Könnte ein unterirdisches Kinderzimmer in einer Wiener U-Bahn-Station tatsächlich existieren, ohne dass es jemand merkt? Offenbar ja. Der verantwortliche Künstler im Interview über das Projekt und seine Absichten.
Warum sind die Kommentare beim Video gesperrt?
In der Projektbeschreibung wird eine wichtige Information vorenthalten: Wo sich das Zimmer genau befindet. Wer sich jedoch die Mühe macht das Bild zu Beginn des Videos an der richtigen Stelle zu stoppen, kann aus einer verschwommenen Beschriftung ableiten, wo das Zimmer liegt. In den Kommentaren wäre diese Information dann sicher gleich zu Beginn gepostet worden. Dadurch hätte das Projekt meiner Meinung nach einen Teil seiner Stärke verloren, denn es gehört zur Idee, dass sich das Zimmer überall in Wien befinden könnte. So bleibt diese Frage zumindest an dieser Stelle ungeklärt und jede bzw. jeder Interessierte kann selbst Recherche betreiben.
Jetzt mal ehrlich, warum ein Kinderzimmer? Wenn es um soziale Ungleichheit geht, müsste man nicht eher ein Minibordell oder einen Boiler Room oder einen bürokratischen Warteraum nachbauen?
Wie beschrieben geht es bei der Arbeit auch darum, auf die Entdeckungen, die in Österreich vor einigen Jahren gemacht wurden Bezug zu nehmen. Das war damals sehr schockierend und hat sich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Seitdem setzten sich Künstler und Künstlerinnen in verschiedenen Medien mit dieser Thematik auseinander. Dies ist meine Weise mit dem Thema umzugehen.
Eine künstlerische Intervention vor Ort hat eine andere Präsenz, als ein medial gefilterter Ansatz wie etwa eine rein filmische Aufarbeitung. An diesem Raum gehen Tag für Tag hunderte Menschen vorbei. Das ist eine real existierende Situation, nur eine Handbreit entfernt vom Alltag der Menschen in Wien – kein Filmstudio. Das Dokumentationsvideo wurde zu einer Art Prothese des Raums, die die Entdeckung dieses Ortes eventuell erst ermöglicht und ihn einem größeren Publikum näher bringt. Die Vergänglichkeit der Installation macht die Videodokumentation unverzichtbar.
Es hätte auch andere Möglichkeiten gegeben, den Ort kritisch zu bespielen. Ein Kinderzimmer bietet aber einen sehr scharfen Kontrast zur Betonarchitektur des Raumes. Es ist freundlich eingerichtet und bildet so einen naiven Kontrapunkt zur bedrückenden Ästhetik der Umgebung. Der Anblick des Raums ist gerade deshalb so aufwühlend, weil die Installation die Fremdbestimmung aufgreift, die ein Kind durch Erwachsene tagtäglich erfährt.
Warum eigentlich die ganz Geheimniskrämerei um dich oder euch? Das lädt doch ein „Fake“ zu schreien? Was Leute, die wir bei den Wiener Linien kennen, übrigens auch gemacht haben …
Das Projekt wurde als Experiment im Bereich der Wiener Linien „ausgesetzt“. Der Versuch, Kunst jenseits von ihren Repräsentationsräumen stattfinden zu lassen, bedingt künstlerische Praxen die auf Tuchfühlung mit den Grenzen zur Illegalität gehen. Informelle Praxen ziehen aufgrund der möglichen Konsequenzen die Entscheidung nach sich, sich in Bezug auf die Autorenschaft vorerst bedeckt zu halten.
Im Vergleich zu anderen künstlerischen Ansätzen kann ein solches Projekt nicht von Anfang bis Ende durchgeplant werden, da viele äußere Faktoren Einfluss üben können. Angesichts des zunehmenden Kontrollwahns öffentlicher Stellen ist die Reaktion der Wiener Linien nachvollziehbar. Einen Raum dieser Art über zwei Jahre in den eigenen Betriebsräumen nicht zu bemerken, stellt die Wiener Linien in kein gutes Licht. Wenn der Raum doch entdeckt wurde, so ist damit zu rechnen, dass das Schweigen über dessen Existenz durch Ermittlungstätigkeiten begründet ist.
Geheimniskrämerei wird zumindest in Bezug auf den Ort der Installation nicht konsequent betrieben. Auch wenn die Wiener Linien bereits alles beseitigt haben sollten, wird man zumindest den Raum – den man bereits aus dem Video kennt – vorfinden. Das Projekt spielt mit der Möglichkeit eines „Fakes“, bietet den Betrachtern und Betrachterinnen aber zugleich die Chance, der Sache auf den Grund zu gehen. In diesem Sinne kann das Projekt ein außergewöhnliches Publikum anlocken und eine Form der Rezeption von Kunst abseits ausgetretener Pfade ermöglichen.
Das Video, in dem das unterirdische Zimmer zu sehen ist, gibt es hier. Abenteuerlustige dürfen sich gerne auf die Suche machen und uns anschließend Bescheid geben.