Das Verhältnis von Ö3 zur heimischen Musikszene war schon einmal schlechter – nicht zuletzt dank der Sendung »Treffpunkt Österreich«. Für diese holt der Sender seit fast zwei Jahren österreichische Acts zum Livetalk ins Studio. Moderator Benny Hörtnagl und Musikredakteur Clemens Stadlbauer über den Erfolg der Show, die neue Lässigkeit in der heimischen Musikszene und warum sie eine Quote für keine gute Idee halten.
In den letzten Jahren gab es ja einen regelrechten Hype um Musik aus Österreich. Wie schätzt ihr aktuell die Musikszene hierzulande ein?
Clemens Stadlbauer: Ich bin ja schon lange genug dabei, und so ein Schlaraffenland, wie wir es jetzt haben, haben wir noch nie erlebt. Anders als zur Blüte des Austro-Pop, der ja auf ein Genre beschränkt war, ist es jetzt so, dass aus allen Ecken und Enden etwas Gutes daherkommt. Es tut sich unglaublich viel. Deshalb ist es auch jetzt mehr denn je möglich, wöchentlich diese Sendung zu machen.
Benny Hörtnagl: Was mir immer so imponiert, ist die neue Lässigkeit, die neue Selbstverständlichkeit in der österreichischen Musik. Man traut sich wieder was. Man ist vor allem auch miteinander unterwegs. Das erleben wir immer wieder: Die kennen sich alle, die schätzen sich alle. Neid ist fast keiner da. Und das tut der gesamten österreichischen Musikszene irrsinnig gut.
Clemens: Und das Ganze geht quer durch die Generationen – auch etwas, das völlig neu ist.
Wie sieht eurer Meinung nach der Beitrag von Ö3 dazu aus?
Clemens: Naja, wir sind halt Medium und nicht Kulturförderungsinstitut. Wir vermitteln das einfach. Und tun uns mit dem, was an Qualität daherkommt, bei unserem Programmauftrag leichter. Man darf nicht vergessen, in welchem Kontext wir österreichische Musik präsentieren – zwischen Ed Sheeran und Taylor Swift. Da rede ich nicht nur von der Qualität der Songs, sondern auch von der Qualität der Produktion.
Benny: Auch sehr bemerkenswert ist: Es gibt wieder echte Stars. Also du hast die Wandas, die Bilderbuchs, die Lemos, Pizzera & Jaus und wie sie alle heißen – das sind ja echte Stars. Und das sagen nicht nur wir, sondern unsere Hörerinnen und Hörer in ganz Österreich.
Clemens: Wir haben ja auch Zeiten erlebt, in denen du, um in diesem Land berühmt zu werden, gut Ski fahren hast können müssen. Jetzt kannst du auch als Musiker in diesem Land wieder ein Star sein.
Habt ihr eine Erklärung dafür, dass die Qualität – auch produktionstechnisch – aktuell so hoch ist?
Clemens: Die Technik spielt den Leuten in die Hände. Früher hast du einfach ein analoges Studio buchen müssen – das konnten sich die wenigsten leisten. So sind sie mit irgendwelchen Demos vor den Türen der Plattenstudios verreckt. Heutzutage, wenn man zum Beispiel den Filous zuhause besucht und sieht, dass der sein Mikro im Kleiderschrank stehen hat … Und wenig später präsentiert das Billboard Magazine die Premiere seines neuen Songs.
Benny: Musikerinnen und Musiker tun sich in einer kommunikativen, vernetzten Welt auch sehr viel leichter, mit einander in Kontakt zu treten, sich Dinge anzuhören, Studios zu finden. Es gibt technisch wahnsinnig viele Möglichkeiten, und ich hab in den letzten Jahren schon auch erlebt, dass sich die dann gegenseitig total pushen. Man hilft sich gegenseitig.
Wie würdet ihr die Rolle von Ö3 in der Gesamtaufstellung der ORF-Radiosender beschreiben?
Clemens: Als Flaggschiff. In aller Bescheidenheit. (lacht) Naja, grundsätzlich ist es nicht unsere Aufgabe als Redakteure hier eine Strategie zu kommentieren, bei uns geht es um die Inhalte. Du hast die zunehmende Wichtigkeit der Regionalität, die den Landesstudios sehr entgegenkommt, bei der wir uns als nationaler Sender natürlich ein bissl schwerer tun. Du hast, auf der einen Seite, den jungen Alternative-Bereich durch FM4 abgedeckt. Auf der anderen hast du – wenn wir jetzt in der Stadt bleiben – Radio Wien. Und dann noch Ö1 mit sehr wortlastigem Programm und Klassik. Ich finde, im Idealfall sollte man das so aufgestellt haben, dass man sich nicht gegenseitig ins Gehege kommt, weil es ja genug andere Konkurrenz gibt, gegen die es gemeinsam anzukämpfen gilt.
Aber ist Ö3 dann der Sender, der einfach unterhalten will?
Benny: Nicht nur. Was bei uns über allem steht, ist natürlich »Das Leben ist ein Hit«. Wir wollen Freude vermitteln, viel Musik spielen, die Leute durch ihren Tag begleiten. Aber wir haben ja auch irrsinnig viel Service, wir haben 24 Stunden am Tag Nachrichten …
Clemens: … und die größten Social-Aktionen in diesem Land. Aktuell wieder »Licht ins Dunkel« mit dem »Weihnachtswunder«. Dieses Engagement ist in der Ö3-Gemeinde ein ganz wichtiges Standbein – gemeinsam etwas zu bewegen.
Ist es im Sinne des öffentlich-rechtlichen Auftrags für euch auch ein Anspruch, österreichische Musik nicht einfach nur abzubilden, sondern auf gewisse Weise auch zu fördern?
Clemens: Die Förderung muss ja schon viel früher ansetzen. Wenn Musiker einmal bei uns landen, dann sind die ja hoffentlich schon gefördert – sei es eben durch die Industrie, sei es durch Vernetzung oder so. Unser Job ist es, es zu spielen, wenn wir von unserem Bauchgefühl der Meinung sind, das könnte den Leuten da draußen gefallen. Wir können ja nicht gegen den Willen der Leute programmieren, sonst sind wir schnell beim Wegklicken.
Benny: Aber was die Förderung betrifft: Es gibt eben den »Treffpunkt Österreich«. Da sind ja immer wieder Acts dabei, die man vielleicht nicht so kennt, bei denen man Hörerinnen und Hörer vielleicht auf den Geschmack bringt. Das ist ja auch ein Gedanke dahinter.
Ist die Sendung also auch eine Reaktion auf den Vorwurf, dass Ö3 österreichische Musik nicht ausreichend unterstützt?
Clemens: Die Sendung ist eine von vielen Maßnahmen. Es gab den »Soundcheck«-Bandwettbewerb, die Austrocharts, wir haben »Die neuen Österreicher« in ganz Österreich plakatiert, … Das war jetzt ein neuer Versuch, und der hat mit Abstand am meisten eingeschlagen, weil’s auch relativ einfach zu kommunizieren ist: »Treffpunkt Österreich« – österreichische MusikerInnen live zu Gast bei Ö3. Da kann ich sagen, mag ich, mag ich nicht, hör ich mir an, hör ich mir nicht an.
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