Low-Budget-Massaker auf Utoya

Keine drei Monate ist es her, als das Massaker auf der norwegischen Insel Utoya um den Globus gegangen ist. Jetzt ist ein erster Trailer zu einem Filmprojekt dazu aufgetaucht: "Utoya Island" Plus Behind-the-Scenes-Material. Provokation oder einfach nur retarded?

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Der Youtube-Channel "8000versace" erzeugt seit Ende September bei nicht wenigen Usern saures Aufstoßen. Denn seitdem kann man sich hier den Filmtrailer zu "Utoya Island" ansehen, der filmischen Verarbeitung des Massakers vom 22. Juli 2011. Zusätzlich gibt es mehrere Behind-the-Scene-Clips mit Mitwirkenden. Hinter dem Projekt steht der US-Filmemacher Vitaly Versace, der durch Filme wie etwa "The Last Vampire on Earth" bekannt ist.

Empörung!

Dass die kürzlichen Ereignisse auf Utoya früher oder später den Stoff für eine filmische Umsetzung bieten, kann verwundern nicht und ist auch schon kurz nach dem Massaker innerhalb und außerhalb Norwegens diskutiert worden. Dass dieses Projekt nun für große Empörung sorgt, hängt zumal von mindestens zwei Faktoren ab. Der eine ist die kurze Zeitspanne zwischen Tat und Film. Zweiter Faktor ist die Art und Weise, wie "Utoya Island" die Ereignisse wiedergibt. Der Trailer zeigt ein Low-Budget-Produkt, das ohne viel Vorbereitung und ohne jeglicher Achtung gegenüber den Opfern so schnell wie möglich realisiert werden will – solange das Thema frisch ist, solange weiß es große Aufmerksamkeit zu generieren. Eine einfache Regel – Emphatie oder Moral haben hier keinen Platz.

Lustige Dreharbeiten

Über den Filmtrailer hinaus – über den sich bereits auch schon die norwegische Polizei empört hat – sind parallel einige Behind-the-Scene-Clips erschienen, ebenfalls unter dem Channel "8000versace". Hier kommen Mitwirkende live am Drehort zu Wort und haben dabei reichlich Spaß. Kernmessage scheint zu sein, wie lustig und toll die Dreharbeiten doch seien, das stängige Umfallen und ins Wasser springen. Negative Begleiterscheinungen: davon werde man nass und dreckig… Hier kann es sich wohl nur um bewusste Provokation handeln mit dem primären Ziel sich Aufmerksamkeit zu erschleichen. Oder sind die Akteure den realen Ereignissen emotional tatsächlich so entfernt?

Derartige Ereignisse haben filmische Umsetzungen zur Folge, das ist nunmal so. Das Leben schreibt den Stoff für die Leinwand. Damit werden sich in Zukunft auch die Angehörigen der Utoya-Opfer arrangieren müssen. Dass dabei aber etwas weniger Jenseitiges herauskommen kann als "Utoya Island" ist dem Medium Film im Allgemeinen schon zuzutrauen. Andererseits ist es ein schönes Paradebeispiel für den hemmunsglosen Kampf nach Aufmerksamkeit in der unüberschaubaren Masse des Low-Budget-Trash und dafür, wie man Angst und Trauer unkompliziert benutzen kann, um auch einem (unter anderen Bedingungen) lachhaften Projekt ein respektables Maß an Rezeption bescheren zu können. Das einzige was man dazu aufbringen muss, ist möglichst starker Wille zur Pietätlosigkeit. Aber das kennen wir ja alle auch schon längst aus dem täglichen Geschäft der Sensationspresse.

Unterm Strich sollte es man mit der Empörung jetzt also nicht übertreiben und auf diese Art dem Viral Marketing genugtun. Stattdessen abwarten, bis Herr Versace und seine Utoya-Crew wieder kompromisslos in der Bedeutungslosigkeit des Low-Budget-Trash-Sumpfes verschwinden.

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