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Wanda haben schon alles erreicht, was als Indie-Band in Österreich möglich ist. Selbst wenn das neue Album »Bussi« auf Platz 1 einsteigen wird, scheißen sie auf jeden Promistatus.

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Manchmal geht es ganz schnell. Im September letzten Jahres, kurz bevor »Amore« erschien, auf das sich damals vielleicht ein paar Dutzend Menschen gefreut haben, schrieben wir an dieser Stelle: »Die werden ganz groß. Promise.« Im Rückblick betrachtet war das die Untertreibung des Jahres. Wanda ist 2015 die größte Band Österreichs. Definitiv. 15.000 verkaufte Einheiten von »Amore«, keine österreichische Indie-Band verkaufte jemals mehr. Das Album ist jetzt seit fast einem Jahr in den österreichischen Charts, zehn Wochen davon in der Top Ten. Wanda haben innerhalb von 24 Stunden vor insgesamt 50.000 Menschen gespielt – mittags in St. Gallen und danach als Headliner am Donauinselfest. Die zwei Oktober-Konzerte in der Arena waren binnen einer Woche ausverkauft, das erste davon innerhalb von 48 Stunden. Kommenden April geht es in die Stadthalle. Das sind Zahlen, die beeindrucken. Wanda sind ganz oben, nur das Happel-Stadion fehlt noch.

»Ich denk mir das immer wie ein Samurai«

Und jetzt »Bussi«, das zweite Album. »Bussi war nur der nächste Buchstabe im Alphabet«, erzählt Sänger Marco Michael Wanda beim Interview. »’Amore‘ war eine relativ philosophische Platte, jetzt freue ich mich, dass das runtergekühlt wird mit dem doch eleganteren Begriff ‚Bussi’«. Amore bleibt Amore und wird auch gar nicht ersetzt. »’Bussi‘ soll ‚Amore‘ nicht ablösen, sondern darauf aufbauen«, ergänzt der sonst eher zurückhaltende Gitarrist Manuel Poppe. Die Lieder waren schon gleichzeitig mit »Amore« fertig, nur zwei sind jünger als ein Jahr. Die Aufnahmen fanden in den wenigen Tourpausen statt, produziert hat wieder Paul Gallister in seiner Küche, gemastert ein feiner Herr aus London, der auch schon Led Zeppelin gemastert hat. Man gönnt sich ja sonst wenig. Dass man die Texte ebenfalls schon lange fertig hatte, hat auch nichts damit zu tun oder dass Nachfolgealben als schwierig gelten. »Wir sind nie davon ausgegangen, dass überhaupt etwas schwierig an einer Karriere als Popstar ist«, heißt es da nur. Und, auch mit der riesigen Erwartungshaltung, die es geben muss, scheint Wanda klar zu kommen: »Ich bin blind für den Druck. Ich denk mir das immer wie ein Samurai. Der war mächtig, weil er immer damit gedroht hat, sich umzubringen. So sehen wir das auch in den Verhandlungen: Wer uns Druck macht, auf den scheißen wir halt. Wir könnten das jetzt jederzeit aufhören und ich hätte nicht das Gefühl, etwas aufzugeben«.

Überhaupt »Bussi«. Zweites »Amore« ist es keines, kann es auch gar nicht sein. Der Fokus ist verschoben, die Texte wirken weniger empathisch, der musikalische Fortschritt ist unüberhörbar. Darüber, wie sehr sie ihre Instrumente beherrschen, muss man kein Wort verlieren. Die Gitarren sind kantabel, Manuel hat auch deutlich mehr Soli, alles ungeplant. »Wir grübeln nicht lange über Soli oder Songstrukturen, es sind ziemliche One-Takes. Wenn es nach dreimal nicht drinnen ist, weg damit«, meint er. Marco ergänzt: »Auch hier ist das Ziel, sich von allem Materiellem zu trennen. Es ist scheißegal, eigentlich«. Die Lieder auf Wanda-Platten sind aber ohnehin nur Skizzen. »Die werden erst lebendig, wenn wir gemeinsam auf der Bühne spielen. Erst nach einem Jahr oder so bekommen sie eine Seele. Im Studio sollen wir so poppig und glatt wie möglich klingen, damit der Zuhörer einen leichten Zugang bekommt, der ihm die Möglichkeit eröffnet, dass es etwas für sein Leben bedeuten könnte.« Die instrumentelle Extravaganz sehen sie aber eher locker: »Einem Laien würde das gar nicht auffallen, die Kritiker können uns wieder als Dilettanten beschimpfen, weil sie es halt nicht verstehen und nie verstehen werden, dass gerade die einfachste Form die alleranspruchsvollste ist«, sagt Marco. Im Unterschied zu »Amore« ist »Bussi« eher singlelastiger, eher »Sgt. Pepper als Nevermind oder so«. Und klar, es sind viele Hits oben, neben »1, 2, 3, 4«, dem neuen »Bologna«, ist mit »Meine beiden Schwestern« der bislang beste Wanda-Song drauf, mit »Kein Herz im Hirn« sogar ein Stück, das dezidiert Austropop sein soll und dementsprechend klingt. Die größte Änderung ist aber das neue Label, ein Major, ein Vertrag für mehrere Alben, inklusive Best-Of, »aber da bin ich dann hoffentlich schon tot, weil das schau ich mir nicht an«, sagt er, der Wanda. Angst vor der totalen kommerziellen Ausbeutung haben sie aber keine, »wir haben schon alles abgesagt, es wird niemals einen Wanda-Song für Werbezwecke geben. Es war schon so ziemlich jeder große Firmenname dabei, aber absolut keine Chance. Solange ich lebe, wird das niemals passieren. Na, ganz grauslich«.

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Bild(er) © Marlene Mautner
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