Schrift ahoi!

Der Münchner August Dreesbach Verlag hat eine Zeitschrift namens „Typotopografie“ initiiert, die nicht nur Grafikinteressierten zu empfehlen ist.

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Fachzeitschriften sind stets Spiegel der Branche, auf die sie sich konzentrieren. Im Bereich Design lassen sie sich grob in zwei Gruppen einteilen: Die erste liefert einer breiten Leserschicht aufwändig inszenierten Lifestyle und kommt in vielen Fällen über „neu“, „cool“ und „sollte man haben“ nicht hinaus. Bei der zweiten Gruppen handelt es sich um jene – eher raren – Publikationen, die sich an den engen Kreis von Designschaffenden wendet, worunter nicht selten die Leselust leidet, wenn man nicht selbst Auskenner ist. Auch im Bereich Grafikdesign ist letzterer Zeitschriftentypen stark vertreten, das Thema ist einer breiten Öffentlichkeit offenbar herzlich egal, obwohl diese davon nicht unwesentlich betroffen ist.

Insofern sind die neuen Typotopografie-Hefte ein Glücksfall. „Das Magazin zu Gestaltung, Typografie und Druckkunst in urbanen Zentren“ nähert sich seinem Thema interdisziplinär, als Autoren kommen neben Gestaltern auch Historiker, Kulturwissenschaftler oder Germanisten zum Zug. Das eröffnet die unterschiedlichsten Blickwinkel auf ein Thema, das man nicht einer Disziplin allein zuschreiben sollte. Entsprechend vielfältig ist auch die Bandbreite der drei ersten Hefte, die München, Düsseldorf und Berlin gewidmet ist.

Futura und Vergangenheit

Klar, dass das Thema Schrift im öffentlichen Raum – von Geschäftsschildern bis zu Straßenschildern – eine große Rolle spielt, aber nicht nur das. Im München-Heft liest man etwa Interessantes über den Wahlmünchner und Designer Paul Renner, der 1928 seine „Futura“-Schrift auf den Markt brachte, deren Abkömmlinge bis heute allseits beliebt sind und von VW wie von Ritter Sport, von Absolut Vodka wie von der SPD verwendet werden. Es geht aber auch um konkrete Orte, „die Sie so vielleicht noch nicht kennen und bei der nächsten Gelegenheit unbedingt besuchen sollten“ (so Ramona Feilke im Vorwort), zum Beispiel eine Handsatzwerkstatt, die die Kunst des Bleisatzes im digitalen Zeitalter hochhält. Extrem spannend auch der Aufsatz über die Geschichte des Münchner dtv und seines legendären innovativen Gestalters Celestino Piatti.

Im Berlin-Heft wiederum wird über das weltweit wohl einzigartige Buchstaben-Museum berichtet, aber auch davon, dass im Zuge der deutschen Wiedervereinigung die westdeutschen Straßenschilder ihre ostdeutschen Pendants ins Out drängten. Selbstverständlich darf auch ein Aufsatz über Graffiti nicht fehlen, schließlich gilt Berlin ja als eine Weltstadt auf diesem Gebiet. Und wer Düsseldorf nicht kennt, dem öffnet das entsprechende Typotopografie-Heft Türen, die einem ein herkömmlicher Reiseführer wohl kaum öffnet.

Mit einem Wort: Extrem fein, dass es so ein Heft gibt, gerade in Zeiten, in denen viele Printmedien ins Strudeln geraten sind. Noch dazu in einem Themenbereich, der entweder Lifestyle-verblödet oder Insider-gesättigt ist. Kurzum: Mediales Slowfood vom Feinsten. Gruß nach München: Wir freuen uns schon auf das nächste Heft, das sich Wien widmet und im April hier auch präsentiert werden wird.

www.augustdreesbachverlag.de

Bild(er) © Typotopografie
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