»Gendersensibles Design« – braucht es das wirklich? Und ob! Angesichts der sich verschärfenden stereotypen Rollenzuweisungen in Produktkultur, Werbung oder Grafik fragt man sich mitunter, wie fortschrittlich unsere Gesellschaft tatsächlich ist.
Über vergangene Zeiten kann man sich leicht lustig machen. Über die biederen Hausfrauen-Kochbücher der 60er Jahre zum Beispiel. Oder über die damalige »Vati kommt abends von der Arbeit heim«-Romantik, die so manches Kinderbuch heute unlesbar macht. Oder über den skurrilen Ernst in den Wochenschauen, wenn Scharen von Männern mit Hut irgendetwas Wichtiges machen, planen oder besprechen.
Und heute? Wir halten uns für aufgeklärt, liberal, weltoffen und emanzipiert. Spätere Generationen werden sich trotzdem auf den Kopf greifen, wenn ihnen manche Werbung oder Produkte aus 2014 unterkommen. Denn die stupide Einteilung in blau – rosa, kantig – rund, hart – weich, technoid – emotional, männlich – weiblich zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Kultur. Im Vergleich zu früher ist es dabei nicht besser, sondern teilweise sogar ärger geworden. »Gehen Sie mal in ein Spielwarengeschäft, da haben Sie rechts Superman und links Lillifee, rechts Lego Techno und links Lego Friends. Es gibt so gut wie keine gemischten Abteilungen mehr«, so Uta Brandes, seit 1995 Professorin für Gender und Design an der Köln International School of Design und weltweit eine der führenden Expertinnen auf ihrem Gebiet. »Die Pinkisierung der Welt schreitet voran. In bestimmten Branchen hat sie sich extrem verschärft.« Grund dafür sei die Differenzierung über Marketing und Branding, die seit den 90er Jahren vorangetrieben wurde. Je stereotyper eine Zielgruppe versorgt werden kann, desto besser kann man das Geld abmelken.
Du Tarzan, ich Jane
Selbstverständlich geht es nicht immer nur um Pink oder Blau. Die Differenzierungen funktionieren auf vielen Ebenen – über Farbe, Form, Materialwahl, Werbekampagne –, wie das Buch »Du Tarzan Ich Jane« von Birgit Weller und Katharina Krämer von der Hochschule Hannover beweist. In ihm werden Produkte aus den unterschiedlichsten Bereichen gegenübergestellt, die manchmal subtil, manchmal brachial Frauen oder Männer, Mädchen oder Burschen ansprechen sollen. Rosa Sparbüchsen von Esprit machen mit einer Aufschrift ganz klar, wofür es für Frauen zu sparen lohnt: Dessous, Schmuck, Handtaschen und Nightlife. Bei den Burschen: Hobby, Auto, Party und die Freundin. Ja und wenn schon, ist ja für Teenies, muss man nicht ernst nehmen. Oder?
Der Messerhersteller Victorinox verkauft unter dem Label Pink eine Sonderedition im Kleinformat – verwendbar als Schlüsselanhänger, mit Minischere und Nagelschere. Mehr brauchen Frauen ja nicht. Dass Coca-Cola mit »Light« und »Zero« zwei eindeutig geschlechtercodierte Produkte auf dem Markt hat, drückt sich nicht nur in Farbe oder Schrift aus, sondern auch in den absurden dazugehörigen Werbetexten. Bei »Light« setzt man auf den Claim »Nur du bist du«, die Mädels dürfen sich »spontan und ungezwungen, verspielt, laut, lustig« fühlen. Beim »Coke Zero Game« hingegen landet der Hero »im Stadion, mit seinen besten Kumpels, umgeben von heißen Girls«. Bei Kosmetika setzt sich das fort: »Eine Frau würde heute kaum eine Kosmetikserie kaufen, die sich als typisch männliches Produkt darstellt. Es geht soweit, dass die Verträglichkeit in Frage gestellt wird«, so die Autorinnen von »Du Tarzan Ich Jane«.