Muttersprachenpop – Die wichtigsten deutschsprachigen Neuerscheinungen im August 2025

Deutschsprachiges zwischen Euphorie und Kapitulation, zwischen Pathos und Befindlichkeit. Ausgewählt von Dominik Oswald. Die wichtigsten deutsch­sprachigen Neuerscheinungen im August 2025. Mit Yukno, Oidorno, 100 Kilo Herz und mehr.

Yukno (Bild: Tim Cavadini)
© Yukno (Bild: Tim Cavadini)

Oidorno – »Greatest Hits«

Oidorno © Julia Schwendner & Björn Friedrich
Oidorno (Bild: Julia Schwendner & Björn Friedrich)

Auszug aus dem Pressetext zum anstehenden Release: »Oidorno sind die mit Abstand erfolgreichste Diskurs-Oi-Band Hamburgs.« Das ist zwar wahr, aber so richtig ein Best-of ist es nicht, wie der Titel versprechen würde, wobei, irgendwie auch wieder schon. Jedenfalls: »Greatest Hits« beinhaltet die besten EPs »Oi! The EP« und »Le roi c’est moi« aus 2018 und 2019, die schon ein bisschen zu Spekulationsobjekten auf Plattenbörsen geworden waren und jetzt soll es sie eben schön kompakt auf einer Platte geben. Wer ihren riesigen Hit »Halt die Fresse ich will saufen«, der – kurzer persönlicher Einschub – letztens in einer Saufkaschemme von circa zwanzig Personen shazamt wurde, schon kennt, weiß natürlich, dass Oidorno eher ironischen, fast schon schunkelpoppigen (ui!) »Oi« machen, der Diskurs sich auf Scharmützel sowie Hopfenkaltschalen beschränkt und das schon alles ziemlich Spaß macht. Ganz ehrlich: Wer Anspruch will, ist bei Oidorno falsch. Wer auf Anspruch defäkiert, ist aber genau richtig.

»Greatest Hits« von Oidorno erscheint am 15. August 2025 via Audiolith. Keine Live-Termine in Österreich. Hier kaufen.

100 Kilo Herz – »Hallo, Startblock«

100 Kilo Herz (Bild: Ania Sudbin)
100 Kilo Herz (Bild: Ania Sudbin)

Endlich mal wieder etwas von Bakraufarfita Records an Ort und Stelle! Das bereits bereits vierte Album der Leipziger Brass-Punk-Kapelle 100 Kilo Herz heißt »Hallo, Startblock« und schiebt die Gruppe zwar nicht zurück an den Start ihrer Karriere, aber ein wenig Neuorientierungslauf darf es dann doch schon sein. So gibt es jetzt auch – bei dem Genre muss man das durchaus erwähnen – ein bisschen Nachdenklicheres. Meistens jedoch – bei dem Genre quasi selbstverständlich – Partyhits auf die Zwölf, häufig auch über das (Über-)Leben in der Kleinstadt, dabei sehr stark und nicht ganz ohne Verweis: »Wir sind hier nicht in Seattle / das ist die plumpe Provinz« (aus: »Wir sind hier nicht in Seattle«). Auch sehr spannend: 100 Kilo Herz singen häufig vom Rauswollen, aus dem Leben, aus dieser Stadt, dieser Welt, die dem Untergang geweiht scheint – ist sie ja wohl auch –, aber, Brass-Punk eben, 100 Kilo Herz gehen davon aus, dass alles im Ende doch gut gehen wird (so etwa im offenbar auch in Deutschland angekommenen Wortpaar »Eh ok«. Obwohl alles eh ok wird, gilt es abzuwarten. »Hallo Startblock« ist jedenfalls: Mehr als ok.  

»Hallo, Startblock« von 100 Kilo Herz erscheint am 15. August 2025 via Bakraufarfita Records. Live Termine: 3. Oktober, Wien, B72. Hier kaufen.

Berlin 2.0 – »Kaltental«

Berlin 2.0 (Bild: Florian Kehbel)
Berlin 2.0 (Bild: Florian Kehbel)

»Auf dem Weg nach unten / ist noch Platz nach oben« singt die – natürlich – Stuttgarter Gruppe Berlin 2.0, die sich, weil Berlin halt uncool geworden ist, dann doch nach Leipzig benannt hat (quasi: Leipzig = Berlin 2.0). Und sie hat natürlich grundsätzlich Recht mit der Aussage aus dem Song »Keine Erlösung«, aber ist das schon Social Appropriation, performative Empathie, weil: Da befindet sich wohl jemand gerade auf dem Weg nach oben. Schon das Debüt »Scherbenhügel« von 2023 wurde ziemlich gut rezipiert und gekauft, das zweite »Kaltental« sollte sich ebenfalls recht gut verkaufen, die limited Edition war einen Monat vor Release schon weg, was keineswegs verwundert: Veröffentlicht auf Kidnap Records (unter anderem Pascow und Akne Kid Joe) präsentiert der Fünfer um Sängerin Elena Wolf (mit einem f) massenkompatible Rockmusik, die sich eitzerlweise von als »cool« geltenden Genres, vor allem Post-Punk bedient und sich selbst »Death Pop« nennt. Das kann man schon einmal machen, supercool ist jetzt aber auch was anders. Muss es ja auch nicht sein.

»Kaltental« von Berlin 2.0 erscheint am 29. August 2025 via Kidnap Music. Keine Termine in Österreich. Hier kaufen.

Yukno – »Gute Nachtmusik«

Yukno (Bild: Tim Cavadini)
Yukno (Bild: Tim Cavadini)

»Ich brauch nur eine kleine Nachtmusik / jemand dem, ich heut noch in den Armen lieg / ich glaub, das ist es schon gewesen / das Glück der trivialen Wesen«, weisen Yukno im Quasi-Titelsong ihres bereits vierten Albums gleichsam korrekterweise und relatable hin. Sowieso: ausgesprochene Wahrheiten und damit auch das pure Sich-damit-identifizieren-Können sind Eckpfeiler des erstmals komplett in Eigenregie entstandenen Nachfolgers von »Alles ist Vergangenheit« von vor zwei Jahren: Von »der ersten Zeile bis zum Mixdown«, wie es von den Gebrüdern Nöhrer heißt. Und, auch immer schön, das spürt man: Nie waren Yukno mehr bei sich, nie so sehr spannend, obwohl sie bereits die beiden letzten Alben zur Stimme des heimischen Present-Pops gemacht hatten, mit wunderbar kritischen Auseinandersetzungen mit den Gegebenheiten des vor allem technologisierten Alltags. Yukno besingen unkonventionelle Themen, das »Mikrobiom des Menschen« (in »Schnabeltier«), sind, ihren schon ziemlich guten Wortspielen verpflichtend »Am Ende vom Feed«, und machen sich – zu nie störendem und sehr fließendem Housepop – Gedanken, die vielleicht noch nicht von allen gedacht wurden. Ein Album des Jahres!

»Gute Nachtmusik« von Yukno erscheint am 8. August 2025 via Humming Records. Live-Termine: 30. Otkober, Wien, Flucc — 14. November, Graz, PPC — 15. November, Innsbruck, Bäckerei — 11. Dezember, Salzburg, Arge Kultur. Hier kaufen.

Schreng Schreng & La La – »Catch & Release«

Schreng Schreng & La La (Bild: Lucja Romanowska)
Schreng Schreng & La La (Bild: Lucja Romanowska)

Nun gut, von Schreng Schreng & La La hat man auch schon länger nicht mehr gehört, aber das ist ja sowieso immer so ein Ding mit gefühlten Nebenprojekten, weil die Wahrheit ist: Bei Jörkk Mechenbier (The Voice of Germany bzw. zumindest die beste Stimme im deutschen Punk-Kosmos) und Lasse Paulus ging es noch nie so schnell zwischen den Alben. Nach zweimal fünf Jahren Pause zwischen »Berlusconi«, »Echtholzstandby« und dem Chartstürmer »Projekt 82« kommt »Catch & Release« schon vier Jahre danach auf den »Markt«, kann man ja auch mal lobend erwähnen. Ohnehin werdet ihr hier kaum Schlechtes über die Akustik-Punker – quasi die deutschen Chuck Ragan, nur als Band – hören, auch weil das Duo selbst kaum Schlechtes von sich hören lässt. Das ist gerade das Süße am Zwiespalt, eine »Punk-Attitüde« (whatever that is) mit so lieblichen Akustikgitarrenklängen. Auch die erste Vorab-Single »Fuck the City« ist ein Palast des Zwiespalts mit (verhältnismäßig) wütendem Refrain und wunderbarer Auflösung in den Strophen. Da werden selbst die bescheidensten Dinge der Gegenwart okay, »solange ich in deiner Nähe bin«, eine Beziehungs-Weise sozusagen. Beziehungsweise: »Catch & Release« macht die Gegenwart auch schon ein bisschen okayer.

»Catch & Release« von Schreng Schreng & La La erscheint am 29. August 2025 via Rookie Records. Keine Termine in Österreich. Hier kaufen.

Außerdem erwähnenswert:

Trainer – »Oh Mandy«

(VÖ: 8. August 2025)

Die Saarbrücker Gruppe mit dem tollen Namen Trainer veröffentlicht auf ihrem zweiten Album extrem spielfreudigen, rohen Noise-Rock. Der einzig deutschsprachige Song »Plattenbau« ist einer der besten deutschen Rocksong des Jahres bislang, der den recht neuen, beziehungsweise den erst seit kurzem kulturell sowie medial rezipierten Trend der Gentrifizierung innerstädtischen Plattenbauten aufgreift und dabei ähnlich kompromisslos ist, wie die vermaledeiten Immobilienspekulant*innen.

Die bisherigen Veröffentlichungen von Dominik Oswalds Reihe »Muttersprachenpop« finden sich unter diesem Link.

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