Niemals Herzblatt moderieren

Wanda haben schon alles erreicht, was als Indie-Band in Österreich möglich ist. Selbst wenn das neue Album »Bussi« auf Platz 1 einsteigen wird, scheißen sie auf jeden Promistatus.

»Ich lebe halt immer schon so, ich kann das gar nicht einschätzen«

Das Hauptgeschäft bleibt natürlich das Live-Spielen, Wanda sind mit dem Release von »Amore« zu Profis geworden, für nachlässiges Arbeiten haben sie keine Zeit. Marco war vorher eine zeitlang bei McDonald’s, Manuel Behindertenbetreuer. Alles aufgegeben. »Wir haben schon ein bisschen den Schweiß im Gnack gehabt. Weil wenn wir unsere Jobs aufgeben und das nicht klappt, hätten wir ziemlich oft zur Oma essen gehen müssen«, lacht Manuel. Richtig reich sind sie nicht, auch wenn man es ihnen unterstellt. Auf Tour saufen sie aber dann doch nicht so viel, wie immer behauptet wird, das geht ja gar nicht, man würde ja verrückt oder paranoid werden. »Ich lebe halt immer schon so, ich kann das gar nicht einschätzen«, meint Marco und ergänzt, dass er jetzt vielleicht sogar weniger trinkt. Und auch, wenn auf »Bussi« Opiate inhaltlich den Schnaps ablösen, auf Tour ist das kein Thema: »Drogen kriegt man theoretisch überall in den Rachen gestopft, aber wir nehmen nix davon. Das kriegst du echt nicht gebacken, da stirbst du«. Mit dem Live-Spielen soll es immer weitergehen, keine Pause in Sicht. »Wir wollten unseren Alltag ja so«, bekräftigt Manuel verschmitzt grinsend, während Marco meint: »Ich hab schon so einen Arbeitsethos entwickelt. Ich war mein Leben lang so hoffnungslos, am Rande von allem und hab Untätigkeit einfach so wahnsinnig satt«. Und ja, sie werden »Bologna« wohl immer spielen und nein, »1, 2, 3, 4« ist ihnen nicht zu blöd. »Ich denk ja gar nicht an den Text, wenn ich singe. Da geht’s um die Noten, um die Klangsphären, um die Seele«. Immer weiter machen, gefühlt 500 Tage im Jahr auf Tour. Marcos Lederjacke, ohne die er sich unrund fühlt, leidet, er will sie bald zum Türken um’s Eck bringen zum generalsanieren. Der Kragen, den er jedes Mal bei »Auseinandergehen ist schwer« aufstellt, fällt schon fast ab.

»Über Gulasch muss ich im ORF nicht unbedingt reden«

Die Wandas werden auf der Straße erkannt, Marco ständig. Das macht ihm per se nix aus, aber dass er über sich selbst reden und nachdenken muss, quält. Aber Depperte gibt’s da keine. Besonders extrem ist es in Deutschland, bis in die 100-Seelen-Dörfer. Und Medien klopfen natürlich auch gern an. »Aber so jemand, der sich zu jedem Schas in einer Fernsehsendung äußert, der will ich nie werden«, so verweigert Marco jegliche Promi-Allüren. »Oder Herzblatt moderieren«, sagt Manuel. Das ist lustig, weil es im Radio gerade »Feine Damen« von Rainhard Fendrich spielt, Manuel gilt ja als weltgrößter Fan. Angebote gab es jedenfalls genug, auch, um über Gulasch im ORF zu reden. »Die Hand ist ausgestreckt, ein Promi zu werden. Ich scheiß da aber sowas von drauf, das kann man sich gar nicht vorstellen.« Es gibt vor allem Angebote, über bestimmte Dinge zu reden, »aber ich hab nix, will nix und bin halt kein materieller Typ«. Marco wieder. Überhaupt halten sich Wanda sehr mit Statements zurück, auch bei der Politik: Flüchtlingspolitik, Wienwahl, nix. Ganz bewusst, wie Marco erklärt: »Mein politischer Kompass ist nicht gut genug eingestellt, ich traue mich über solche Themen nicht drüber, weil ich einen ohnehin schon diffusen Konflikt nicht unnötig in die popkulturelle Ebene einführen will. Ich bin kein guter politischer Denker. Ich kann die Leute nirgendwo hinführen, ich habe zwar eine Wut im Bauch, aber ich habe keine Lösung, ich habe nichts zu bieten. Das nützt jetzt nichts, das wäre Befindlichkeitsscheiße«. Manuel lässt sich aber immerhin zu der Aussage hinreißen: »Wien muss Rot bleiben, das ist meine Haltung dazu.«

»Bussi«, das zweite Album von Wanda, erscheint am 2. Oktober via Vertigo / Capitol. Die Release-Shows in der Arena Wien sind längst ausverkauft, am 22. April 2016 spielen sie in der Wiener Stadthalle.

Was Wanda von junger, österreichischer Musik halten und wie sie so zum Feminismus stehen, kann man hier und hier nachlesen.

Bild(er) © Marlene Mautner
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