Der eigentlich sinnlose Charakter-Editor macht „XCOM2“ noch um einen entscheidenden Tick besser.
Dank „Fallout 4“ gab’s wieder die eine oder andere Diskussion. Die Charaktererstellung war das Thema. Wozu so viel Aufwand, wenn’s doch eh keinen interessiert. Das Gesicht der eigenen Figur sieht man nach dessen Erstellung kaum mehr wieder.
Identifikation ist das Zauberwort. Mag sein, dass Nasenhöhe und Augenbrauendichte einem Gutteil der Spielenden nicht einmal ein Achselzucken entlocken. Aber selbst erstellte Figuren haben Charakter und Charaktere erzeugen Geschichten. Identifikation kann aus gelungenen Spielsystemen geniale Story Engines machen.
„XCOM 2“ ist da ein schönes Beispiel. Was hier im Vordergrund steht, ist rundenbasierte Taktik. Kleine Teams von Soldaten säubern überschaubare Maps Zug für Zug von Aliens und deren Schergen. Die Aliens haben den Kampf um die Erde schon gewonnen und die freie Menschheit lebt im Widerstand. Zwischen den Kampfmissionen wird die Basis aufgebaut, um Ausrüstung und Kampfmannschaft zu verbessern und auf geht’s in die nächste Mission. Alle Mitglieder der Einheit können erfahrener und besser werden, Verwundungen erleiden und sterben. Im letzten Fall muss der Platz neu besetzt werden, vom jungen, unerfahrenen Nachwuchs.
Die strategische Alien-Hatz wäre schon so die unzähligen verschluckten Stunden wert. Aber da gibt es auch noch den Charaktereditor. Für die Spieldynamik ist der vollkommen belanglos. Alles was er ändert sind Optik und Hintergrundinformationen der Männer und Frauen, die in den Kampf geschickt werden. Bis hin zur Biographie. Franko Potente ist so entstanden, der italienische Elvis, der als Scharfschütze und Revolverheld aus allen Distanzen ein Wort mitzureden hat. Oder Alice Wonder, ein ständig schmollendes Mädchen mit einem großen Messer und einer Schrotflinte. Die antworten sogar in unterschiedlichen Sprachen auf ihre Befehle und so verwandeln ein paar Mausklicks im Editor konturlose Einheiten in erinnerungswürdige Charaktere.
Plötzlich entstehen Geschichten, wenn Jane, die australische Nachwuchsgrenadierin den verwundeten Veteranen aus dem Kugelhagel zerrt und er sich in der ersten Mission nach der Genesung mit einem riskanten Glückstreffer revanchiert.
Strategisch gesehen bedeutet in „XCOM 2“ jede Verwundung und jede tote Einheit einen Rückschritt und verschlechterte Chancen. Wenn da aber nicht der Scharfschütze stirbt, sondern Franko, der über viele Missionen hinweg für viel Amüsement und ein paar wichtige Abschüsse gesorgt hat, bekommt ein herausragendes Strategiespiel eine zusätzliche, denkwürdige Ebene.
»XCOM 2« ist bereits für PC, Mac und Linux erschienen.