Nils Holger Moormann war Kurator der heurigen Blickfang-Messe. Ein Gespräch mit dem unkonventionellen deutschen Möbelproduzenten über Jungdesigner, relevante Stückzahlen, schnellen Erfolg und alte Trüffelschweine.
In der deutschen Designlandschaft hat sich Nils Holger Moormann (62) in den vergangenen 30 Jahren einen Kultstatus erarbeitet: Das unverkennbare Programm des „Möbelverlegers“ punktet mit schlichten, originellen und funktionalen, aber keineswegs überdesignten Produkten. Moormann gilt als höchst eigensinnig und konsequent. Sein Betrieb, der 30 MitarbeiterInnen beschäftigt, befindet sich in der bayrischen Provinz, genauer gesagt in Aschau im Chiemgau. Dort betreibt Moormann mittlerweile auch ein Hotel.
Sie waren Kurator der heurigen Blickfang-Messe. Was rät jemand, der 30 Jahre im Business ist, den Jungdesignern- und Designerinnen von heute?
Das ist die Patenrezeptstory, die es nie gibt. Man muss als erstes das Glück haben, sich selbst zu erkennen. Meistens hat man in sich drinnen ja einen Baukasten, der sich gegenseitig überlagert. Man muss eine Sache entdecken, an die man auch glaubt. Und wenn es verdammt mal Design ist, muss man das auf den Prüfstand stellen und nicht mit der rosa Brille da reintaumeln. Sich dem Thema insofern nähern, indem man sich fragt: Wie sehr trägt mich meine Neugierde? Wie sehr habe ich Leidenschaft? Neugierde und Leidenschaft setzen Energien frei. Und wenn die da sind, kann man ruhig auch ein bisschen naiv sein. Es schadet nicht, wenn man nicht alles weiß.
Wie kamen Sie als 29-jähriger Jus-Studium-Abbrecher plötzlich drauf, dass Sie Möbel machen wollen?
Ich war immer sehr dumpf im Studium, ich hab gespürt, ich ziehe jeden Tag Schuhe an, die mich drücken – und damit soll ich Ballerina tanzen. Und dann hat mir eines Tages ein Autostopper, den ich mitgenommen hab, von Design zu erzählen begonnen. Das war ein Architekt, der Metallmöbel gebaut hat. Und da ging bei mir die Neugierde los. Die hat mich immer weiter getrieben, wie bei einer Bergtour.
Warum haben Sie nicht gleich probiert, selbst zu entwerfen?
Als Autodidakt habe ich gestaunt über Design und mir gar nicht angemaßt, dass ich das kann. Also habe ich dann genau überlegt und viel aufgeschrieben: Ich wollte arbeiten wie ein Verlag, der verschiedene Autoren hat, am besten handverlesene Autoren. Andererseits wollte ich selbst nicht produzieren. Zwar ist es günstiger, weil die Zwischenstufen wegfallen, aber wenn man sich eine bestimmte Maschine anschafft, dann konzentriert sich dein Denken irgendwann nur mehr auf diese Maschine und wie du die optimal nutzt. Das war mir zu eng. Und schließlich gab es die Entscheidung, den weltweisen Irrsinns des billigen Produzierens nicht mitzumachen. Ich wollte die Nähe zum Handwerk haben, die verlängerte Werkbank. Ich brauche die Nähe zu den Menschen, die das herstellen. Wir haben viele Handwerker auch mit unserer Leidenschaft infiziert.
Viele Jungdesigner finden für ihre Entwürfe keine Produzenten und überlegen sich dann, selbst zum Produzenten zu werden. Auf der Blickfang-Messe begegnet man vielen davon. Finden Sie diese Option zu riskant?
Kreativität und Erbsenzählen passen nur schwer zusammen. Insofern ist es nur eine halbgute Lösung. Die Gefahr besteht in den Kosten, die sich nach den Stückzahlen richten: Wenn du zehn Teile produzieren lässt, ist es unbezahlbar. Bei 100 wird es etwas besser. Bei 500 geht’s langsam, bei 2.000 sieht man Licht am Ende des Tunnels. Aber wie soll denn der Designer am Anfang einschätzen, ob die Rechnung aufgeht – falls er das Projekt überhaupt finanzieren kann.
Hier auf der Blickfang-Messe erlebe ich, dass sich viele irgendwie durchwurschteln. Aber du lernst dabei viel, anders als bei einer reinen Fachmesse. Hier kommst du her mit deinen Ideen und kriegst direktes Feedback von den Kunden. Es war auch damals, als ich angefangen habe, schwierig. Die meisten Handwerkbetriebe wollten mit mir gar nicht arbeiten, weil die Stückzahlen zu klein waren. Die Jungdesigner träumen immer wieder von riesigen Stückzahlen, dabei ist das mitnichten so. Es gibt viele berühmte Entwürfe, die sich wahnsinnig schlecht verkaufen.
Auch bei uns hat es Stücke gegeben, für die uns die Fachhändler gelobt haben: Endlich, Moormann, machst einmal etwas Gscheites, was wir verkaufen können, hieß es da! Doch auch die haben sich geirrt. Das Ding stand dann zwar in halb Europa in tollen Geschäften, doch verkauft hat es sich trotzdem nicht.
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