Liebes Tagebuch,…

Eine chronologische Geschichte über gutes Huhn, Müdigkeit, Aspirin und analoge und digitale Musikproduktion. Ein paar Zeichnungen sind auch dabei.

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Liebes RBMA-Tagebuch,

nachdem ich zwei Tage lang versucht habe, die Teilnehmer und Teilnehmerinnen zu überreden, etwas über ihre Zeit zu schreiben, bin jetzt wohl ich dran. So richtige Begeisterung ist am Anfang übrigens nicht aufgekommen, aber in den Programmpausen zwischen Vorspeise, Hauptspeise und Nachspeise (vielleicht beziehen sich auch deshalb so viele Einträge aufs Essen) konnte ich dann doch die meisten überreden. Hätte ich in dieses Tagebuch schreiben müssen, wären das meine vier Highlights:

Lubomyr Melnyk. Als Person und als Künstler

Was dieser Mensch mit seinen Fingern am Klavier machen kann ist atemberaubend. Dass Lubomyr Melnyk Musik lebt und liebt, steht außer Frage – bei der Lecture versucht er nicht nur sein Wissen sondern auch seinen Spirit an die Zuhörer weiterzugeben. Das Beste daran war vermutlich, dass im Bass Camp Land nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen herrschte: Melnyk erklärt den 20 Künstlern, die zu einem großen Teil selbst elektronische Musik produzieren, dass er elektronisch produzierte Musik (pushing knobs and buttons) für wertlos hält. Was dann passiert ist eine höfliche aber bestimmte Diskussion, in der vielleicht zeitweise ein bisschen aneinander vorbeigeredet wird. Insgesamt hatte man aber das Gefühl, dass die Lecture alle TeilnehmerInnen nur noch mehr für die danach folgende Studiosession und die Arbeit an ihrer Musik angespornt hat und auf jeden Fall am längsten in den Gedächtnissen hängen geblieben ist. Nach Lecture, Aufregung und Essen steht Melnyk dann im Innenhof, raucht Pfeiffe, schreibt in unser Tagebuch und erklärt mir, wie schön Tagebuch schreiben ist, weil Menschen auch das analoge Schreiben fast verlernt hätten. Ich wollte ihn kurzfristig fragen, ob er mich als Enkelin adoptiert.

Es gab nicht nur viel zu essen, sondern auch eine volle Kitchen bei der RBMA

Ich hätte hier gern das Todd Terje Set erwähnt, aber irgendwie ging sich das leider nicht ganz aus. Ja, wir haben die circa 15 Minuten "Inspector Norse" gefeiert und den "I wanna dance with somebody“-Remake danach auch, aber so ganz ist der Funke nicht übergesprungen, so sehr ich mich auf den Norweger gefreut habe. Insgesamt war es dennoch ein guter Abend mit ein paar Überraschungen: b.visible hat es geschafft, die Kitchen während dem Mainact zu füllen. Zugegebenermaßen: der Club war auch dermaßen voll, das es sich um eine natürliche Umverteilung handeln könnte, aber wer schon öfter in der Forelle war, weiß, dass das bei weitem nicht oft gelingt und dort schon viele DJs einsam gestorben sind.

Wie sympathisch ist DJ Zinc eigentlich?

In der Lecture erzählt er zwei Stunden lang über seine musikalischen Anfänge, Entwicklungen im Drum’n’Bass und erklärt die Hintergrundstory zu einigen von seinen Tracks. Seinen Erfolg begründet er übrigens schlicht in seiner Leidenschaft, nicht in seinem Können. Es war ein "Früher war vieles anders" statt dem üblichen "Früher war alles besser"-Talk und das war angenehm erfrischend und sympathisch. Ein bisschen neidisch ist er übrigens auf die DJs die heute anfangen, weil Musik jetzt online so leicht auffindbar und verfügbar ist. Das ist nicht immer aber doch häufig sehr nützlich. Und: Er würde seine ganze Musik zum freien Download auf Soundcloud anbieten. #freeuse Am nächsten Tag hat er den Teilnehmern dann noch eine Logic-Einführung angeboten. Zu viert Logic von DJ Zinc erklärt bekommen, casual saturday, easy.

Landschulwochen-Atmosphäre

20 musikbegeisterte Menschen in einem Hotel, 4 Tage lang, versorgt mit allem was sie so brauchen um sich ganz auf ihre Musik zu fokussieren. Das war an sich einfach schön. Ich glaube, einige hätten sogar gern auf die 3 Gänge Menüs zu Mittag und/oder am Abend verzichtet, um mehr Zeit im Studio zu verbringen. Ein bisschen erinnerte das Ganze auch an eine Landschulwoche mit viel Programm und Schülern, die nicht immer bald ins Bett gehen wollen. Die Tatsache, dass die RBMA Veranstaltung mit DJ Zink, Shed, Demuja und Feux in die Abschiedsparty der Pratersauna mündete, wurde nicht nur mir und dem Erscheinen des Artikels zum Verhängnis. Zumindest einer hat das Frühstück wohl verpasst, das Gespräch irgendwann am Vormittag in der Sauna lief dann ca. so ab: "Hey, was ist mit Bass Camp?" – "Pssst, ich schlaf eigentlich gerade in meinem Hotelzimmer." Eintrag ins Klassenbuch gibt’s zum Glück keinen.

All in all: Schön wars bei dir, liebe RBMA, bis bald!

Eine ausführliche Reportage zu allen Tagen findet ihr außerdem bei Red Bull. Das RBMA Bass Camp hat von 28.1. bis 31.1. im Hotel am Brillantengrund in Wien stattgefunden.

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