Na geh bitte, ois is Oasch!

Raunzen was das Zeug hält, das können die Wiener. Wo wäre also ein Beschwerdechor besser zu Hause als in der Hauptstadt?

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Klingt nach Wiener Original. Ist es aber nicht. Der Wiener Beschwerdechor entstand im Rahmen des internationalen Projekts „The Complaints Choir“, das 2005 in Finnland gegründet wurde und mittlerweile in über 40 Ländern vertreten ist. In Wien wurde das Projekt 2010 unter der musikalischen Leitung von Stefan Foidl und der künstlerischen Leitung von Oliver Hangl ins Leben gerufen. Nach 33 Auftritten und mittlerweile über 50 Mitgliedern, feiert der Wiener Beschwerdechor heuer sein dreijähriges Bestehen mit einer Großperformance im Böhmischen Prater. Wir haben Oliver Hangl zum Kurzinterview gebeten.

Wozu braucht’s den Wiener Beschwerdechor? Raunzen die Wiener nicht eh schon genug?

Die Raunzerei ist den Wienern eben in der DNA festgeschrieben, unvorstellbar wenn es hier plötzlich keine Suderei mehr gäbe! Raunzen ins Weltkulturerbe rein, Hochhausmeter-Begrenzen raus!

Wieso soll das Raunzen als Kunstform zelebriert werden?

Wir erheben das Raunzen eben zur Kunstform, in der sich vierstimmiger Chor-Gesang mit Performance vermischt, durchaus auch in der kritisch-unterhaltsamen Tradition, zum Beispiel von Helmut Qualtinger, die mit Augenzwinkern dem „Wiener Schmäh“ Rechnung trägt. Uns geht es auch um den Versuch, einen Chor inhaltlich und formal anders zu denken.

Die Ideen für die Texte stammen von Wienern und Wienerinnen. Wieso? Wie sieht’s mit eigenen Ideen aus?

Der Blog auf unserer Beschwerdechorseite dient als Beschwerdesammlung, die wir dann redigiert in unsere Texte einfließen lassen. Der Chor kommuniziert aber auch intern äußerst aktiv und sammelt kontinuierlich Material und bringt eigene Themen ein. Unser Tag beginnt mit dem Lesen der Gratiszeitungen….

Ihr bezeichnet euch als das „Sprachrohr der Stadtbevölkerung“. Das klingt nach Politik. Ist das auch so? Hat der Wiener Beschwerdechor eine Mission oder wird nur des Selbstzweck wegens geraunzt?

Wir sind eben ein Kunstprojekt und keine aktionistische Beschwerdefeuerwehr, die bei jeder zweiten Demo oder Veranstaltung sich singend an einen Baum kettet. Mittlerweile sind derlei Anfragen auch viel seltener. Unsere Interventionen und Aktionen zeichnen sich durch ein künstlerisch und musikalisch ambitioniertes, engagiertes Eintreten für Inhalte aus, die sowohl große „Systemfehler“, als auch kleine alltägliche Probleme ansprechen.

Vertretet ihr irgendwelche Werte? Oder darf prinzipiell über alles geraunzt werden?

Wertfrei? Wir als durchaus komplexer und widersprüchlicher Organismus vertreten bei jeder Aktion die Summe unserer Werte. Das erfordert auch Diskussionen und Kompromisse, kann man das mit Eurer Redaktion vergleichen?

Was sind die häufigsten Beschwerden? Die exotischste Beschwerde?

Die häufigste Beschwerde ist skurillerweise immer noch der Hundekot! Exotische sind beispielweise Beschwerden, dass es keine Grillplätze für Hammelfleisch und keine FKK-Zone im MQ gibt.

Meist sind eure Auftritte unangekündigt. Wonach werden die Locations ausgewählt?

Aufgrund des Inhaltes! Wir beschweren uns eben vor Ort. Und wenn wir vom Bürgermeister nicht empfangen werden, dann singpudeln wir uns eben vor dem Rathaus auf.

Eure Auftritte sind also immer kontext- und ortsgebunden. Worüber wird im Böhmischen Prater gsudert? Was darf man sich von eurer Performance erwarten?

Den Böhmischen Prater haben als einen der in Vergessenheit geratenen Ur-Orte Wiens, der eine bewegte Geschichte hat, bewusst ausgewählt. Material gibt’s da genug für uns, hinkommen!

Chronische Suderer sind ja allseits nicht sehr beliebt. Wie macht ihr das, dass trotzdem Leute zu euren Auftritten kommen?

Meistens tauchen wir ja unangekündigt auf, wir kommen also zu den Leuten. Bei angekündigten Aktionen ist es vielleicht unsere unkonventionelle Arbeit, die die Menschen interessiert.

Womit rechtfertigt ihr euer Jammern in Zeiten von Zypern, Nordkorea und Jugendarbeitsloskeit?

Als Wiener Beschwerdechor beschweren wir uns ausschließlich über Wien, die Jugendarbeitslosigkeit ist sicher auch ein Wiener Thema.

Das Große Jubiläumskozert des Wiener Beschwerdechors findet am 19. April um 19:30Uhr im Böhmischen Prater statt. Mit dabei sind auch Sir Tralala, Willi Landl und die Lakoongruppe.

Bild(er) © Georges Schneider, Oliver Hangl
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