Selten fährt man mit dem Bus, um die Haltstellen zu bewundern. In der Ex-UdSSR sollte man das machen, denn dort gibt es mehr zu sehen als Glashütten, Fahrpläne und schlechte Graffitis.
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Kasachstan
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Buchcover
Ein weites Experimentierfeld – trocken aber doch fruchtbar – das ist die russische Tundra. Zumindest für viele Architekten, Künstler und Designer, die hier ihr Potential austesten und ausloten konnten und dabei manche Klischees zu Sowjet- Architektur umwerfen. Und das nicht an öffentlichen Gebäuden (wobei es es das auch gibt, beispielsweise hier) oder Einfamilienhäusern, sondern an Busstationen.
Viele der Stationen geben klare Statements zu ihrer formalen Herkunft ab – erzählen von der russischen Avantgarde und dem Konstruktivismus in seinen unterschiedlichsten Ausprägungen. Manchmal sehen sie auch einfach nur aus wie der einzementierte Vodka-Rausch eines russischen Architekten. Was sie die meisten von ihnen gemeinsam haben, ist, dass sie sich als wildgewordene Baukörper wie Fremdkörper in der ex-sowjetischen Landschaft aufhalten. Auch weil man sich bei vielen der Stationen nicht sicher sein kann, ob sie überhaupt jemals einen Bus von vorne und auch von hinten gesehen haben. Aus zentraleuopäischer Sicht fällt es auch etwas schwer sich vorzustellen, wohin diese Menschen denn überhaupt wollen, wenn sie an diesen scheinbar völlig verlassenen Stationen aussteigen. Waren hier einmal Fabriken? Kolchosen? Oder hat die Planung einfach versagt?
Eine Busfahrt, die ist lustig, eine Busfahrt, die ist schön
Die Frage wie etwas scheinbar Banal-Funktionales wie eine Bushaltestelle zu einem Monument künstlerischen Ausdrucks werden kann, reizte Fotograf Christopher Herwig so sehr, dass er einen ganzen Fotoband daraus machte. Der Weg dorthin war aber ein ziemlich weiter – fast 30.000 Kilometer legte er dafür mit Bus, Auto und Motorrad zurück, durchquerte Kasachstan, Turkmenistan, Kirgistan, die Ukraine, Moldawien, Weißrussland, Armenien, Georgien und das Baltikum. Herwig hält es hier mit den Grundsätzen des Fotorealismus. Die Fotos sind Zeugnisse seiner Reise – Abbildung nicht Einbildung.
Was man auf den Fotos sieht, ist ein einziger Widerspruch – es sind Busstationen ohne erkennbare Straßen, steppenartige Landschaften als kreativer Nährböden und manchmal auch einfach Häuser ohne Dach. Viel Form, minimale Funktion.
Künstlerische Bushaltestellen gibt es auch in Österreich, beispielsweise in Krumbach in Vorarlberg.
Christopher Herwigs Fotoband "Sovjet Bus Stops" kann man ab 15. September hier und hier bestellen.