Deutschsprachiges zwischen Euphorie und Kapitulation, zwischen Pathos und Befindlichkeit. Ausgewählt von Dominik Oswald.
Hans Maria Richter – »Die Welt zu Gast beim Feind«
Tanze Samba mit mir. Oder mit Samba tanzen? Ein alter Indie-Gag rund um die ihren Namen mit dem eines Tanz teilende Gruppe. Deren Sänger Knut Stenert hat ein neues Projekt namens Hans Maria Richter. Verwirrend. Das erste Album heißt »Die Welt zu Gast beim Feind«, ein guter Titel, denn bei der Fußball-WM 2006 war zwar die Welt offiziell »Zu Gast bei Freunden«, No-Go-Areas gab es aber trotzdem. No-Go, die plumpe Überleitung darf erlaubt sein, ist das Album keinesfalls. Klar, romantisch-verklärtes Croonertum – wie im ersten Video »HeyHeyHey« – oder flockiger Indie-Twang wie in »Das ist neu«, mögen zwar den guten alten Indiezeiten anheimfallen, Stenert schafft es aber immer, mit guten Gesangslinien und ausdrucksstarker Verbalarithmetik die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken und so schnell nicht mehr herzugeben. Das ganze kulminiert in der sehr stimmigen Autofahrnummer »Die Synchronisation beginnt«. »Die Welt zu Gast beim Feind« ist solide Handwerkskunst, sommerlich leicht sogar.
»Die Welt zu Gast beim Feind« von Hans Maria Richter erscheint am 9. Juni 2017 bei Chateau Lala.
Stephan Sulke – »Liebe ist nichts für Anfänger«
Ach Stephan Sulke. Stephan Sulke einen ikonenhaften Status abzusprechen, wäre reinste Blasphemie. Wer Stephan Sulke nicht kennt, dem sei seine Website empfohlen, insbesondere der als Hörbuch eingesprochene Biografieteil. Komik als Kunst, Kunst als Komik, gefüllt mit lakonischer Schönheit. Um’s kurz zu machen: Der ehemalige French-Freak-Beat-Exot aus der Schweiz – unter dem Pseudonym Steff mit dem Welthit »Ma Theorie« aus dem Jahr 1964 bekannt und mit »Uschi (mach kein Quatsch)« Hitparadenstürmer aus 1981 – veröffentlicht sein, von der Definition abhängig, über zwanzigstes Album, endlich bei Staatsakt, wo er eigentlich schon seit Jahren hingehört hätte. Sulke setzt auf »Liebe ist nichts für Anfänger« – der Titel als Weisheit, die auch in seiner Biografie statuiert wird – erneut auf gewohnte Kniffe. Scheinironisch und doch persönlich, nah am Herzen, der Systemkritik und vor allem am Hörer. Vermeintliche Sehnsuchtsmelodien, Schlager für Schlagfertige, Popmusik für Auskenner. Stephan Sulke. Ein Unikat. Ein Mann für alle Fälle. Von dem Mann kann man alles kaufen. Auch »Liebe ist nichts für Anfänger«.
»Liebe ist nichts für Anfänger« von Stephan Sulke erscheint am 16. Juni 2017 bei Staatsakt. Österreich-Konzerte sind utopisch, am 11. August 2017 spielt der Meister im deutschen Überlingen am Bodensee (also fast in Österreich).
Der Plan – »Unkapitulierbar«
Vielleicht einer der druckvollsten Songs der ganzen NDW – wenn man das so nennen darf : »Gummitwist«. Vermeintlich dystopisch, aber einfach das Internet-of-Things fast 25 Jahre voraussehend, war das nicht ganz der große Hit, aber für Der Plan, die sonst eigentlich zu Real-Life-Fraktus hätten werden können, doch ein bisschen ein Mainstream-Fame. Es passt ausgezeichnet, dass sich die Gruppe in Urbesetzung ausgerechnet zum 50. Geburtstag des allseits geschätzten Andreas Dorau – neues Album im Juli – wieder traf. Brüder im Geiste. Und nun das erste Album in Ur-Besetzung seit 25 Jahren. Und, etwas ernüchternd, lange Zeit bleibt nicht stehen, vor allem, wenn sie sich schnell bewegt. »Unkapitulierbar« – zu dem es noch kein Video gibt – klingt doch ein bisschen nach Kapitulation, wirkt nicht wirklich modern, fast stehengeblieben. Man darf es sich so vorstellen: Bei ruckelnd-hypnotischer Science-Fiction-Musik durch ein Kaleidoskop blicken. Irgendwann dreht es sich und beginnt zu nerven. Das Problem: Der Versuch, zeitlos zu sein. Und anders als die musikalisch gut vergleichbaren Stabil Elite klappt das eben nicht ganz.
»Unkapitulierbar« von Der Plan erscheint am 23. Juni 2017 bei Bureau B.
AUSSERDEM ERWÄHNENSWERT:
Der Nino aus Wien – »Coco Bello (Single)« (VÖ: 9. Juni 2017)
Der Appendix zum neuesten Nino-Album »Wach«, ist bereits von den Konzerten der ersten der aktuellen Tourabschnitte bekannt und führt die Italophilie des österreichichen Pops – frag nach bei allen relevanten Acts der Siebziger bis heute – fort. Den Nino und seine Gruppe führt es nach Jesolo. »Coco Bello« knüpft dabei nahtlos an die psychedelischen Sitar-Spitzfindigkeiten von »Wach« an und erinnert dabei an »Autogrill« von Euroteuro. Ein Fix-Starter auf dem Mixtape für den Roadtrip an die Adria.
Adam Angst & Donots – »Split EP« (VÖ: 31. Mai 2017)
Das erste und unbetitelte Adam Angst Album aus dem Jahr 2015 wartet auf seinen Nachfolger, Fans von druckvollem First-World-Problems-Punk können sich derweil mit der Split EP mit den Donots trösten. Den auf 500 Stück limitierten physischen Tonträger wird es zwar erst im August geben, in den Download-Stores sind »Wir werden alle sterben« von Adam Angst und »Keiner kommt hier leben raus« von Donots bereits erhältlich. Um die EPs kann man sich aber schon anstellen, die sind sehr gut gemacht. Wie die Musik.
Kraftklub – »Keine Nacht für Niemand« (VÖ: 2. Juni 2017)
Na wäh. Zuerst die billige Anbiederung im Albumtitel, das ist fast Schändung am Grabe Rio Reisers. Dann als erster Vorbote »Dein Lied«. Das ist sexistische Peinlichkeit, ganz einfach. Cheesy aufgesetzt, plump in seiner Botschaft. Auch die weiteren, der Öffentlichkeit vorab zugänglich gemachten Stücke »Fenster« und »Sklave« lassen, falls die Chemnitzer einmal so etwas wie Qualität besaßen, diese völlig vermissen. Das ist keine Musik, das sind Kraftklub. Haha.
Montreal – »Schackilacki« (VÖ: 23. Juni 2017)
Poppunk ist – und das ist vielleicht auch schon der einzige Vorteil des Genres – am besten, wenn er immer gleich klingt. Montreal bilden da natürlich keine Ausnahme, auch auf dem sechsten Album, das wieder auf dem eigenen Label Amigo Records erscheint, ist wieder handelsübliche Ware, aber durchaus humorvoll umgesetzt. Die Opfer sind einfach und offensichtlich, aber wichtig und richtig: Wutbürger und der ganze Kram, den keiner braucht.
Die Buben im Pelz – »Katzenfestung« (VÖ: 9. Juni 2017)
Die pelzigen Burschen Christian Fuchs und David Pfister lassen das Covern sein und hieven ihr Wienerisches Getexte in Genres, die davon noch nichts hören ließen. Rock wird durchdekliniert. Das ist Stoner-Rock, Cold-Wave-Postpunk, auch College-Rock. Das ist ambitioniert und wohlfeil überlegt, Voodoo Jürgens, Sir Tralala und Teresa Rotschopf sind auch dabei.