Nils Holger Moormann war Kurator der heurigen Blickfang-Messe. Ein Gespräch mit dem unkonventionellen deutschen Möbelproduzenten über Jungdesigner, relevante Stückzahlen, schnellen Erfolg und alte Trüffelschweine.
Moormann steht für eine eigene Ästhetik, für Präzision und Schlichtheit, wobei immer auch etwas Überraschendes dabei ist. War diese Linie so geplant?
Als Autodidakt konnte ich keinen designerischen Mehrwert abfragen, aber einen funktionalen Mehrwert wollte ich bei jedem Entwurf haben, einen Anwendungsnutzensmehrwert. Die kleine Möbelerfindung. Bis heute. Am Anfang habe ich mir 20 Regeln aufgeschrieben, die ich befolgen wollte. 20 waren aber zu kompliziert, nach ein paar Jahren waren sie auf 10 eingedampft. Heute habe ich nur drei, aber die passen.
Erstens muss man konsequent seinen Weg gehen, das ist eine Frage des Charakters. Das zweite ist auch langweilig, nämlich Transparenz. Ich hab mit den Kunden immer viel darüber geredet, was ich da mache, wie die Kalkulation zustande kommt, was das Material kann und was nicht, ich habe auch nie die Fehler zugedeckt. Das dritte, auch megafad, ist Haltung. Ich brauch einen Namen im Markt, der seriös ist. Wenn du das heute so machst, geht das noch immer. Aber es dauert halt lang. Die Jungen träumen vom schnellen „Brand“, aber in der Regel brauchst du ein ganzes Leben.
Sie haben vorher den Begriff Verleger verwendet. Wären Sie eigentlich gerne Buchverleger geworden?
Natürlich, ich bin ein Buchmaniac, ich fresse Bücher. Das sieht man ja auch der Kollektion, in der es immer wieder Bücherregale gibt. Da fragen mich meine Kollegen ja, was machst du nächstes Jahr, wenn es keine Bücher mehr gibt?! Siehst mal, wie krank die ticken.
Vor etwa fünfzehn Jahren sind Sie gegen IKEA wegen eines Plagiats erfolgreich gerichtlich vorgegangen. Das war in den Medien ein großes Thema, so nach dem Motto David gegen Goliath. Sind Sie es eigentlich überdrüssig, darauf angesprochen zu werden?
Ja, bin ich. Wobei, IKEA macht einen tollen Job. Das ist eine super Firma. Was ich nicht mag, sind die Nutzer, die nur die Frage nach dem Preis stellen. Ich bin ein großer Fan davon, sich etwas zu leisten. Wenn du dir etwas leistest, schleichst du um das Ding herum. Das macht das Leben reicher. Es wird dann nicht nur ein Nutzobjekt, sondern ein Tageskultobjekt. Und das ist superwichtig. Letztlich war die Sache mit IKEA perfekt, wir hatten ein positives Image – so robinhoodmäßig, das entspricht auch meiner Mentalität.
Sie betreiben in dem Ort, wo die Firma ist, auch ein Hotel. Warum eigentlich? Ist Ihnen mit den Möbeln fad geworden?
Das hatte mit einer der schlimmsten Fehlentscheidungen zu tun. Wir brauchten Lagerfläche, also haben wir ein Grundstück mit einem Abbruchhaus gekauft. Nur hätte ich besser Jura fertig studieren sollen, denn es gab einen juristischen Einspruch auf das Grundstück und wir durften daher nicht bauen. Doch ich bin zu sehr Unternehmer, um das einfach so zu lassen, also haben wir begonnen, das Objekt Schritt für Schritt zu sanieren. Dann kam die Buchhaltung und meinte, wir brauchen dringend Geld. Zuerst hieß es, wir machen hier das „Grandhotel Aussichtslos“. Ich habe nächtelang nicht geschlafen, weil es finanziell eine richtige fette Nummer war. Doch meine Neugierde hat mich angetrieben.
Letztlich hat es sich als die absolut richtige Strategie herausgestellt, weil die Leute, die hier herkommen, nun verstehen, was wir machen: Der Moormann ist so ein Typ. Man erlebt hier, wie wir sind, ohne dass es ein Erlebnisshowroom wäre. Das bringt Identität und Authentizität. Wenn wir die nicht hätten, müssten wir sie erfinden.
Haben Sie Angst vor dem Aufhören?
Altersbedingt denk ich natürlich automatisch an allen möglichen Scheiß. Ich höre nur auf, wenn es ein reines Geschäftsmodell wird, dann reicht’s mir. Aber bis dahin hab ich Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern. Und das heißt halt bei mir auch, dass ich oft bis an die Grenzen der Belastbarkeit schufte. Früh aufstehen, spät ins Bett gehen – von allein geht nix. Aber mich erfüllt es noch immer mit großer Freude. So herumschnüffeln wie ein altes Trüffelschwein, dann sagen „Mann, ist das eine geile Idee. Kein Mensch weiß, wie das mal aussehen wird. Aber den Schatz heben wir jetzt gemeinsam!“ Sowas macht Spaß.
Die Blickfang in Wien hat von 30.-31. Oktober im Wiener MAK statt gefunden. Showroom von Nils Holger Moormann hier auf der Website.