Deutschsprachiges zwischen Euphorie und Kapitulation, zwischen Pathos und Befindlichkeit. Ausgewählt von Dominik Oswald.
Amanda – »Durch die Ewigkeit«
Die Gruppe Amanda macht, so formuliert es das Marketing von Problembär Records, »Space Rock aus den Ennstaler Bergen«. Das klingt nicht nur recht abwegig, das ist es auch. Dass sich Amanda, die sich selbst geografisch irgendwo zwischen eben dem Ennstal und Graz verorten lassen, für ihr Debüt »Durch die Ewigkeit« einen gar so exponierten Spagat zwischen obersteirischem Dialekt und künstlerisch anspruchsvollen Weltall-Pop überlegt haben, darf man durchaus als mutig bezeichnen. Schön konzeptionell durchgearbeitet heißen die Lieder etwa »Luna«, »Aus ewigem Liacht«, »Venus«, »Astra« oder »Durch die Ewigkeit«, auch die Texte dem Space-Thema untergeordnet – eine Zeile etwa: »Ich will baden gehen in deiner Aura« (auf Hochdeutsch übersetzt, Anm.) aus »Luna«. In den wenigen schwachen Momenten klingt »Durch die Ewigkeit« ein bisschen nach extrem esoterischem Hubert von Goisern. In den guten Momenten, und es sind tatsächlich viele gute Momente, klingt das wahnsinnig ambitioniert, stimmig und ist auch musikalisch einwandfrei. Schwebende Klangbilder, exaltiertes Rauschen mit klarer Sci-Fi-Assoziation, da kann man wenig dagegen sagen.
»Durch die Ewigkeit« von Amanda erscheint am 6.3.2020 via Problembär Records. Termine: 7.3. Kino Gröbming, 18.3. Chelsea Wien.
Moll – »Musik«
Wer die alternative Musiklandschaft in Österreich in den letzten zehn Jahren mehr oder weniger intensiv verfolgt hat, ist höchstwahrscheinlich nicht um die Gruppe Filou herumgekommen. Wer den österreichischen Literaturbetrieb verfolgt hat, ist um Lukas Meschik, den Sänger der Gruppe Filou, nicht herumgekommen. Dass ebenjener Musiker und Autor nun mit einer neuen Gruppe namens Moll sich quasi selbstständig macht, darf – so viel kann schon verraten werden – durchaus als Glücksfall für die HörerInnenschaft verstanden werden, ebenso wie der Bandname das musikalische Konzept vorweg nimmt: Es wird auf »Musik« tendenziell schwermütig, wenngleich die instrumentelle Begleitung durchaus überraschend quirlig ist. Da und dort setzt die Gitarre ein paar Nadelstiche, ab und an kommt sogar der Drang zum Mitschwingen durch. Die Alltagsbeobachtungen, die den Texten wie so häufig zugrunde liegen, sind – und da merkt man eben den Literaten – schon etwas präziser wie bei den meisten, Sätze wie »Die Vergangenheit ist unvorhersehbar, es steht in den Sternen wie es war«, die erst hintergründig Sinn haben, findet man zuhauf. Gut!
»Musik«von Moll erscheint am 20.03.2020 via Problembär Records. Termine: 12.3. Fluc Wien, 20.3. Kulturverein DH5 Linz, 20.4. Porgy&Bess Wien.
Odd Couple – »Universum Duo«
Dass Ostfriesen ganz schön seltsam sind, weiß man nicht von den Fips-Asmussen-Live-Kassetten, ganz hinten, beim Flohmarkt deines Unvertrauens. Die beiden bisherigen deutschsprachigen Alben »Flügge« (2016) und »Yada Yada« (2018) von Jascha Kreft und Tammo Dehn waren so undefiniert und gar verrückt in ihrem Mangel an klar einzuordnenden Genre-Entwürfen, man sah MusikjournalistInnen vor Verzweiflung fast weinend am Schubladendenken zweifeln. Und auch das neue Album »Universum Duo« ist eine eklektische Anhäufung an genialen Ideen und vertrackten Spielereien, wo es mehr zu entdecken gibt wie auf einem neuen Planeten. Dass man zu zweit viel schaffen kann, wurde ja bereits in der Vergangenheit bewiesen, dieser Zwiespalt von Dada und Glam, wie man ihn zeitweise hören darf, ist aber größtenteils unerhört. Dazu Texte, die zwar auf Platte manchmal zum Haareraufen quatschig sind, aber live – wie auch schon bewiesen – hervorragend funktionieren: »Ich bin der Dübelmann, ich schlag die Dübel in die Wand«, wird etwa im Song »Dübelmann« fast mantraartig wiederholt. »Universum Duo« von Odd Couple ist schon eher Musik für Fortgeschrittene, aber vor allem auch: Musik für EntdeckerInnen. Große Klasse, wie immer!
»Universum Duo« von Odd Couple erscheint am 13.3. via dem selbst- und neugegründetem Label Geld Records. Eine Farce: Keine Live-Termine in Österreich.
Slime – »Wem gehört die Angst«
Zum vierzigjährigen Band-Jubiläum und zum zehnten Jahrestag der Reunion beschenkt einer der wichtigsten deutschen Polit-Punk-Bands der 1980er Jahre die immer noch zahlreich vorhandenen Fans und natürlich auch sich selbst mit einem neuen Album. Und ganz ehrlich: Erstens kann es nicht zu viele Gruppen geben, die sich mit den zahlreichen Unzulänglichkeiten der politischen Gegenwart auseinandersetzen und zweitens: Wenn die Kritik so scharfzüngig und mit aller Gewalt durch die Lautsprecher geprügelt wird, ist sie auch sogar am richtigsten. Wenn sie gut formuliert ist, vielleicht sogar am besten. Mit der Zeile »Perfekt auf uns zugeschnitten, so dass sie uns passt, täglich frisch aus der Fabrik: Designerdroge Angst!« auf dem Titelsong geht’s den Rechten im Unrecht an den Kragen – mit »Die Toten wollen wieder alleine sein«, dem Titelsong der Vorjahres-EP, der auch auf dem Album ist, den weißen alten Männern. Dass Slime selbst im eigentlichen Wortsinne weiße, alte Männer sind, wissen sie selbst. Gut, dass sie sich nicht so verhalten und sich weiterhin gegen die stellen, die sich es tun.
»Wem gehört die Angst« von Slime erscheint am 13.3.2020 via Arising Empire. Österreich-Termin: 17.4. Between Bregenz.
Der Englische Garten – »Bei Tag und Nacht«
Modiger Soul-Pop mit allerhand Gebläse ist an dieser Stelle naturgemäß und völlig zurecht immer sehr beliebt. Die Münchner Band gibt’s eigentlich schon seit den Nullerjahren, nach den nicht unpopulären Alben »Der Englische Garten« und »Die aufgeräumte Stadt« von 2010 und 2013 gab’s ein kleine Pause: Das Studio war weg und acht Bandmitglieder zu koordinieren – da frisst einen eben oft der Alltag. Dass 2020 nun Album Nummer drei den Weg auf die Plattenspieler der In-Crowd findet, darf durchaus positiv bewerten werden: Auf »Bei Tag und Nacht« finden sich nämlich elf unbeschwerte und gleichzeitig tanzbare Stücke, die zwar deutliche Anleihen an Power-Pop-Vorreiter und Mod-Revivalisten der 80er nehmen, aber sich jederzeit dem musikalischen Erbe ihres Genres bewusst sind und es nicht nur kopieren. Außerdem schaffen es Der Englische Garten sich bewusst von den anderen VertreterInnen ihrer Art abzugrenzen: Mangels großer Alternativen drängt sich hier der Vergleich zu Die Liga der gewöhnlichen Gentlemen zwar auf, durch den etwas entspannteren Ansatz wird aber jegliche Vergleichbarkeit doch klug zurecht gewiesen: Und auch wenn »Bei Tag und Nacht« eher in seiner Nische bleiben wird, gute Popmusik hat auch allen anderen noch nie geschadet.
»Bei Tag und Nacht« von Der Englische Garten erscheint am 13.3.2020 via Tapete Records. Keine Österreich-Termine.
Außerdem erwähnenswert:
Gesangskapelle Hermann – »Alles Tango«
(VÖ: 6. März 2020)
Die Oberösterreich-Wien-Connection, die mit ihren doch überraschend tanzbaren, aber immer sehr unterhaltsamen A-Capella-Zurschaustellungen – es leben ja die Widersprüche – schon ein weites Publikum erreicht hat, wird ebenjenes auch auf Platte wiederfinden. Rechtzeitig zur doch recht ausgiebigen Tour durch ganz Österreich werden auf elf Stücken die Obskuritäten der Gegenwart – wie etwa Bitcoin-Millionäre – durch den Bio-Fairtrade-Kakao gezogen.
OIL – »Naturtrüb«
(VÖ: 6. März 2020)
Alarm! Alarm! Supergroup-Alarm! Reverend Christian Dabeler, Maurice Summen, Gereon Klug und Timur Çirak sind OIL, eine Band und Autorenkollektiv. Während das gleichnamige Buch beim Verbrecherverlag erscheint, ist das Album das 40-jährige Jubiläumsgeschenk für das legende Zick-Zack-Label. Es geht – wie man es etwa vor allem von Summen nicht anders erwarten konnte – auf sehr abstruse Disco-Art um Wichsbolde, Fracking oder (mehrfach) Masturbation im Allgemeinen. Abgefahren!