In Österreich werden wieder Labels gegründet. Eine Reihe von Produzenten und Veranstaltern aus Techno, House und gemischten Beats schickt sich an unter den neuen Bedingungen der internationalen Musiknetzwerke ihre Tracks unter die Leute zu bringen. Wir stellen sie in einer Serie vor.
Mit dem wiedererstarkten Vinylverkäufen, der Zunahme an Produzenten (ohne Release kein internationales Ansehen), nimmt nun auch in Österreich, vor allem in Wien, die Labellandschaft zu. Überall sprießt es wild und die Euphorie ist groß – aber nicht so wie kreischende Teens losjagen, sondern wohl überlegt und nicht uninformiert über den klapprigen Status Quo des momentanen Musikbusiness. Was sind aber genau die Beweggründe zur Gründung eines eigenen Labels? Was erwartet Gründer und womit müssen sie rechnen.
Das 2008 von Martin Unterlechner aka Mosch und Felix Wolfersberger aka Feux gegründete Label Duzz Down San gehört zu den wichtigsten Vertretern des österreichischen HipHop- und Bass Music-Undergrounds. Eine bis weit über die Grenzen von Österreich reichende Fangemeinde erarbeiteten sich die Mitzwanziger durch Mixtapes, Free Downloads und feine Releases von Rap bis Beatbastelei. Die Bandbreite des Labels ist groß, die Treffsicherheit seiner Macher ebenso und ihr Labelsound kennt (fast) keine Genregrenzen. Eigenständige Musik zwischen feinster Instrumentalmusik und experimentellem Rap mit avantgardistischen Ansprüchen ist ihr Markenzeichen. Neben umjubelten Veröffentlichungen wie "Mastaplan" von Feux & Mirac, "Post" von Hörspielcrew oder "Fremdscham In Reality" von Minor Sick erschienen bei Duzz Down San kürzlich auch "Swapping Swingers Ep" von Restless Leg Syndrome, "PeoplEP" von Scheibsta & Dyzma und das Album "The Luv Bug" von Fm4-HipHop-Guru Trishes. Die Zeiger des inneren Dopeness-Messgeräts schlagen heftig aus und der Buzz rund um das Label spricht eine eindeutige Sprache. Kürzlich haben wir die beiden Labelbetreiber zum Interview gebeten.
Warum habt ihr das Label gegründet?
Felix Wolfersberger aka Feux: Als Anfang 2009 feststand, dass Mirac und ich mit Mosch gemeinsam das "Mastaplan" Album über Duzz Down San releasen werden, wollten wir auch dringend die digitalen Vertriebsmöglichkeiten nutzen. Da dies nur mit einem ISRC möglich ist, war klar, dass man nun das Label bei der LSG anmelden müsste. Somit kams eigentlich zur "offiziellen" Labelgründung.
Martin Unterlechner aka Mosch: Es war eine Frage der Zeit bis wir das mit dem Label "offiziell" machen mussten. Anfangs gab es in der Szene einiges Gewusel um die "Neuen" am Spielfeld. Ich hatte am Anfang noch Sorge, ob wir genügend Output liefern können – die Energie der Künstler untereinander hat sich aber so aufgeschaukelt, dass Feux und ich eingreifen mussten und eher gedrosselt als gepusht haben. So gesehen war es einfach fällig, das Label über die LSG offiziell zu machen. Genau so wie wir jetzt wiederum an einem Punkt stehen, wo es darum geht den nächsten Schritt zu machen und das Label in ein wirtschaftliches Unternehmen zu transformieren.
Was war der schwierigste Schritt beim Gründen des Labels?
Feux: Im Grunde war es nicht aufwendig ein Label zu gründen. Wir benötigten einen Labelcode. Das war aber nur der Startschuss, denn dann gings erst richtig los. Wir brauchten CI, Website, Artwork, Promo und mussten einen Releaseplan erstellen.
Mosch: An dieser Stelle muss man halt auch abstecken was man unter dem Begriff Label genau versteht. Der Eintrag bei der LSG ist innerhalb von wenigen Tagen erledigt, mit 100 Euro ist jeder dabei, der Lust hat. Viel schwieriger ist es, die ganzen Kommunikation- wie auch Vertriebswege aufzubauen, die Künstler zu betreuen, Projektpläne zu schreiben und einzuhalten, Aufgaben die sich wiederholen in quasi automatisierte Routinen zu überführen wie etwa die angesprochenen Förderungsanträge und die Künstler ordentlich zu betreuen. Ohne jetzt dramatisch zu werden, aber ich glaube schon, dass ich in meinem Fall mehr oder weniger meine künstlerische Tätigkeit auf Eis gelegt habe und Duzz Down San immer den Vorzug gegeben habe. Irgendwas gibt es immer zu tun. Chronisch geschwollene ToDo-Listen, wie die Mediziner sagen. An irgendeinem Punkt wurde es mir dann aber zu viel und dann hat der Prozess der Teambildung begonnen, was mir inzwischen wieder die Freiheit gibt selbst musikalisch tätig zu sein. Vor dieser Umstrukturierung haben Feux und ich quasi alles im Alleingang gemacht.
Was ist euerer Plan in den nächsten zwölf Monaten?
Mosch: Für mich ist das Ziel für die nächsten zwölf Monate alles am Laufen zu halten wie es bis jetzt funktioniert hat. Wir werden definitiv dieses Jahr weniger releasen als letztes Jahr und etwas mehr weg von den vielen kleinen Gratis-Releases hin zu größeren Projekten gehen. Weiterlaufen sollen auch alle Serien, die wir begonnen haben, wie die DuzzUp-Compilations oder die Zmashed-Mix-Reihe. Neu dazukommen soll noch ein Rap-orientierter Sampler, der aber nur einmal pro Jahr released werden soll. Ich persönlich möchte 2012 schaffen, zum quasi 5 jährigen Jubiläum, mal ein eigenes Release zu droppen. Dann ist da noch die Weiterentwicklung der Strukturen. Eben die vorher schon angesprochene Vereins- bzw. Firmengründung. Weiters möchte ich zum ersten Mal in der Geschichte des Labels um eine Jahresförderung ansuchen um zumindest für ein Jahr das Ding zu meinem Job machen zu können. Da wir jetzt wirklich an dem Punkt sind, an dem man sich locker 40 Stunden pro Woche um Sachen kümmern kann, ohne dass einem dabei langweilig werden würde. Das hab ich mir als festes Ziel gesteckt. Dazu kommt, dass wir eine neue Version unseres Webauftrittes konzipieren und eventuell auch noch ein Redesign unserer kompletten CI machen, da die ja als Steißgeburt an einem Nachmittag kurz vor Polifames "Frischluft" Release (DDS001) aus der Not am Manne von mir selbst in einem Wurf gebaut wurde. Da muss früher oder später ein ordentlicher Gestalter Hand anlegen und uns da mal ein bisschen nach vorn schupsen.
Feux: Ich denke wir werden vor allem unsere Netze noch weiter spannen. Ein internationaler Auftritt ist da natürlich das Wichtigste um die Hörerschaft zu erweitern. Die Leute müssen schon mitbekommen was bei uns passiert. Wichtig wird es vor allem sein, den Spagat zwischen reinen Rap-Releases in deutscher Sprache und Instrumentalprojekten bzw. englischsprachigen Releases zu schaffen. Für viele Hörer ist es vermutlich verstörend unter den vielen Beats dann plötzlich wieder für sie wohl unverständlichen Rap zu hören. Aber vielleicht ändert sich das Konzept auch gar nicht – alles bleibt beim Alten und die Hörerschaft muss sich einfach an den schönen Mischmasch gewöhnen. (lacht)
Promotiontechnisch wäre es auch vernünftig einen Zahn zuzulegen. Der E- Mail Verteiler muss überarbeitet werden, neue Kontakte müssen geknüpft und mehr Median müssen mit in den Pool aufgenommen werden. Wenn man es international betrachtet, keine einfache Aufgabe. Man könnte sich das auch sparen indem man einen Promoagent bezahlt und den einen mittelmäßigen Job machen lässt, aber die Erfahrung zeigt, dass das auch nicht das Gelbe vom Ei ist. Wir machen lieber alles selbst. Abgesehen davon mag ich den Gedanken, dass Musik auch in den Tiefen des Internets gefunden wird und man sie nicht durch jedes Portal rausschießen muss, damit es jeder mitbekommt.
In welche musikalische Richtung wird sich das Label bewegen?
Mosch: Ich glaube, es wird musikalisch noch offener, noch mehr in die avantgardistische Richtung was Raps und Beats betrifft. In vielerlei Hinsicht macht es Sinn sich internationaler zu positionieren, was nicht heißt, dass wir österreichischen Rap fallen lassen, aber das Verhältnis wird sich auf 50:50 einpendeln, schätz ich. 2012 wird auf jeden Fall die "zweite Runde" eingeläutet, was heißt, dass unsere Katalognummer eins "Polifame" (Frischluft) mit seinem zweiten Rapalbum zurückkommen wird.
Feux: Jeder von uns kommt eigentlich aus dem klassischen HipHop Background und daher ist Hip Hop auch immer noch die Basis für das was auf Duzz Down San passiert. Klarerweise entwickeln sich die Künstler über die Jahre auch weiter und lassen sich gern von anderen Stilen beeinflussen, was ein schöner und natürlicher Prozess ist. Das war auch immer schon eine Art Leitbild für Duzz Down San: "Es gibt keine Grenzen." Da wir ein sehr "familienorintiertes" Label sind werden bei uns kaum bis gar nicht Künstler gesignt. Familiennachwuchs kann es natürlich auch geben, aber das passiert nur im Fall von viel Liebe. Wir vertrauen auf unseren Geschmack.
Wo und in welcher Form sind bzw. werden die Releases erhältlich sein?
Feux: Alle unsere Releases sind digital über Bandcamp, iTunes und sämtliche andere Online-Plattformen erhältlich. Wenn es zu einem Release Vinyl oder CD gibt, dann sind diese auch immer bei Dopeshit (AT) oder HHV (GER) erhältlich. Je nach Release wird entschieden, wo es noch Sinn macht diese unterzubringen. Bei der "Overland EP" (Vinyl) von Chrisfader und Testa hatten wir die Platten zum Beispiel auch in England bei Fatcity im Angebot. Für die Zukunft sind wir gerade am Überlegen welcher Vertrieb für uns die beste Lösung wäre. Generell ist es bei geringen Auflagen (300 Stück) nicht leicht, die Produktionskosten wieder einbringen zu können.
Mosch: Im Rahmen des Website-Relaunches werden wir auch unseren eigenen Onlineshop starten. Bisher haben wir uns da wegen des enorm hohen Aufwandes immer davor gedrückt. Es gibt Überlegungen, das alte Goalgetter-System zu reaktivieren, aber das ist noch Zukunftsmusik. Eigentlich ist das Wichtigste, dass wir alle viel zum Live-Spielen kommen, da verkaufen sich die Releases von selbst. Und was das Medium betrifft, sehen wir seit wir angefangen haben einen starken Trend weg von der CD hin zum Vinyl – digital läuft eh immer mit. Ich glaube, dass in Zukunft auch mehr Sachen auf Vinyl kommen werden als auf CDs. Aber wir hören in diesen Kategorien auch nicht auf zu denken. So ist zum Beispiel zu unserem Geburtstag im April ein USB-Stick mit der kompletten Diskographie des Labels angedacht und wir behirnen ständig wie wir die Musik am schönsten verpacken können. Merch spielt da eine große Rolle, was von uns bis jetzt recht stiefmütterlich behandelt wurde. Aber ich bin schon in Gesprächen mit einigen Siebdruckkünstlern um auch diesbezüglich neue Sachen bringen – mit einem individuellen Touch, der sich auch im Sound wiederspiegelt. Im Endeffekt sollte jedes vernünftige Label mittlerweile auch Künstler abseits der Musik signen. In unserem Fall eher in seinen Wirkungsbereich einpflegen, da es keine schriftlichen Verträge gibt. T-Shirts lassen sich bekanntlich ja nicht downloaden. (lacht)
Weitere Information zu Duzz Down San gibt es hier:
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