Elektronik-Shootingstar Clara Moto beweist auf ihrem Debüt-Album, dass sie sich die Vorschusslorbeeren zu Recht verdient hat. Musikalität und ein Gespür für große Melodien geben auf „Polyamour“ den Ton an und machen es zu einem der spannendsten Techno-Alben mit Österreich-Bezug der jüngsten Zeit.
Elektronik-Acts aus Österreich, die international für Aufsehen sorgen, waren seit den 90ern eher spärlich gesät. Seit Kurzem brodelt es im Beat-Business der Alpenregion wieder ordentlich, was auch für den nötigen globalen Widerhall sorgt. Neben Musikern wie Dorian Concept, Marflow oder Ken Hayakawa ist Clara Moto aus Graz wohl einer der am hellsten leuchtenden Sterne dieser Szene. Aber mal von vorne.
Clara Prettenhofer alias Clara Moto wuchs in Graz auf. Durch ihr stark musikalisch geprägtes Elternhaus begann auch sie früh Klavier zu spielen. Statt Musikhochschule entdeckte sie ihr studentisches Alter Techno mit der dazugehörigen Clubkultur. Beflügelt durch diese Neuentdeckung fing sie kurzerhand an, Tracks zu produzieren, Platten aufzulegen und Partys zu veranstalten. Auch an der Gründung des Grazer Labels Houseverbot war Clara Moto zu dieser Zeit maßgeblich beteiligt. Eine Teilnahme an der Red Bull Music Academy 2006 in Melbourne war dann nur mehr Formsache; wie auch die Teilnahme an der anschließenden Academy-Tour. Neben dem Sónar in Barcelona führte sie diese auch zum Montreux Jazz Festival. Am Weg dorthin lernte sie den französischen Techno-Artist Agoria kennen. Der war gerade im Begriff ein Label gründen, Clara schickte ihm ein paar Tracks und avancierte mit zwei umjubelten Maxis auf dem neugegründetem Label InFiné zum international gebuchten Live-Act und DJ.
The Sound of Moto
Sound-seitig beschäftigt sich der Grazer Techno-Export grob gesagt mit Techno, House und Electronica der minimalen aber melodielastigen Sorte. Obwohl ihre erste 12-Inch-Single „Glove Affair“ ein von einer zarten Tonfolge getragener Microhouse-Tune mit Minimal-Techno-Versatzstücken war, schaffte sie es schon auf der zweiten InFiné-Veröffentlichung „Silently“ diesen bereits guten Sound noch mit Pop-Elementen und Vocals ihrer Kollegin Mimu (ebenfalls aus Graz) anzureichern. Dieser erfrischende Minimal-Techno-Pop-Track mit Ohrwurm-Charakter wurde folgerichtig zum Hit. Die Erwartungen an ihr Debüt-Album waren also nicht nur von Labelseite her groß.
Narrative Melodien
Ein Album ist, gerade im Techno-Bereich, aber etwas grundlegend anderes als eine Single-Veröffentlichung. Der Künstler hat Raum sich künstlerisch zu entfalten, eine Geschichte zu erzählen oder bisher verborgen gebliebene Aspekte seines Könnens bzw. Schaffens zu porträtieren. Viele noch so talentierte und erfahrene Elektronik-Produzenten scheitern immer wieder daran, ihren klarerweise auch Club-orientierten Sound in passende Bahnen zu lenken und ihn in eine für das Albumformat stimmige Form zu gießen.
Clara Moto nimmt diese Hürde nicht nur locker, sondern wächst mit der Aufgabe noch weit über bisher Gezeigtes hinaus. Die in ihrer Musik schon immer sehr präsenten Melodien fungieren auf „Polyamour“ als eine Art narratives Element. Stimmungen, Geschichten und Charakter ihrer Arbeit transportiert sie durch fein verwobene aber dennoch im Vordergrund stehende Melodien, die stark durch die Musikalität der Künstlerin geprägt sind. Aber auch die von Kollegin Miriam Mone aka Mimu eingesungen Vocals und der mitgelieferte Textgehalt werden gekonnt in Einklang mit Sound und Ästhetik gebracht. Es lässt sich also ohne Weiteres von narrativer Kohärenz sprechen. Ebenso bei den ambientösen Electronica-Tracks, bei denen diese Komponente selbstverständlich noch stärker zu tragen kommt, hält ihr Gespür für große Melodien diese Tracks auf Kurs.
Wie der Titel bereits vermuten lässt, handelt das Album von Liebe in sämtlichen Schattierungen. Im Interview schilderte Clara Moto den Versuch, verschiedene Aggregatszustände der Liebe, denen sie in der Zeit der Albumproduktion ausgesetzt war, über Melodien, Sounds und deren Texturen zu vermitteln. Ein gewagtes Unterfangen, das aber im Fall von „Polyamour“ plausibel aufgeht.
Die Form der Form
In Zusammenhang mit solcher Ästhetik wird gerne der unqualifizierte und abwertende Terminus „Mädchen-Techno“ bemüht. Der Titel des Albums und dessen zierliches Artwork von Kollegin Mimu steuern in diesem Fall zwar auch nicht in eine entgegen gesetzte Richtung, aber bei genauerer Betrachtung sollte einem durch diese Fehleinschätzung die Schamesröte ins Gesicht steigen. Auf „Polyamour“ wird anspruchsvoller Techno fernab jeglicher Klischees geboten. Clara bringt es fertig, majestätische Stimmungen – oftmals auch düstere – zu kommunizieren, ohne eine Sekunde lang manieriert zu wirken. Hooks sind punktgenau gesetzt, Soundfiguren fein eingegliedert, Breaks mit Bedacht gewählt und die unter Mithilfe des Grazer Kollektivs Soundsilo entstandenen knackigen Beats lassen jeden Zweifel an der Ernsthaftigkeit ihrer Musik verpuffen.
Die poppigeren Stücke des Albums begeistern durch Songwriting-Qualitäten der Musikerin und fügen ihrem Output eine weitere prächtige Nuance hinzu. Die club-tauglicheren Tracks verkommen nie zum reinen DJ-Tool, sondern Clara Moto weiß immer im richtigen Moment Akzente zu setzen. „Polyamour“ ist ein stimmiges Techno-Album geworden, das die Künstlerin und ihre Arbeit gut widerspiegelt. Damit hat sich Clara Moto wohl den Stempel Zukunftshoffnung endgültig abgewaschen. Der Olymp der Electronic Big Player hat seine Pforten bereits weit für sie geöffnet.
„Polyamour“ erscheint Ende März bei InFiné im Vertrieb von Discograph. Weitere Information und Tour-Daten findet man hier. Am 29.5. kommt Clara Moto zum Resolut in die Fluc Wanne.