Matthäus Bär macht Kindermusik. Ein gewisses Alleinstellungsmerkmal für den früheren Indie-Musiker. Aber auch sein größtes Handicap: Wie positioniert man sich als Künstler in einem Genre mit Imageproblem?
Spaß braucht Ernst
Wenn man sich musikalisch neu orientiert, ist das nicht selten mit einer Image-Korrektur verbunden, mit einer Änderung des transportierten Narrativs. Matthäus Bär war immer als Dandy konzipiert, im Anzug im Stile Bryan Ferrys. »Die Kinder haben das sofort verstanden.« Kinder verstehen sowieso mehr, als man denken mag: »Im Kindergarten meiner Tochter sprechen die Kinder in der dritten Person über Matthäus Bär, sie wissen, dass er eine Bühnenfigur ist.«
Diese Erkenntnis erlaubt ihm, das Spiel weiterzutreiben, zu übertreiben. Mit Posen, klassischen Gesten, Goldschuhen und silbernem Helene-Fischer-Mikrofon. Mit Sekt am Kindergeburtstag statt mit der Bierdose im Rinnsal. Es geht um Bühnenshow, um Show-Entertainment, wo man der Musik gerne zuhört. »Bei Robbie Williams hören die Leute den Songs zu, auch wenn er vorher mit dem Hubschrauber ins Wembley-Stadion fliegt.« Die größten Übertreiber des Schlagers, Christian Steiffen oder Alexander Marcus, sie alle brauchen aber die Ernsthaftigkeit zum Augenzwinkern. Es geht nur, wenn man es richtig ernst meint, damit es lustig ist. »Es ist ein bisschen dieser Austrofred-Schmäh«, meint Bär. Ein guter Vergleich.
Das Hauptziel ist es eindeutig, die angesprochene Segmentierung aufzuheben, die Darstellung als reiner Künstler für Kinder aufzubrechen. Matthäus Bär will wahrgenommen werden, als Künstler, der auch Erwachsene anspricht. »Wenn man als normale Band ein Kinderlied macht, ist es egal, das schluckt jeder. ›Gegenteiltag‹ von Peter Licht etwa, das könnte auf jedem Album sein. Wenn du als Kindermusiker sagst, du machst einen Song für Eltern, geht das überhaupt nicht.«
Auch welche Menschen Bär erreicht, steht der Weiterentwicklung ein bisschen im Wege. Die Zielgruppe sind natürlich die Eltern. »Ich bin big in Wien 7, da werde ich beim Bäcker nach Autogrammen gefragt. In Wien 6 passiert das schon nicht mehr.« Ganz klar, vor allem Bobos interessieren sich für Matthäus Bär. »Die Leute, die in gesunde Ernährung oder Holzspielzeug für ihre Kinder investieren, investieren auch bei Unterhaltung in Qualität. Die Leute, denen das nicht so wichtig ist, hören halt das, was es im Libro-Regal unter ›Kinder‹ gibt.«
Reichweite, Reichweite, Reichweite
Um die Marke Matthäus Bär aufzubauen, muss man eine Geschichte erzählen, sozusagen Content Marketing betreiben, seine Gesicht in die Kameras halten, auf Youtube die Kinder abholen, auf Facebook die Eltern. Matthäus Bär macht das mit Learning by Doing, mit Ausprobieren, mit Zielgruppen-Eruieren. Am besten werden alle Kanäle bespielt. Facebook-Kampagnen sollen die Insights bringen, bei Print darf man ruhig größer denken. »Durch meine Sozialisation kontaktierte ich hauptsächlich Indie-Medien. Die neuen Themen würden aber auch gut in Woman passen.« Ein sehr großes deutsches Männermagazin präsentiert Bär in einer Daddy-Beilage neben Super-Staubsaugern. Eltern-Blogs mit Zugriffen im siebenstelligen Bereich sind noch unerforschtes Land, aber das nächste große Ziel, um Reichweite zu generieren.
Was dabei rauskommen soll, ist klar definiert, es geht um alles. Um das Schaffen von purer Bekanntheit, aber vor allem um das, was tatsächlich Einkommen bringt: Der Verkauf von CDs und Konzerttickets. Zuerst muss aber Präsenz aufgebaut werden: »Mir wäre es eigentlich sogar lieber, wenn die Leute die CD beim Saturn kaufen – das ist eine Form von Reichweite. Im Onlineshop bleibt zwar am Ende des Tages mehr über. Aber ich würde es cooler finden, wenn der Saturn sie einfach liegen hätte oder wenn die Leute sie dort bestellen. Damit Matthäus Bär ein größerer Begriff wird.« So, wie es auch Wanda und Bilderbuch wurden.
Die EP »Nichts für Kinder« von Matthäus Bär erscheint am 7. April 2017 bei Phonotron. Am 4. April findet das Release-Konzert im Wiener Wuk statt.