»Melancholie habe ich nicht im Repertoire« – Cid Rim im Interview

Nach zahlreichen EPs erscheint morgen endlich Cid Rims erstes Album »Material«. Clemens Bacher über musikalische Einflüsse, die Affine-Familie und warum seine Tracks letztendlich doch immer eine positive Grundstimmung haben.

Zurück zum Album: Du hast ja auch mit Vocals gearbeitet – wie hat das geklappt, wie ist das abgelaufen?

Ich hatte die Nummer eigentlich schon in groben Zügen fertig und wusste, dass eine Frauenstimme passt. Ich war dann in London und habe mit dem A&R von Lucky Me und zufälligerweise, weil er gerade im selben Raum war, mit dem A&R von Warp Records gesprochen und hab zu ihnen gesagt, sie sollen mal brainstormen. Dann sind ein paar Namen rausgesprudelt, unter anderem Samantha Urbarni. Ich kannte sie vorher nicht und habe aber nur vom Timbre von der Stimme sofort gedacht, dass das passt. Ich habe sie dann angeschrieben, wir haben ein paar Mal geskypt und sie hat super eingesungen. Aber es war ein bisschen ein Blind Date. Ich hab sie noch nie in echt getroffen, nur über Skype, weil sie immer in L. A. ist.

Du wirkst so, als wäre fast alles sehr geplant. Ist irgendein Teil des Albums zufällig entstanden? 

Ja, die allererste Nummer, das Intro. Beim Musikproduzieren gibt es natürlich immer Zufälle, weil man viel ausprobiert, bevor ein Track fertig wird, also ganz so sleak läuft der Prozess nicht. Aber die allererste Nummer ist schon etwas älter, die habe ich lange produziert, bevor das Album in Planung war. Ich war vor vier Jahren im Rahmen von Africa Express, das von Damon Albarn von Blur veranstaltet wird, mit einigen anderen Musikern in Mali. Wir waren in einem Kulturzentrum, wo wir extrem spartanisch Studios hineingebaut haben, und haben dort eine Platte mit lokalen Musikern produziert.

Das Intro des Albums ist dort aus einem kompletten Down Mitte der Woche entstanden, als ich mir einfach nur dachte: »Holy shit, wo bin ich und was mach ich hier?« Ich war kurzfristig extrem fertig und habe dann komplett aus der Laune heraus diese Nummer gemacht, für die ich bis zum Album nie wirklich Pläne hatte. Für mich ist das eine sehr persönliche Nummer und als ich mich dann entschieden habe, das Album zu machen, war relativ schnell klar, dass der Track rauf muss. Die Nummer ist innerhalb von eineinhalb oder zwei Stunden aus einer kompletten Fertigkeit entstanden. Ich finde, es ist ein gutes Statement, gleich mit einer sehr persönlichen Nummer, die auch eine Geschichte hat, anzufangen – obwohl die Geschichte eigentlich niemand kennt, außer man liest dieses Interview (lacht). Aber ich glaube, der Vibe kommt schon rüber.

Grundsätzlich wirkt deine Musik von der Grundstimmung doch sehr positiv. Ist das bewusst, oder passiert das? 

Ich habe mich das selbst schon öfter gefragt. Ich scheitere eigentlich regelmäßig daran, traurige Nummern zu machen. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass ich als Person wirklich sehr weit weg von Melancholie bin. Ich glaube Melancholie habe ich einfach nicht im Repertoire (lacht). Die letzte Nummer vom Album, »Material«, hat eigentlich ein Moll-Thema und sollte damit trauriger klingen und auch die Melodielinie hat eigentlich etwas Wehmütiges. Der Track hält das aber nicht sehr lange durch – oder ich halte es nicht sehr lange durch. Ich brauche dann einfach die brutalistisch-positive Auflösung.

Bei meiner ersten Platte gab es ein Interlude, dass dieses Thema durch den Titel »Optimistic Minor«sogar textlich aufgegriffen hat. Minor heißt Moll, aber sogar Moll klingt bei mir optimistisch.

Wenn man komplexere elektronische Musik betrachtet, gibt es doch viel mehr Releases, die melancholisch klingen …

Ja, die treffen auch die Zeit. Die fetten Jahre sind vorbei, die Post-Wirtschaftskrise zieht sich jetzt schon seit 2010 und die Meinungen, ob das besser werden wird oder nicht, gehen auseinander. Weltpolitik und europäische Politik verändern sich überhaupt nicht zum Besseren. Meinen Zugang kann man vielleicht auch ein bisschen als trotzig optimistisch sehen. Auch wenn man sich oft nicht vorstellen kann, wie etwas weitergehen soll – egal ob persönlich, oder etwa politisch, wenn man daran denkt, was Trump und Nordkorea gerade aufführen – ist es doch so, dass man den Glauben an sich selbst, an die Menschheit und an humanistische Werte nicht verlieren darf. Das ist so eine direkte Einstellung zum Leben, die ich habe und die sich wohl auch in der Musik widerspiegelt.

Viele Leute hören Musik, um sich abzulenken. Was machst du?

Ich höre praktisch überhaupt keine Musik nebenbei. Beim Kochen vielleicht, aber auch das ist eigentlich relativ bewusst. Ich war nie jemand, der zuhause dauernd Musik laufen hat. Wenn man zum Beispiel in einem Büro sitzt und da läuft den ganzen Tag Radio, das würde ich überhaupt nicht aushalten. Ich höre Musik, die mich interessiert, aber immer bewusst und nie nebenbei. Ich gehe viel lieber in Lokale, in denen keine Musik gespielt wird. Ausnahme sind natürlich Clubs, aber da ist der Rahmen ein anderer.

Gerade in den intensiven Phasen im Studio, in denen ich fast ausschließlich mit mir selbst beschäftigt bin, ist der wichtigste Ausgleich sicher das Sozialleben. Wenn eine intensive Phase im Studio ist und ich nur mit mir selbst beschäftigt bin, dann ist der wichtigste Ausgleich sicher das Sozialleben: rausgehen und Leute treffen. Wenn ich mehr mit Leuten zusammenarbeite, dann ist es genau das Gegenteil: kochen und Tatort schauen.

Welche österreichischen Artists sollte man in Zukunft im Auge behalten? 

Wandl, hundertprozentig Wandl.

Okay, ja, aber den kennen wir ja schon …

Wandl wird ein Superstar werden, da bin ich hundertprozentig überzeugt.

Monophobe und Karma Art haben eine super Platte rausgebracht, die hatte ich auch schon länger am Radar. Aja und Franz Fuexe, das ist eine Mostviertler Punkrock-Band, die einfach völlig durchdreht auf der Bühne. Die sind komplett wahnsinnig und schaffen es, einen Raum eine Stunde lang mit brachialster Energie zu füllen.

»Material« erscheint am 20. Oktober 2017 bei Lucky Me Records. Am 21. Oktober gastiert Cid Rim in Graz im Forum Stadtpark, am 17. November dann in Linz in der Stadtwerkstatt und am 16. Dezember in der Sargfabrik in Wien. 

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