständiges zu bieten hat, sollte damit auch nicht an die Öffentlichkeit gehen – es treiben einfach schon genug Plastikflaschen am offenen Meer.
Der Anteil an Musikjournalisten, die diesen Unsinn aus reiner Nostalgie oder persönlichen Verstrickungen mitverantworten, hält sich ebenso hartnäckig. So wie es Bands gibt, die nichts weiter wollen als – egal wozu – auf einer Bühne zu stehen, gibt es auch Schreiberlinge, die nichts anderes bezwecken, als kurz mal eben ein bisschen laut zu sein. Und noch was: Du kannst noch so viele Selfies mit berühmten Menschen machen, du kommst ihnen damit um keinen Zentimeter näher.
Jeder weiß, dass du bluffst
Zurück zu den Musikern. Intern ist sehr wohl bekannt, welche Band bei welchen Awards welches Voting mit unlauteren Mitteln gewonnen hat. Auch wer den Clicks seiner Videos "auf die Sprünge hilft", ist für jeden, der die jeweilige Szene kennt, einsichtig. Dass sich solche Aktionen langfristig rächen, versteht sich von selbst. Das scheint aber nicht weiter zu stören, wenn die "Vision" sich darin erschöpft, die "Band der Stunde" sein zu wollen. Tja …