Auf seinem Album »Boys Toys« schafft Mavi Phoenix Klarheit und bedient sich gleichzeitig verschiedener Erzählstimmen und Alter Egos.
»Manchmal muss es einfach raus« ist ein Satz den viele sehr gut kennen. Aus Streits mit den Eltern oder aus Auseinandersetzungen mit FreundInnen und PartnerInnen. Indirekt, weil unausgesprochen, aber vielleicht auch aus der ikonischen Szene im Film »Garden State« heraus, in der sich Zach Braff, Natalie Portman und Peter Sarsgaard im Regen die Seele aus dem Leib brüllen. Was man sich davon erhofft, ist Klarheit. Was einen danach oft erwartet, sind verzogene Mienen und tagelang ungelesene WhatsApp-Nachrichten. Aber darum soll es hier erstmal nicht gehen. Auf Mavi Phoenix‘ neuem Album »Boys Toys« trifft dieser Satz jedenfalls gleich in doppelter Weise zu. Zunächst einmal deshalb, weil es sich um eine in 12 Songs unterteilte Erzählung handelt, die einfach erzählt werden musste. Darüber hinaus aber auch, weil der Musiker mit der Veröffentlichung nicht warten wollte, bis die Krise vorbei ist, bis sich unsere »neue Normalität«, wie das Leben während der Coronakrise kürzlich vom Bundeskanzler bezeichnet wurde, wieder in eine »normale Normalität« verwandelt. Falls es so etwas überhaupt gibt.
»Mavi bleibt Mavi, weil Mavi immer schon Mavi war«
Um Normalität, also um den Wunsch sich als »average guy« zu fühlen und auch als solcher betrachtet und behandelt zu werden, geht es aber auch auf Mavis Album, auf dem der Musiker ganz offen über seine Transidentität spricht. Es musste raus, damit endlich alles klar ist. Und im Gegensatz zu den am Anfang des Textes geschilderten Szenarien ist hier auch sehr schnell alles klar. Als HörerIn nimmt man es jedenfalls so wahr.
Im kurzen, fast schon wütenden Song »Choose Your Fighter« wird dieser Klarheit auch mal etwas Nachdruck verliehen. Das trübt das Bild jedoch nicht, ganz im Gegenteil. Außerdem ist die Stimme des aggressiven Kämpfers nur eine Erzählstimme, die Mavi Phoenix auf seinem Album zu Wort kommen lässt. Je tiefer die Gefühlswelten liegen, die auf dem Album angepeilt werden, desto öfter schickt Mavi eine hochgepitchte Stimme ins Rennen, die vor allem für den Song »Scary Thoughts« ein wichtiges Ventil gewesen zu sein scheint. Von allen auf »Boys Toys« versammelten Stücken ähnelt der Song »Fck It Up« Mavis früheren Songs am meisten. Es ist eine Art Anknüpfungspunkt, von dem aus ein mutiger Fighter aus einem für die 2000er typischen Computerspiele in den Ring steigt, von dem aus sich aber auch »Scary Thoughts« ihren Weg durch Mavis Welt bahnen.
Und auch wenn Autotune immer noch als verbindendes Moment fungiert, gibt es auf »Boys Toys« auch Songs wie den Track »Family«, auf dem die zu Beginn erwähnte Klarheit auch musikalisch ihren Ausdruck findet. Der Song klingt nach Handwerk und angreifbar. Nach einer Angreifbarkeit, die natürlich immer auch Verletzlichkeit bedeutet, die aber ganz einfach sein musste. Und das ist auch gut so, weil man manchmal einfach keine Wahl hat. Wie der Song »Choose Your Fighter« suggeriert, haben wir diese Wahl als HörerInnen, zumindest in diesem konkreten Fall, aber schon. Die Sache war aber immer schon eindeutig: Wir entscheiden uns für Mavi, denn »Mavi bleibt Mavi, weil Mavi immer schon Mavi war«, wie es in einem Youtube-Kommentar unter dem Musikvideo zu »Bullet In My Heart« heißt. Alles klar? Wir finden schon.
»Boys Toys« von Mavi Phoenix ist heute, also am 3. April 2020, bei LLT Records erschienen. Unter Vorbehalt führen wir hier geplante Livetermine für Ende des Jahres an: 14. November, Wien, Arena — 26. November, Graz, PPC — 27. November, Ebensee, Kino — 2. Dezember, Salzburg, Rockhouse — 3. Dezember, Innsbruck, Treibhaus.