Das Internet ist seit Langem Hort des Politischen. Langsam rückt es auch in das Interesse der Politiker.
Die EU hat mit Neelie Kroes bereits eine eigene Kommissarin für die Digitale Agenda. Deren Schwerpunkt liegt zwar nach wie vor im Bereich der Infrastruktur (Stichwort Breitband-Ausbau), sie widmet sich aber auch schon anderen netzpolitischen Themen. In Österreich bewegt sich Netzpolitik langsam aus der Nische. Das überraschend gute Abschneiden der Piratenpartei bei den Berliner Wahlen zeigt, dass die Thematik bei immer mehr Menschen auf Interesse stößt. Kein Wunder, gewinnt doch das Internet einen immer größeren Stellenwert im Leben der Menschen und damit auch für die Teilhabe an politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. Politiker und politische Parteien werden in Zukunft stärker daran gemessen werden, wie sie mit dem Netz umgehen.
SPÖ: »Blogger aller Länder …«
Die Sozialdemokraten haben neben der Piratenpartei als einzige österreichische Partei ein kompaktes Papier zur Netzpolitik. Anfang des Jahres wurde ein »Positionspapier für eine progressive Netzpolitik« vorgestellt. Darin wird sogar vorsichtig angedeutet, dass Internetzugang mittel- bis langfristig Menschenrechts-Status bekommen soll. Demokratische Grundrechte sollen in Richtung Netzfreiheit weiterentwickelt werden. Das Dokument enthält eine Reihe von Überschriften, denen der Begriff »Open« vorangestellt ist: Von Access über Data und Government bis Source. Auch eine Anpassung der Urheber- und Leistungsschutzrechte ist angedacht. Stoßrichtung ist die Stärkung der Einkommenssituation der Kreativen und nicht die der Industrie. Als mögliches Modell wird die Einführung einer »Fair-Use«-Schranke genannt.
Fazit: Eine Steilvorlage, die vielen Netzexperten gefallen dürfte. Frage ist, was davon Eingang in die Realpolitik findet.
ÖVP: »Internet darf nicht zum rechtsfreien Raum werden«
Ein solches Positionspapier gibt es bei der ÖVP nicht. Auskunft gibt deren Innovations- und Telekommunikationssprecherin Karin Hakl. Die Vorratsdatenspeicherung, in der viele einen Schritt in Richtung Überwachungsstaat sehen, befürwortet sie mit der Begründung, dass das Internet nicht zum rechtsfreien Raum werden dürfe. Sie gehe aber auch nicht davon aus, dass deswegen Aufklärungsraten extrem in die Höhe schnellen. Man befände sich auf einer Grenzwanderung zwischen Datenschutz und dem Rechtsschutzbedürfnis der Bevölkerung. Beides nehme sie ernst.
Hakl spricht sich grundsätzlich gegen Netzsperren aus. Eine Ausnahme macht sie beim Thema Kinderpornografie. Daher auch das OK der Bundesregierung zur EU-Initiative für Internet-Sperren gegen Kinderpornografie. Ihrem Selbstverständnis als Wirtschaftspartei entsprechend unterstützt die ÖVP besonders den Ausbau der Breitbandinfrastruktur. Der ist auch Hakls Argument in der Debatte um die Netzneutralität. Die kann nur dann gewährleistet sein, wenn genug Bandbreite für alle da ist.
Fazit: Ein Positionsmix, der primär aus wirtschaftlichen Überlegungen gespeist wird.
Die Grünen: Gläserner Staat statt gläserner Mensch
Die Grünen galten lange als die Vorreiter in Sachen Netzpolitik. Und auch heute gibt es keine österreichische Partei mit mehr bloggenden und twitternden Mitgliedern. Dennoch stoßen ihre Ideen in der Netzcommunity nicht auf vorbehaltlose Zustimmung. Für ihren Vorstoß in Richtung Cultural Flat Rate mussten sie viel Kritik einstecken. Bei anderen Themen wie Open Data oder ihrem Widerstand gegen die Vorratsdatenhaltung punkten die Grünen nach wie vor. Justizsprecher Albert Steinhauser hat Änderungswünsche direkt bei Kommissarin Reding deponiert: „Bekanntlich plant die EU-Kommission eine Überarbeitung, umso wichtiger ist es, sich dort einzubringen“. Ebenso klar ist die grüne Position zu Netzsperren (»Löschen statt Sperren«) und Netzneutralität. Sie haben im Nationalrat bereits einen Entschließungsantrag vorgelegt, der die neutrale Übermittlung aller Datenpakete festschreiben soll.
Fazit: Punkto Netzpolitik sind die Grünen prinzipientreu. Ihre Slogans sind catchy, die Umsetzbarkeit ist eine andere Geschichte.
FPÖ: »Tatort Internet«
HC Strache ist der österreichische Politiker mit der erfolgreichsten Facebook-Präsenz: Seine Seite hat mehr als 100.000 Fans. Bei einer Google-Suche auf www.fpoe.at kommt der Begriff »Internet« deutlich öfter vor als etwa »Umwelt« oder »Verkehr«. Im Parteiprogramm und im »Handbuch F-Politik« ist allerdings wenig Netzpolitik zu finden. Die FPÖ bekennt sich zu einer „Gesamtinfrastrukturstrategie, die der Bedeutung von Informations- und Kommunikationstechnologien gerecht wird“ und deutet an, dass das »Urheberrecht den Vorgaben des digitalen Zeitalters folgen muss«, bleibt aber damit im Gegensatz zu vielen anderen Punkten unkonkret. Am deutlichsten wird sie im Handbuch für freiheitliche Funktionäre. Im Kapitel »Tatort Internet« (dem einzigen zum Thema) werden international tätige Sadisten-Netzwerke beschrieben, die die »mit Hilfe des Internets ihren Geschäften nachgehen.«
Fazit: Netzpolitik ist kein Schwerpunkt bei den Freiheitlichen. Als Anwender sind sie aber top.
Das BZÖ auf Oppositionskurs
Das BZÖ fährt in Sachen Netzpolitik vor allem auf Oppositionskurs. Beispiel Vorratsdaten: Im April forderte Ewald Stadler die rot-schwarze Bundesregierung auf, die Richtlinie der EU zu boykottieren. Und das, obwohl BZÖ-Justizministerin Karin Gastinger den Beschluss auf EU-Ebene mitgetragen hat. Zweites Beispiel: Das BZÖ tritt für Internet-Volksbegehren ein, die für oppositionelle Themen instrumentalisiert werden können. Größere Aufmerksamkeit hat im Vorjahr ein Vorstoß von General Christian Ebner erhalten: Er hat angeregt, die systematische Erfassung von Daten wie sie etwa Google Street-View macht, gesetzlich verbieten zu lassen. Wo ein derartiges Gesetz festgeschrieben werden soll, sei nur eine Detailfrage. Laut Pressesprecher Heimo Lepuschitz werde derzeit an einem orangen Grundsatzpapier gearbeitet.
Fazit: Die BZÖ-Positionen zum Thema Netz sind etwas erratisch. Man darf gespannt sein, was das Positionspapier bringt.
Netzpolitik wahlentscheidend?
Die nächste Wahl zum Nationalrat findet mit ziemlicher Sicherheit erst 2013 statt. Bis dahin sind noch mehr Menschen, die mit dem Internet aufgewachsen sind, im wahlfähigen Alter. Für sie gewinnt das Netz zunehmend an Bedeutung für direkte Auseinandersetzung mit politischen Themen, während tradierte Formen der repräsentativen Demokratie an Bedeutung verlieren. Die Forderung nach einer transparenteren Politik und mehr direkten Mitsprachemöglichkeiten werden immer lauter. Eine zeitgemäße Politik tut gut daran, darauf zu hören. Und zwar in einem sehr substanziellen Sinn und nicht nur über Dialog-Angebote auf Facebook-Pages. Manche Fragestellungen der Netzpolitik reichen ins Mark demokratischer Grundrechte. Für viele werden die Antworten wahlentscheidend sein.