Seit neun Jahren ist Meat Market eine fixe Größe in der Wiener Szene. Aus dem Bedürfnis nach einem Freiraum in der Clublandschaft wurde ein Veranstaltungskonglomerat, das sich nun vor allem über Musik definiert, wie Gründer Gerald Wenschitz erklärt.
Samstag, 13 Uhr, am Mainfloor der Grellen Forelle dröhnt treibender Techno, im Raucherbereich ist es heller als gewohnt, die Stimmung im gesamten Club aber wohl nicht weniger ausgelassen als gut zwölf Stunden zuvor. Was in Wien im Gegensatz zu Berlin aufgrund strenger gesetzlicher Auflagen und demnach beschränkter Öffnungszeiten für Clubs bisher kaum möglich war, funktioniert mit 52 Degrees nun doch: tagsüber feiern gehen. »Wer diese Party Afterhour nennt, kann nach Hause gehen«, schreibt Mitinitiator Gerald Wenschitz, bekannt für seine direkte und kompromisslose Haltung, die er auch in sozialen Medien gerne kundtut.
Den Begriff Afterhour hört man hier nicht wirklich, die meisten Gäste kommen nach dem Frühstück, ein paar Leute mit besonders großem Durchhaltevermögen von der ebenfalls von Meat Market konzipierten Vinyl-only-House-Reihe im Sass. Zugegeben: Die Wienerinnen und Wiener müssen sich erst an das Feiern nach dem Aufstehen gewöhnen – zu Mittag ist der Club nicht ganz voll. Bei dieser – der dritten – Ausgabe füllt sich die Tanzfläche gegen Ende und damit lange nach dem Set von Mainact Electric Indigo aber immer mehr. Man merkt, dass ein Großteil der Menschen kurz vor 20 Uhr eben doch etwas mehr Energie hat als samstags um sechs Uhr morgens.
Dass »Meat-Market-Papa« Wenschitz, gemeinsam mit Dead Sea Diaries, hinter dem Projekt steht, verwundert kaum. Umtriebig als Bezeichnung für das, was er tut und auch wie er Dinge tut, ist wohl eine Untertreibung. Vor neun Jahren gründete er, nach einigen Jahren als Veranstalter in der Drum-&-Bass-Szene, gemeinsam mit seinem damaligen Lebensgefährten Will Paterson die Veranstaltungsreihe Meat Market. Danach folgten die Formate F*cken Plus und Mutter, vor einem halben Jahr dann schließlich die Tagesparty 52 Degrees. Alle Veranstaltungen wurden ursprünglich für die Gay-Szene entwickelt, willkommen sind aber alle, die Musik schätzen und sich an die Regeln halten, die nicht nur in der Veranstaltungsbeschreibung, sondern auch im Club und auf T-Shirts propagiert werden: No homophobia, no sexism, no racism, no discussion. Der Begriff Gay-Party macht in der Kommunikation dennoch Sinn, nicht zuletzt, »um gewisse Leute, die nicht zu uns passen, vielleicht abzuschrecken«, so Wenschitz.
Bedürfnisbefriedigung
Entstanden ist Meat Market aus einem Bedürfnis, wie er erzählt: »Ich hatte damals keinen Freiraum, wo es um Musik ging, wo ich weggehen konnte und wo ich ich selbst sein konnte. Heute glaube ich, dass es viele Partys gibt, auf denen ich mich wohlfühlen würde.« Von einer reinen Techno-Party war die Party, die jetzt, zu ihrer Jubiläumsfeier etwa die britische Techno-Legende Luke Slater nach Wien holt, in der Anfangsphase weiter entfernt. »Unsere These war, dass sich die Veranstaltung und die dort gespielte Musik entwickeln müssen. Ziel war es, am Schluss ähnliche Musik zu spielen und einen ähnlichen Vibe zu kreieren, wie das im Berghain unten der Fall ist. Wir haben gewusst, das geht in Wien nicht sofort. Am Anfang hatten wir ganz andere Residents, wie beispielsweise Frieda und Anette von der Kommune 22 und Campari Safari aus England. Zuerst wollten wir einfach mal ein Alternativprogramm zur Mainstream-Schwulenszene bieten«, erzählt Wenschitz.
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