Mira Lu Kovacs & Clemens Wenger verwandeln winterbedingte Niedergeschlagenheit in tröstliche Melancholie und stimmen uns dabei auch auf Weihnachten ein.
Fünf Grad und Bodennebel, gefühlt drei Stunden Licht pro Tag, und dann haben mancherorts noch nicht einmal die Punschstände geöffnet. Wenn die letzten warmen Herbsttage dem schneelosen Wintergrau endgültig gewichen sind, aber die Weihnachtszeit noch nicht wirklich angebrochen ist, gibt man sich dem Selbstmitleid besonders gern hin. Mit »Sad Songs to Cry to« fällt zumindest die Romantisierung dieser vorweihnachtlichen Niedergeschlagenheit leichter. Hie und da stellt sich vielleicht sogar so etwas wie melancholische Zufriedenheit ein.
Scheinbare Gegensätze
Mira Lu Kovacs, die zuletzt mit ihrem Solodebüt aufhorchen hat lassen, und Clemens Wenger, den man von 5/8erl in Ehr’n kennt, kleiden auf diesem gemeinsamen Album Klassiker des Pop und Jazz neu ein. Und die verwendete Garderobe ist – passend zum Veröffentlichungsdatum – eher winterlich. Das Duo schafft es dabei, zehn Lieder aus den unterschiedlichsten Ecken zu einem musikalisch wie thematisch homogenen Album zu vereinen: vom Kunstlied aus den 1930er-Jahren über Jazzklassiker bis hin zu Folk- und Rockballaden aus den 1980ern. Darunter mischen sich mit »That’s What Happiness Is«, der Vertonung eines Gedichts von Fernando Pessoa, und »Fort von hier« auch zwei Eigenkompositionen. Man hat den Eindruck, einem eigentümlichen Dialog zwischen den Jahrzehnten und Genres der Musikgeschichte zuzuhören. Scheinbare Gegensätze ergänzen einander dank der reduzierten Arrangements, die auf Wengers warmen Klavierharmonien und Kovacs’ ruhigem Gesang fußen.
Wengers fließende Klavierläufe erzeugen Ruhe, während Kovacs’ unverstellter, klarer Ton selbst dem STS-Gassenhauer »Kalt und kälter« eine sinnliche Note verleiht. Schöne Einfachheit, aber irgendwie nicht viel mehr. Wenn Kovacs beim Refrain des Ton-Steine-Scherben-Klassikers die dritte Wiederholung der Zeile »Halt dich an deiner Liebe fest« haucht, sehnt man sich doch nach Rio Reisers dreckigem Gesang. Die reduzierten Arrangements, die andernorts durch schlichte Eleganz strahlen, wirken hier eher pathetisch. Insgesamt aber eine runde Sache: »Sad Songs to Cry to« öffnet in der stressigen Vorweihnachtszeit Raum für Sinnlichkeit und Melancholie.
Das Album »Sad Songs to Cry to« von Mira Lu Kovacs & Clemens Wenger ist heute, also am 2. Dezember 2022, bei Ink Music / Play Dead Records erschienen. Live zu sehen gibt’s die beiden an folgenden Terminen: 20. Dezember, Salzburg, Arge Kultur — 21. Dezember, Innsbruck, Treibhaus — 22. Dezember, Graz, Orpheum — 28. Dezember, Wien, Porgy & Bess.