Von der kleinen Provinzstadt an den Gestanden der glucksenden Mur, in die vibrierende Stadt an der englischen See. Wo die Moeven kreischen und der Wobble-Bass wohnt. Art, Music, Queer – Brighton Calling!
Der Rahmen der gewohnten Umgebung dieser Berichterstattung wurde vorübergehend verlegt. Von Graz nach weiter nördlich, südlich von London, direkt ans Meer: Brighton and Hove. So wie hier erwartet man England außerhalb Londons vorzufinden. An den richtigen Drehorten hat diese Stadt definitiv Rosamunde-Pilcher Charme, aber mehr zu dieser Fernseh-generierten Erwartungshaltung gegenüber anderen Kulturen später …
Ein Pub-Besuch hier kann einen schon in gefühlte andere Zeit versetzen. Abseits der Touristenattraktionen finden sich in kleinen Seitengassen, die hier her ausgewanderten Londoner, Iren und Studenten ein, zum gemeinsamen musizieren im Kerzenschein. Vor allem die Londonder suchen hier die Ruhe, die es im geschaeftigen London nicht gibt. Auch die Community ist in Brighton stärker ausgeprägt, als in der Grossstadt. Man hat sich in kleinen Kreisen zusammen gefunden und ist stets offen für Neuzugang. An den gemeinsamen Musikabenden wird gefiddled und getrommelt und es werden traurig-schöne irische Balladen gesungen. Über junge Männer, die Frauen das Herz stehlen, Seemänner, die niemals zurück kehren und betrunkene Ehemänner, die ihren Rausch lieber wo anders ausschlafen sollen. Lieder, die nach endlos grünen irischen Wiesen klingen und den Weidenbäumen, die im Wind leise flüstern: „Will – oh – will you ever come back to me?" An den Pub-Tischen findet man Menschen, stark verwurzelt in ihrer Heimat, jedoch mit einem gesunden Abstand, der es ihnen erlaubt kritisch ueber gesellschaftliche Themen nachzudenken und zu diskutieren.
Das Frauenbild muss sich ändern, meint eine der Irinnen und findet sofort Zustimmung: besser schnell als langsam. Die Frauen haben das Klischee satt, diejenigen zu sein, die zuhause auf den Liebsten warten, der sich mutig in die Welt aufmacht und dann über ihre Einsamkeit traurig zu singen. Es scheint ein globales Problem zu sein, dem die westlichen, vermeintlich fortschrittlichen Gesellschaften noch nicht ganz gewachsen sind: das Bild der Frau als Heimchen am Herd, das in Österreich von manchen Politikern geradezu als Allheilmittel für gesellschaftliche Probleme angepriesen wird.
In England mögen die gesellschaftlichen Werte zwar kulturbedingt abweichen, dennoch sind sich alle am Tisch darüber einig, dass Änderungsbedarf besteht. Ein Thema, das bei solchen Diskussionen über weibliche Identität ständig präsent ist, ist die gesellschaftlich bedingte Fokussiertheit auf den weiblichen Körper und seine Formen, das Schönheitsideal und den Diätwahn. Immerhin wird es als Selbstverständlich angesehen, sich als Frau über den eigenen Körper in beinahe obsessiven Ausmassen Gedanken zu machen: Esse ich zu viel? Bin ich schlank genug? Bin ich hübsch genug? Sehen mich die Leute am Büffet komisch an, wenn ich mir Nachschlag hole? Leide ich, jetzt, da der Sommer und die Bikinizeit wieder kommen die unendlichen Qualen der Körperscham im Vergleich mit unerreichbaren Idealen? Bei solchen Themen finden sich Wildfremde zusammen. Es scheint fast, als würde uns die Bürde des weiblichen Körpers einen. Weit über kulturelle Grenzen hinweg. Fortsetzung folgt.