Während Lukas Lauermann einem breiten Publikum als gern gesehener Gast- und Studiomusiker bekannt ist, ist er solo erfolgreich im Grenzland zwischen U- und E-Musik unterwegs. Mit »I N« präsentiert er nun sein zweites Solowerk, just in jenem Jahr, in dem er sein persönliches Cello-Jubiläum feiert: Ein Vierteljahrhundert währt die Liaison zwischen ihm und seinem Streichinstrument nunmehr.
Während er früher Konzerte am liebsten weitgehend stumm bestritt und sich nach Shows gern aus der Schusslinie nahm, schlägt er mittlerweile auch gerne verbal eine Brücke zum Publikum. Dennoch besteht kein Zweifel am Primat der Musik als bevorzugtem Ausdrucks- und Kommunikationsmittel: »Obwohl wir viele tiefe und bedeutungsvolle Momente zusammen – inside of art – hatten, stelle ich mir vor, dass Lukas einen einfacheren Zugangspunkt findet, um seine tieferen Gefühle zu teilen. Und zwar mit denen, die dazu fähig sind, in Zeit und Rhythmus zu reagieren, in Harmonie oder Missklang, ohne dass das ›Wort‹ die Kommunikation ständig durcheinanderbringt«, resümiert Derrick Ryan Claude Mitchell, Initiator von Saint Genet. An mittlerweile fünf Produktionen des Performance-Kollektivs war Lauermann beteiligt.
Ernsthaft humorbegabt
Die große Ernsthaftigkeit, mit der Lauermann seine Musik vorträgt, verstellt aber gleichzeitig den Blick auf andere Facetten seiner Persönlichkeit: »Ich muss zugeben, aus der ersten Zuschauerreihe eines seiner frühen Solokonzerte im großen Sendesaal des ORF-Radiokulturhauses habe ich mich bei der Frage ertappt, ob dieser Kerl denn auch irgendwann lächeln oder lachen würde?«, sagt Caffonara. Eine Frage, die sie vier gemeinsame Alben später (zuletzt erschien »Delta«) so beantwortet: »Lukas spricht wenig. Wahrscheinlich ist er der Mensch in meinem engeren Umfeld, der am wenigsten Worte benutzt, um zu kommunizieren. Und dennoch ist seine Präsenz eine starke, unverkennbare. Und was er sagt, sitzt dann meistens. Und auch der Schalk sitzt – und zwar nicht zu wenig – im Nacken dieses Künstlers. Also doch Lächeln und Lachen«, so die Geigerin.
Ein Eindruck, den auch Emily Stewart zu teilen scheint: »Er hat eine tiefe, leicht dunkle, aber doch humorvolle Seele, sagt mit einem Blick viel, viel mehr als mit tausend Sätzen. Und wenn er schon etwas sagt, so bringt er es perfekt auf dem Punkt mit einer Ironie, die ich besonders schätze.« Eine Seite, die auch Derrick Ryan Claude Mitchell an Lauermann mag. In einem Gespräch verriet ihm dieser den Namen seines Cellos. Der Hintergrund: die Geschichte von Columbos kurzfristigem Begleiter, einem Basset Hound, der entweder Fido, Munch oder Beethoven heißen hätte sollen. Columbo beließ es aber bei Dog. Analog dazu heißt Lauermanns Cello einfach Cello.
Das Unausgesprochene, das Unaussprechliche
»Es gibt eigentlich keinen Grund für Lukas, Rituale in verlassenen Fabriken in Traiskirchen, noch bevor der Morgen graut, zu begleiten. Es gibt eigentlich keinen Grund für ihn, seinen Zeitplan zu verschieben, um in letzter Minute ohne Probe in einer achtstündigen Madness-Opera aufzutreten. In dieser Unvernunft wird jedoch diese große Verrücktheit sichtbar, das Unausgesprochene, eher das Unaussprechliche. Lukas’ Spiel wird zu seiner Präsenz – eine treibende Kraft, die in den angsteinflößendsten, traurigsten und schwierigsten Momenten der Aufführung das Stück nach vorne treibt«, sagt der Saint-Genet-Gründer.
Seine Solo-Cello-Tour (de Force) durch China lässt sich hier genauso nahtlos einreihen wie das eben erschienene zweite Album. Das macht ihn zu einem rundherum spannenden Menschen und Musiker, der die Wiener Szene und die Musikwelt über diese hinaus nachhaltig bereichert hat. Dass ihn Musikjournalist Robert Rotifer unlängst zur »Koryphäe« adelte, passt genauso ins Bild, wie dass er das Kompliment bescheiden mit einem verschmitzten Lächeln zur Kenntnis nahm.
»I N«, das zweite Soloalbum von Lukas Lauermann, ist bei Col Legno Music erschienen. Für die kommenden Wochen sind einige Konzerte geplant, u. a. eine Album-Release-Show am 15. Oktober im Wiener Konzerthaus. Lauermann war zuletzt an folgenden weiteren Veröffentlichungen beteiligt: »When I’m Enlightened, Everything Will Be Better« von Alicia Edelweiss, »The Anatomy Of Melancholy« von Emily Stewart und »Delta« von Donauwellenreiter.