Rau, dreckig, etwas furchteinflößend, aber im Grunde sympathisch. Das ist Bare Hands. Das ist dein Techno um die Ecke.
Der 4/4-Takt ist – Überraschung – nach wie vor beliebt auf der Tanzfläche. Die Dichte an House- und Techno-Club-Veranstaltungen hat in Wien zwar abgenommen, auf der anderen Seite reden Leute seit zwei Jahren darüber, dass es hier endlich wieder Techno gibt. Es ist aber immer wieder ein Gefühl wie Heimkommen, wenn man wieder am Floor zu 128 BPM nicken und dem DJ beim Beat-Angleichen zusehen kann.
Was man aber manchmal vermisst, sind Events und DJs, die an musikalische Grenzen gehen. Abende, die nicht über die sichere Tech-House-Wanne hinausgehen, sind zwar manchmal – nicht alle – ganz nett, aber irgendwie auch ersetzbar. Der Club soll idealerweise nicht nur ein Ort des Exzesses sein, sondern seine Gäste auch fordern und austesten.
Bare Hands ist ein Wiener Label für elektronische Musik, das von Daniel Hartl, Julian Derkits und Manuel Bachinger seit 2014 betrieben wird. Ihre musikalischen Wurzeln liegen ua. in Hardcore Punk und Electronic Body Music. Ihren musikalischen Output einfach nur Techno zu nennen, wäre deshalb wohl zu wenig. Was man aber mit Sicherheit sagen kann. Sie sind Boundary Pusher – sowohl am Floor als auch bei ihren Releases.
Mit ihrer neuen EP von Stock Projects bringen sie die mittlerweile vierte Platte heraus und feiern das im März ausgiebig in der Grellen Forelle.
Ihr bringt am 29. Jänner eure neue Platte “Stock Projects – S/T” heraus. Was unterscheidet die barehands004 von den drei vorigen Releases? Gibt es eine Linie?
Julian: Die Stock Projects – S/T ist die erste Platte, die komplett aus einem Live Ansatz entstanden ist. Natürlich gab es danach noch ein bisschen Editing, aber prinzipiell ist alles aus einem Jam heraus entstanden.
Manuel: Im Gegensatz zu 002 hatten wir auch das erste mal die Möglichkeit eine ganze EP aus einem Guss zu produzieren. Wir haben versucht das zu nutzen und einen schlüssigen Sound zu finden. Die Platte ist ein ganz guter Snapshot von verschieden Dingen mit denen wir uns für ein paar Wochen auseinandergesetzt haben.
Digital oder analog?
Julian: Beides. Es gibt bei beiden Pros und Cons und manchmal sind die analogen Einschränkungen kreativ. Auf der anderen Seite sagt es uns auch nicht zu die Augen vor den digitalen Möglichkeiten zu verschließen.
Manuel: Es ist offensichtlich, dass Analog Qualitäten hat, die Digital nicht bieten kann und vice versa. Wenn wir am Live-Set schrauben, sieht man gut wie sich die Technologie, die man benutzt, auf die Ideen und Herangehensweise auswirkt und natürlich auch auf den Sound.
Julian: Es macht auch echt Spaß im Stock Projects Set die beiden “Welten” ineinander greifen zu sehen, auch wenn es dann manchmal kompliziert wird.
Daniel wohnt mit Florian von Discus Throwers bzw. Neubau unter einem Dach. Was habt ihr euch gegenseitig zu geben?
Daniel: Es spielt nicht so eine große Rolle im Alltag. Ist natürlich super, dass generell eine hohe Toleranz für Lautstärken herrscht und man auch einen ähnlichen Musikgeschmack hat.
Ich habe Julian persönlich zum ersten Mal zufällig beim Strom.Club in der DJ Booth zu Musik von Wiley, Rustie und O.T. Genasis getroffen. Was sagt ihr zur Bass- und Hip-Hop-isierung von Wiener Clubs?
Julian: Ich habe mit dem Berni von On Fleek früher immer spaßhalber aufgelegt und eigentlich alles von Italo bis Grime gespielt. Im Strom.Club war es dieses Mal irgendwie auch ein bisschen ein persönlicher Abschied, weil wir da oft genug irgendwas spielen durften. Grime, weil es bei uns meistens so eine Schnittmenge war, die wir beide gut finden und Techno da halt auch irgendwie nicht hingehört. Generell find ich das aber nicht so positiv, wenn solche Dinge nur in eine Richtung gehen und die inhaltliche Dimension von den ganzen Trap- und Atlanta-Sachen ist ja nochmal eine eigene Diskussion wert.
Mit dem Meat Market, Kanal Royal oder Maschinenraum hat Wien eine solide Techno-Club-Community. Wieso gibt es hier trotzdem nur eine Handvoll Techno-Produzenten?
Manuel: Produzieren und Ausgehen sind zwei unterschiedliche Welten. Da muss man schon ein bisschen Herz mitbringen, um die Zeit und Mühe aufzubringen und die ganze Energie da rein zu stecken. In Österreich wurde in den letzten Jahrzehnten einfach nicht so viel Augenmerk auf die heimischen Produktionen gelegt. Das sieht man ja zum Beispiel bei Drum’n‘ Bass, wo im Ausland teilweise viel mehr Aufmerksamkeit da ist. Jahre später hört man bei uns dann etwas davon, aber das ändert sich seit einiger Zeit ein bisschen.
Julian: Aus der Handvoll werden eh immer mehr. Es gibt auch einige die sich denken, dass es eh wurscht ist und akzeptieren, dass Wien “halt zach” ist, bzw. gleich außen vorlassen. Auf der anderen Seite fehlt vielleicht grad im Techno das Fundament, das es anderswo vielleicht hat. Ich meine damit jetzt zum Beispiel wie lebendig Freetek und D’n’B-Dinger in Österreich nach wie vor sind. Das hat auch etwas mit einer generellen Musik-Kultur zu tun. Ob es viele “Crate-Digger” gibt, die ihren Sound pushen, in ihre Freundeskreise tragen und so auch die Leute aktivieren.
Ich denke, dass da zum Beispiel die Praterei und andere maßgeblich etwas in Bewegung gesetzt haben und dabei auch extrem viel Risiko eingegangen sind. Auf der anderen Seite frage ich mich dann aber auch, was denn los ist, wenn ein Club bei Ron Morelli (L.I.E.S.), bei all dem internationalen Hype halb leer bleibt.
Welche weiteren Pläne gibt es für das Label bzw. für euch selbst?
Julian: Also ein paar Asse im Ärmel haben wir schon, da sind ein paar Dinge geplant und einiges im Gespräch. Aber jetzt steht mal unser offizieller Release am 29. Jänner an, dann am 12. März in der Forelle mit Shifted. Manuel und ich werden weiter am Live-Setup für Stock Projects schrauben, vielleicht kommt auch noch eine Bedlam, aber vielleicht auch ganz was anderes.
Am 29.1 kommt Barehands004 heraus. Am 12.3 holt das Label Shifted in die Grelle Forelle.