Reiseratgeber? Schon genug davon? Da wäre noch ein kleiner übrig aus der Murkiesel-Box: "Mädels, geht in London unbedingt alleine auf die Piste! Ihr lernt nette und interessante Leute kennen. Betrunkene Schaufelbagger, gechemischte Nasenbären und brünftige Spanier wird man genauso leicht los, wie daheim. Die smarten Boys tanzen wie die jungen Götter. Music is the Lover! So let´s get out and let´s get dirty! Banga whooom whobble whobble boom shanka whoop!!"
Glück muss man haben. Mitten in London, nahe Jack´s Spielwiese rund um White Chapel gibt es einen kleinen feinen Club der sich Rhythm Factory nennt. Dort spielt es auch ab und zu Pipe Down bei freiem Eintritt die ganze Nacht, so wie auch am 3. Juli, als ich das Glück hatte dort zu sein und Airhead b2b James Blake, sowie Addison Groove und etliche Local DJs zu erleben. Was will man mehr?
Vielleicht einen gemütlichen Spaziergang entlang der Promenade von der Tate Modern bis zur Tower Bridge, bei unglaublichen 30 Grad und Sonnenschein? Unterwegs stolpert man hungrig und staunend durch den Borough Market auf dem man sich durch diverse Chutneys, Marmeladen (ja, es heißt Marmelade oder Jam und niemand wird mich je dazu bringen das Wort Konfitüre auf mein Butterbrot zu schmieren!), französische Käsesorten, pralle Oliven und selbst gebackenes Brot kosten kann, bis man völlig verwirrt von all den Köstlichkeiten plötzlich vor einer Riesenpfanne steht, in der frische Paella gebruzelt wird. Oder doch lieber feines Zuckergebäck vom Stand nebenan? Man erwartet hier jeden Moment auf einen manischen Jamie Oliver zu treffen, der samt Fernsehteam über die Gemüsestände klettert und heftig gestikulierend Karotten durch den Äther schleudert.
Zwischen der Tate Modern und St. Paul´s steht mitten auf dem Touristentrampelpfad ein Klavier, auf dem steht: "Play me, I´m Yours!". Tagsüber wird es zumeist von Touristen misshandelt, die ihren Nachwuchs dazu vergattern das "Albumblatt für Elise" zu Füßen von St. Paul vor einer Gruppe fotografierender Japaner zu klimpern. Aber Samstag Nacht zahlt es sich auf jeden Fall aus mit einem Ale vom Pub nebenan auf den Stufen Platz zu nehmen und den Musikstudenten und Hobby-Musikern zu lauschen, die alte Jazznummern und selbst komponierten Blues zum Besten geben. Ein wunderbares Konzept für Unterhaltung und Kunst im öffentlichen Raum, das voll aufgeht. Durch das Do-It-Yourself-But-Together-Prinzip entsteht eine feine Eigendynamik, man wird plötzlich zum musikalischen Team am Klavier, vom Zuhörer zum Künstler oder bleibt einfach auf den Stufen sitzen und unterhält sich mit den anderen begeistert über das eben Gehörte. Wildfremde finden sich zusammen bei einem Event, an dem sie alle nicht geplant hatten teilzunehmen. Es bleibt etwas überraschend Schönes hängen.
Schließlich in der White Chapel Road angelangt ist man in der Rhythm Factory umgeben von einem bunten Haufen freundlicher Leute, die entweder in der Bar zu Ragga und World Music Bier trinken oder sich im Clubraum dahinter die Sohlen abtanzen. Das Pipedown DJ Kollektiv steht mit Gästen an den Turntables und hat den Haus- und Hof-Fotografen gleich mitgebracht. Die besonderen Gäste des Abends waren Airhead und James Blake, die von Mary Anne Hobbs entdeckt wurden und in einer ihrer BBC Radio-Shows geladen waren. Spätestens bei Addison Groove waren wir dann alle Footcrab. Gut, dass es auch in London Nachtbusse gibt und freundliche Londoner, die einem die Nummer für das 24-Stunden Service geben, bei dem man sich über Linienfahrpläne und Fahrzeiten informieren kann (+44/2072221234), weil sie auch Österreich so gerne mögen, wegen dem Urban Arts Festival vor zwei Jahren (die Welt ist ein Dorf). Und der Türsteher hat sich vor Lachen kaum noch eingekriegt, als er mein Geburtsdatum im Reisepass gesehen hat. Wie gut, dass man mir mein wahres Alter nicht ansieht. Die College Boys mögen das! Und ich ehrlich gesagt auch …
Alle Fotos geknipst von Rich Herbert.