Schwer zu verstehen, wie Youtube’s schwerster User Pewdiepie auf 35 Millionen Subscriber kommt. Oder ist es doch der ganz normale Wahnsinn? Wir haben seinen Humor von zwei Games-Psychologen analysieren lassen.
In der digitalen Welt ist Pewdiepie einer der größten Stars, wenn nicht momentan sogar der größte. Auf Youtube wurden seine Videos insgesamt 8 Milliarden Mal angesehen. Der Schwede Felix Arvid Ulf Kjellberg, der 2011 sein Studium abgebrochen hat um professioneller Youtuber zu werden, ist Gamer und lässt andere Leute zusehen, wie er spielt und dabei kommentiert. Aktuell hat er fast 35 Millionen Subscriber. 35 Millionen!
Pewdiepie kommentiert Spiele, macht "Jon Lajoie Commercials"-ähnliche Videos und definiert den Begriff Bullshit auf eine neue Art und Weise. Klingt jetzt simpel, dürfte aber eine ausgetüftelte Strategie dahinter stecken. Immerhin verdient er Jahr für Jahr mehrere Millionen und ist auch in anderen Medien präsent. Beispielsweise gab es eine Doppelfolge South Park über ihn.
Doch wie funktioniert das? Pewdiepies Videos sind schräg, anstrengend und nicht jedermanns Sache. Oder sind wir einfach die falsche Zielgruppe? Verstehen wir seinen Humor nicht? Wir haben mit einem Psychotherapeuten und einem Psychologen geredet, um mal ausfindig zu machen, was dahinter steckt.
Der ganz normale Wahnsinn
"Er erinnert mich ein wenig an den jungen Stefan Raab (Viva) oder Ray Cokes (MTV), die zur ‚guten alten Zeit‘ meiner eigenen Jugendjahre ebenso treffgenau die Grenzen dessen überschritten, was für das damalige Establishment als ‚gute‘ Unterhaltung gelten durfte", sagt Psychotherapeut Richard Fellner. Prinzipiell ginge es ja gar nicht um die Videospiele, sondern um die Art, wie Pewdiepie sie kommentiert. Was den Leuten beim Sehen durch den Kopf gehe, sei nicht anders als Andere beim Ansehen einer Slapstick-Komödie oder der heutigen Stefan Raab Show empfinden, meint Fellner.
Die Inszenierung, auf die Pewdiepie großen Wert legt, ist relativ hip, neu, aber vor allem extrem leicht zugänglich. Irgendwann ist halt alles einmal ausgelutscht und etwas Neues muss her. Das finden dann meistens wirklich junge Leute gut und ältere nicht. Das war schon bei den Beatles so und wird nicht bei Pewdiepie aufhören.
Slapstick für Zwölf- bis Fünfzehnjährige
Der Sozialpädagoge Fellner glaubt nicht, dass Kinder durch Pewdiepies Videos irgendwie geschädigt würden. Vermutlich aber würden selbst die größten Fans nur maximal eine Stunde täglich Pewdiepie aushalten. Doch Unterhaltung müsse nicht immer fordernd sein. "Ob das Zusehen bei Fußballspielen, Kabarett-Shows des ORF oder sogar mancher Parlamentsdebatten per se intelligenzfördernder ist als die Clips von Pewdiepie, wage ich zu bezweifeln", sagt Fellner.
Gruppenzwang prägt den Sinn für Humor
"Ich bin eindeutig NICHT die Zielgruppe für Videos dieser Art", sagt Psychiater Hubert Poppe. Er schätzt das Publikum von Pewdiepies Videos auf 12-15 Jahre. "Die Zielgruppe findet es sicher lustig, amüsant, erheiternd, cool, hip, … diesen ‚Beiträgen‘ zu folgen. Auch der Einfluss der ‚Peergroup‘ wird bei diesem Phänomen eine wichtige Rolle spielen", sagt Hoppe. Vergleichbares könne man auch in seiner eigenen Geschichte finden. Zum Beispiel musste man früher schon als Jugendlicher gewisse Vorabendserien gesehen haben, um mitreden zu können. Damals wäre die Qualität und "Bildungskompetenz" dieser Serien ebenfalls von den Erwachsenen angezweifelt worden.
"Mein Eindruck ist vor allem der, dass hier jemand Spaß hat. Er amüsiert sich köstlich (augenscheinlich auch über sich selbst) und eine Kamera filmt das Ganze", sagt Fellner. Pewdiepie hätte irgendwann herausgefunden, dass noch mehr schrille Inhalte und Verhaltensweisen für noch mehr Begeisterung sorgen würden. "Das könnte erklären, warum er in manchen Details ein wenig allzu exaltiert wirkt," fügt Fellner hinzu.
Wir klicken ihn reich
Bei Youtube kann man Werbung schalten, an der man anteilig mitverdient. Cirka 3 Euro pro 1000 Klicks. Da Pewdiepie mittlerweile rund acht Milliarden Aufrufe hat, lässt sich leicht erklären, wo sein Vermögen herkommt. Was Pewdiepie, der momentan auf 12 Millionen Dollar Youtube-Nettowert geschätzt wird, dabei motiviert, ist unklar. "Ob die Motivation solche ‚Selbstdarstellungen‘ zu produzieren wirklich mit dem finanziellen Erfolg gekoppelt ist, oder dieser nur eine angenehme Begleiterscheinung darstellt, wäre noch zu diskutieren", so Hoppe.
Für den Psychotherapeuten Fellner wäre dies jedoch eine klare Sache. "Wir leben in einer Zeit der Aufmerksamkeitsökonomie – wem es gelingt, viel Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, der kann damit in aller Regel auch Geld machen.". Pewdiepie werde von einer bestimmten Konsumentenschicht gern gesehen und verdiene daher gewissermaßen "automatisch" Geld.
Keep Calm And Watch On
Pewdiepie ist also der ganz normale Wahnsinn. Er hat einen Trend erkannt, ihn voll ausgeschöpft und ist damit der erfolgreichste Youtuber geworden. Der Schwede wohnt mittlerweile mit seiner youtubenden Freundin in England. Seine Videos sind dort jederzeit abrufbar, wo man sich heute von der ganzen Welt aus aufhalten kann, auf Youtube. Dort, wo man mit überschaubar Werbung bombardiert wird, jederzeit skippen und weiterklicken kann. Pewdiepie selbst ist dabei nicht neu. Nur dass man schwarz auf weiß sieht, dass heute niemand sonst Youtube so gut verstanden hat wie Pewdiepie, das ist neu.
Dr. Hubert Poppe ist Psychiater und beschäftigt sich unter anderem mit Computerspiel- bzw. Internsucht.
Diplomsozialpädagoge Richard L. Fellner beschäftigt sich unter anderem mit Computer- bzw. Internetsucht.