Seit neun Jahren ist Meat Market eine fixe Größe in der Wiener Szene. Aus dem Bedürfnis nach einem Freiraum in der Clublandschaft wurde ein Veranstaltungskonglomerat, das sich nun vor allem über Musik definiert, wie Gründer Gerald Wenschitz erklärt.
Die starke Fokussierung auf Techno erfolgte erst in den letzten Jahren – aus einer »erlebnisorientierten« Gay-Party wurde eine Veranstaltung, die sich mehr über die gespielte Musik orientiert. Bei Meat Market ist das ausnahmslos dunkler, harter Techno. Nach Dekoration sucht man hier vergeblich. Wer etwas anderes als den Club und den DJ sehen oder erleben will, dem bleibt allein der bei Partys in der Grellen Forelle eingerichtete Darkroom.
Ohne Kompromisse
Die Ausrichtung der Veranstaltung ist kompromisslos, sowohl was gesellschaftliche und politische Positionen betrifft, als auch was die Musik angeht. Kompromisslosigkeit lebt der Mitbegründer auch online in einer sehr intensiven Form aus, teilt aus, eckt an und nimmt Stellung – egal, ob er gefragt wird oder nicht. Viele seiner Postings sind politischer Natur, Toleranz gegenüber den Rechten ist für ihn indiskutabel, aber auch mit Kritik an anderen Veranstaltern spart er nicht. »Das hat sicher auch mit meiner Sozialisierung im Punk und Hardcore zu tun – da schreit man es raus. Diese Möglichkeit habe ich nicht auf der Bühne, deshalb gibt es mehr oder weniger ein anderes Ventil. Eine Zeit lang habe ich mich eh gefragt, warum noch jemand auf meine Partys kommt, wenn alle das so furchtbar finden«, erklärt er und lacht.
Würde er mit dem ein oder anderen Veranstalter, dessen Formate er sonst kritisiert, auf ein Bier gehen, so würden sie sich wahrscheinlich gut verstehen, wie er selbst sagt. Dennoch hält er sich nicht zurück. »Leben und leben lassen« kommt als Motto nicht in Frage, auch oder vor allem, weil Partys für ihn nicht nur hedonistischen Charakter haben dürfen: »Meine Punk- und Hardcore-Zeit hat attitüdemäßig schon etwas hinterlassen. Es geht auch darum, dass man Musik eben nicht als reine Unterhaltungsform sieht und sie durchaus auch ernst nimmt.«
Während Wut, wenn auch oft punktuell, wohl eine der größten Motivationen ist, um Meinung rauszuschreien, so ist Leidenschaft für Wenschitz eindeutig der größte Antrieb dafür, Musik zu machen und zu verbreiten. Nicht selten beendet er seine Sets im Club weinend, gerührt vor Freude, seinem Publikum applaudierend. Nach seinen musikalischen Anfängen in einer Band kam er über Freunde zur elektronischen Musik, verkaufte Schlagzeug und Gitarre für »einen komplett unbrauchbaren Plattenspieler, CD-Deck und ein Vivanco-Mischpult« und übte jahrelang das, was man heute unter Beatmatching versteht. Nach einigen Jahren ist er nicht nur als DJ, sondern auch als Veranstalter und Produzent in der Drum-&-Bass-Szene aktiv und nach fast 200 Veranstaltungen gut verankert, auch wenn das nicht immer ganz einfach war: »Ganz akzeptiert war ich nie, das ist als queerer Jugendlicher, glaube ich, nicht so einfach bis unmöglich, denn Drum & Bass ist noch eine viel größere Männerdomäne als Techno.«
Männliche Dominanz innerhalb der Community beschäftigt aber auch die Techno-Szene. Frauenförderung ist ein Thema, das viele zwar als wichtig erachten, bei der Umsetzung mangelt es dennoch, auch bei Meat Market. Der Frauenanteil unter den gebuchten Acts ist verschwindend gering und gerade, wer sich offen gegen Sexismus positioniert, könnte mehr tun, wie Wenschitz zugibt: »Ja, wir müssen mehr machen. Es tut mir im Herzen weh, dass wir noch nicht so weit sind. Egal, was ich dazu sage, oder welches ›aber‹ ich bringe, ich hätte das Gefühl, dass ich aus dem Mund stinke.«
Männlicher Freundeskreis
Begründet ist das natürlich nicht zuletzt in einem großteils männlichen Freundeskreis, aus dem und um den herum sich die Veranstaltungsreihen entwickelt haben. Denn Meat Market ist nicht Gerald Wenschitz alleine, auch wenn er als Person oft im Vordergrund steht. Ohne die vielen Helferinnen und Helfer, ohne die vielen Stammgäste, ohne die Meat-Market-Community, ohne die Residents Robert »Bört« Neuwirth und Josef »Scirox« Sotriffer und ohne die Zusammenarbeit mit Matthias Markovits von Wechselstrom wäre wohl vieles nicht ganz so gewachsen, wie es das bis heute ist.
Die Vinyl-only-Veranstaltung Mutter füllt regelmäßig das Sass und bietet Alternativprogramm zum sonst strikten Techno-Angebot aus demselben Hause. F*cken Plus wurde zum Fixpunkt im Werk, zum Treffpunkt aller, die sich zwischen Techno und Trash nicht so ganz entscheiden wollen. Dass die Menschen, die dieses Ding aufgebaut haben, bei jeder Veranstaltung auch spielen, verringert die Slots für neue, weibliche Artists natürlich – Ausrede dürfe das jedoch keine sein, so Wenschitz. Für die nächsten Partys wurden zwei weibliche Mainacts gebucht und auch beim Local Support will man sich künftig bemühen. Spielen darf allerdings nur, wer musikalisch dazu passt und wer den Ansprüchen genügt – egal ob männlich oder weiblich. »Unsere jungen DJs verzweifeln an mir«, lacht Gerald. Wenn es darum geht, Auflegen als etwas Einfaches abzutun, versteht er keinen Spaß. DJing braucht viel Übung, noch lange, bevor man für einen Auftritt gebucht wird. »Natürlich muss man auch im Club lernen, aber da muss es bereits einen Grundstein geben. Der Unterschied zwischen Zuhause-Auflegen und Im-Club-Auflegen ist ein bisschen wie der Unterschied zwischen Wichsen und Budern, man muss sich selbst und die Materie kennenlernen«, so Wenschitz.
Vom ständigen Üben, Herumprobieren und Musikentdecken nimmt auch er sich nicht aus, seit einiger Zeit produziert er auch wieder selbst. Mit Meat Recordings folgte die – aktuell fast obligatorische – Labelgründung. Nach fünf Digital-Releases im letzten Jahr erschien im Januar die erste Platte, fünf weitere könnten 2018 folgen – wenn die Musik stimmt: »Es gibt viele gute Musiker in meinem Umfeld, insofern ist die Labelgründung ein logischer Schritt. Es soll aber so sein, dass wir Platten dann rausbringen, wenn wir ein Bedürfnis dazu haben.«
Meat Market feiert am 23. Februar 2018 in der Grellen Forelle neunjähriges Bestehen, zu Gast ist Luke Slater. Hier geht’s zur Facebook-Veranstaltung.