Im Casino Baumgarten, gut versteckt im wilden Westen Wiens, befindet sich eines der weltweit letzten Aufnahmestudio das analoger Technik in Reinform vertraut. Unverändert, seit 1965. Nun soll ihm wieder Leben eingehaucht werden.
„Wissen Sie, diese Maschinen sind konzipiert für die Ewigkeit.“ Josef Kamykowski ist Tonmeister im Casino Baumgarten und weiß wovon er spricht. Seit den späten 1950er Jahren ist der Toningenieur im Casino beschäftigt und war sowohl maßgeblich an der Errichtung des Studios beteiligt, als auch dann als leitende Hand bei geschichtsträchtigen Aufnahmesitzungen von Gulda, Farkas oder Qualtinger.
Die Präsentation des jüngsten Werkes „Conjecture“ von Patrick Pulsinger, Kamykowskis Bruder im Geiste, das Pulsinger gemeinsam mit Werner Dafeldecker aufgenommen hat, war Ende September der gelungene Startschuss zur Revitalisierung des akustischen Juwels. Dem Gebäudekomplex soll wieder neues Leben eingehaucht werden. Neben dem Studio mit Vintage-Röhrentechnik beherbergt das Casino auch einen großen Aufnahmesaal, dessen Klang mit der Akustik der 2001 abgebrannten Sophiensäale vergleichbar ist. Herz der Anlage ist ein 16 Kanal-Mischpult, das 1965 von der Siemens-Tochter Wiener Schwachstrom-Werke gebaut wurde. Die Installation der analogen State-of-the-Art-Gerätschaft kostete damals 2,5 Millionen Schilling. Dafür konnte man klarsten und unverfälschten Klang vom Saal ins Studio und auf Tonträger bringen. Und kann das immer noch.
Anfang August 2009 übernahm das traditionsreiche Wiener Label Preiser Records das Erdgeschoss in unbefristeter Pacht und während momentan noch die notwendigen Restaurierungsarbeiten laufen, notwendig gemacht durch jahrelange Misswirtschaft der Eigentümer (Verband der Arbeiterheime), soll es Anfang 2010 richtig losgehen.
Das Casino soll Platz bieten für Musikaufnahmen, Sessions, Konzerte und Ähnliches mehr. Niko Kraft von der Analog Audio Association Austria (AAAA), den Antreibern, schwebt ein zweites Radiokulturhaus vor. Sein vor 2 ½ Jahren gegründeter Verein hat sich zum Ziel gesetzt, die Vorzüge der analogen Aufnahmetechnik einer breiteren Öffentlichkeit aufzuzeigen und es aktiven Musikern zu ermöglichen, bei leistbaren Konditionen auch mit diesen Instrumenten zu arbeiten zu können. Sollte der Plan aufgehen, wird nicht nur der Westen Wiens die Mühen danken.
Das Casino Baumgarten (Linzer Straße 297, 1140 Wien) stehen seit kurzem wieder für Aufnahmen und Veranstaltungen zur Verfügung. Mehr Infos zu Geschichte und technischer Ausstattung bei Preiser Records (www.preiserrecords.at), alles weitere bei der Analog Audio Association Austria (AAAA) über analogaustria@ymail.com (Website www.analogaustria.at ab Ende 2009). Die AAA lädt außerdem am 6.5. um 18:30 zum kleinen aber feinen Salontreffen, Studiobesichtigung und Umtrunk inklusive.