Half Girl stehen ihre Frau. Warum das 2016 immer noch wichtig ist.
Sagen wir einmal so: Frauen sind im deutschsprachigen Musik-Business nach wie vor Mangelware. Vereinzelt sieht man sie auf Bühnen stehen, viel zu selten geben sie den Ton an. Laut dem SRA (SR-Archiv österreichischer Popularmusik) liegt der Anteil von weiblichen Musikschaffenden in Österreich bei ernüchternden 10%. Zum Glück gibt es noch Hoffnungsschimmer wie die superben Half Girl. Die vierköpfige ”All Girl Super Group" macht keine halben Sachen und bringen im September mit einer Extra-Portion Riot ihr lang ersehntes Debütalbum ”All Tomorrow’s Monsters" heraus. Die eigentlichen Ursprünge der Berlin-Wien-Formation liegen mit 2009 ja schon ein paar Jahre zurück. Da drängt sich natürlich die Frage auf, wieso so lange mit dem Debüt gewartet wurde. Als Supergroup hatten die einzelnen Mitglieder allesamt genug Troubles mit ihren laufenden (Haupt)-Projekten: Julie Miess, die für Half Girl ausnahmsweise ihren Bass ruhen ließ und die Front-Sängerin gibt, hat sich bei Britta, Mutter oder Jens Friebe bereits einen Namen erspielt. Als Gitarristin sorgt niemand Geringeres als Vera "Luise Pop" Kropf für schön noisig hingerotzte Riffs. Gwendolin Tägert, die mit Mondo Fumatore eher aus der Indie-Ecke kommt, ist für Half Girl ebenso mit E-Gitarre und Plektrum bewaffnet. Mit der Ex-Die-Heiterkeit Drummerin Anna-Leena Lutz ist die österreichisch-deutsche Combo schließlich komplett, von der Miess übrigens als ”Traumband" schon Jahre lang geträumt hat, wie sie im Interview gesteht.
Die Dinge beim Namen nennen
Schubladen á la ”Girl Band" sind in einigen Musikerinnenkreisen eher ungern gesehen – immerhin gibt es kein kursierendes, maskulines Pendant, mit denen ausschließlich männliche 0815-Rockbands bezeichnet werden. Laut Miess geht es hierbei um einen dauerhaften Pop-Diskurs, den jede Musikerin einmal notgedrungen durchkauen muss. Dass der Hund allerdings nicht erst in ungeschickten Bezeichnungen begraben liegt, sondern es bereits an der Gesamtsituation mangelt, dürfte klar sein. Bei der eigens konzipierten Bandbetitelung ”All Girl Super Group" muss Julie Miess dann aber doch auch selbst schmunzeln. ”Das ist natürlich irgendwie besonders absurd, wenn bei einer Band, wo der Großteil um die 40 ist, von ‚Girls‘ die Rede ist." Trotzdem kommt man an Kategorisierungen dieser Art leider (noch) nicht vorbei. Half Girl verpassen der Problematik deshalb lieber einen ”uneleganten" Namen, als sprachlos die vollendete Emanzipation herbeizusehnen: ”Strategischer Existentialismus, sozusagen", meint Julie Miess pragmatisch.
Zu haarig für Beyonce
Hätten Half Girl ein Maskottchen, wäre es wohl ein nettes, haariges Zottelmonster geworden. Kein Wunder, nennen sie sich selbst ja auch ”Monstergang", wie in ihrem zweiten Album-Track tatkräftig zelebriert wird: ”They call us Monstergang, don’t like our golden fangs, they don’t like our soft black fur." Haarig, wild und irgendwie eckig und kantig fühlen sie sich mit ”All Tomorrow’s Monsters" und ihrer All-Girl-Konstellation sichtlich wohl und möchten dies auch anderen Musikerinnen weitergeben. Half Girl funktionieren somit auch ein bisschen nach dem ”Who run the world"-Prinzip wie Beyonce, nur anders. In jedem Fall fühlen sie sich mit ihren haarigen Mähnen, krachenden Gitarren und viel Lautstärke wesentlich echter an.
”All Tomorrow’s Monsters" von Half Girl erscheint via Siluh Records am 9. September.