Sisters of Mercy treffen auf She Past Away, Type O Negative auf Cold Showers: Das Wiener Quartett Orgreave liebäugelt auf seiner Debüt-EP mit Synthpop und Postpunk, zitiert dabei aber auch Gothic Metal und Dark Wave.
Die Filmreihe »Small Axe« von Steve McQueen hat erst kürzlich eindrucksvoll gezeigt, dass die britische Polizei im vergangenen Jahrhundert ein eigenes autoritäres System hervorbrachte und dabei nicht gerade Samthandschuhe trug. Das bekamen vor allem People of Colour zu spüren, aber auch Gruppierungen, die gegen die Staatsmacht auftraten. So etwa die gegen Minenschließungen streikenden Bergarbeiter. Einer der gewalttätigsten Zusammenstöße zwischen Demonstrierenden und Polizei fand am 18. Juni 1984 beim sogenannten Battle of Orgreave statt. Diesen Demonstrierenden möchten Markus Bogad, Alex Kastner, Alex Lippmann und Konstantin Zehetner mit der Wahl ihres Bandnamens Tribut zollen. Ein starkes Statement, das bereits vermuten lässt, dass auch die Songs nicht unpolitisch sein werden.
Deutliche Statements
Alles andere wäre aber – ob der handelnden Personen – auch eher überraschend gewesen. Hat das Quartett doch schon vor ein paar Jahren als Doom-Metal-Band Iron Heel politische Statements in die nicht immer eindeutig positionierte Metal-Szene getragen. Mit Orgreave wird das nun in einer neuen Szene fortgesetzt und zwar in einer, die historisch durch zahlreiche Grenzüberschreitungen und Flirts mit der Ästhetik totalitärer Systeme immer wieder in einer Grauzone unterwegs war. Orgreave halten hier deutlich dagegen: »And when we dance / It’s like all those fascists / Were killed by the Komintern / And all the world turned red / And when we dance / It’s like Josef Stalin never happened / And there would still be hope«, heißt es etwa im Song »Komintern«.
Musikalisch sticht das titelgebende Stück eindeutig hervor: »Disassembly« ist ein tanzbarer Hit der dunkleren Sorte. Etwas ungewöhnlich ist, dass der Gesangsstil von Song zu Song variiert, was einen gewissen Einfluss von Peter Steele (Type O Negative) nahelegt – am deutlichsten zu hören beim abschließenden »Dead Chrome«. Insgesamt ist diese EP das gelungene Debüt einer Band, deren Musiker zuvor in etwas anderen Gefilden unterwegs waren. Die Herausforderung für Orgreave wird jetzt sein, diese neue Szene von sich zu überzeugen. An der Qualität der Songs dürfte es nicht scheitern.
Die EP »Disassembly« von Orgreave ist bei Electric Fire Records erschienen. Via Bandcamp ist eine limitierte Tape-Auflage erhältlich.