Wellen schlagen – Die Musikerin Oska zwischen Waldviertel, Wien und Nashville

Ein kurzer Blick in ihren Terminkalender verrät: Oska ist fast immer auf dem Sprung. Dazwischen wühlt sie im Waldviertel in der Erde, schreibt Songs und denkt darüber nach, warum es so wichtig ist, genau zu wissen, wo man steht. Am 1. Oktober führt die Musikerin und Songwriterin durch den großen Eröffnungsabend des Festivals Waves Vienna.

© Teresa Wagenhofer

Wenn sich selbst im Waldviertel kein Lüftchen mehr rührt und das Thermometer über die Dreißig-Grad-Marke klettert, stehen die Zeichen eindeutig auf Hitzewelle. Das bedeutet auch, dass im Grunde nur noch ein Sprung ins kalte Wasser hilft, um der lähmenden Schwere der sogenannten Hundstage zu entkommen. Doch um Kopfsprünge – im buchstäblichen wie auch im metaphorischen Sinne – wird es etwas später noch gehen. Jetzt nimmt Oska erst einmal einen großen Schluck Holundersaft und anschließend zwei Holzstufen auf einmal, um in ihr Zimmer im ersten Stock zu kommen.

Die heiße Augustluft liegt zwar schwer auf der kleinen Gemeinde unweit des Ottensteiner Stausees, drückt jedoch ganz und gar nicht auf die Laune der Musikerin. Vor etwa zwei Jahren sei sie nach einer längeren Zeit in Wien wieder in jenes Haus zurückgezogen, in dem sie aufgewachsen ist, sprudelt es aus ihr heraus. Schnell ist klar: Bei aller Reflektiertheit, die sich auch in ihren Songs ausdrückt, steckt die Musikerin voll brodelnder Energie, der man sich vermutlich nur dann entziehen kann, wenn man sich den Panzer einer Riesenschildkröte zulegt. Aber warum sollte man das überhaupt anstreben?

Wir haben es uns mittlerweile auf dem Boden ihres Zimmers gemütlich gemacht. Obwohl dieser Umstand nicht überinterpretiert werden sollte, sagt er dennoch etwas über die Songwriterin aus. Zum Beispiel, dass sie den Dingen gerne genau auf den Grund geht. »Früher habe ich mich immer von hier weggeträumt. Jetzt, wo ich so viel reise und unterwegs bin, finde ich es schön, immer wieder hierher zurückzukommen. Mir bedeutet dieser Ort sehr viel.«

Zwischen Tourneen, Songwritingaufenthalten und Verschnaufpausen in der Heimat ist Oska derzeit ständig auf Reisen. (Bild: Teresa Wagenhofer)

Im Wintergarten im Erdgeschoß des Hauses habe sie viele ihrer ersten Lieder geschrieben, erzählt sie. Einige seien aber auch in jenem Zimmer entstanden, in dem wir uns gerade befinden und das mit seiner Holzdecke und den Holzwänden an das Innere eine Gitarre erinnert. Erst gestern hat sie hier wieder an einer Songidee getüftelt. Abgesehen davon wühle sie einfach auch gerne mit den Händen in der Erde, hält die gebürtige Niederösterreicherin lachend fest. Und das geht im Waldviertel einfach deutlich besser als in Wien. »Wenn ich meiner Mama im Garten helfe, sehe ich sofort, was ich gemacht habe. Obwohl man beim Musikmachen im Idealfall am Ende auch ein Album in der Hand hält, ist das ein ganz anderes Gefühl.«

Full-Circle-Moment

Mit vier Geschwistern in diesem Haus aufzuwachsen, bedeutete, dass fast immer und überall musiziert wurde. Außerdem liefen ständig Songs der von ihrer Mama sehr geschätzten Joan Baez. »Weil ich mit ihrer Musik aufgewachsen bin, war es für mich ganz normal, dass eine Frau mit ihrer Gitarre auf Tour geht. Trotzdem haben mir in meinem direkten Umfeld die Vorbilder gefehlt. In dem Genre, in dem ich mich schon damals gesehen habe, gab es eigentlich kaum jemanden – bis Avec kam. Ihre Musik hat mir das Gefühl gegeben, dass ich das ja vielleicht auch kann und dass englischsprachige Musik mit tiefgehenden Texten in Österreich ihren Platz hat.«

Dass sie es kann und es diesen Platz in der österreichischen Musikszene gibt, erwies sich ziemlich schnell: 2020 unterschrieb Oska ihren ersten Plattenvertrag beim kanadischen Label Nettwerk und gewann beim Waves Vienna den XA Music Export Award. 2022 erschien ihr erstes Album »My World, My Love, Paris«, für das sie prompt einen Amadeus Award abstaubte. Im selben Jahr spielte sie über hundert Konzerte – unter anderem als Support-Act von Tom Odell. 2025 gewann sie erneut einen Amadeus Award, spielte auf Wunsch der Band vor Coldplay im Ernst-Happel-Stadion und veröffentlichte mit »Refined Believer« ihr zweites Album.

Bei der 2025er-Ausgabe von Waves Vienna wartet nun eine ganz neue Aufgabe auf die auftrittserprobte Künstlerin: Am 1. Oktober wird sie als Host durch das Programm der großen Eröffnungsgala im Volkstheater führen und gemeinsam mit Christina Stürmer, Josh, Yasmo, Oskar Haag, Hans Platzgumer sowie vielen anderen auf der Bühne stehen. Die Nettoeinnahmen des Abends fließen in ein neues UK-Residency-Programm im Frühjahr 2026.

»Ich dachte mir, dass ich im Rahmen dieses Abends gerne mit den Musiker*innen darüber sprechen würde, was sie am Anfang ihrer Karriere gebraucht hätten«, so die Musikerin. Dass bei Festivals wie Waves Vienna großartige Dinge entstehen können, sei für sie unbestreitbar, fügt sie hinzu. »Es ist einfach eine tolle Plattform für junge Musiker*innen – um zu spielen, aber auch, um miteinander in Kontakt zu kommen und sich als Teil einer Community zu fühlen. Bei mir war das damals auf jeden Fall so. Ich freue mich auch immer sehr über Erfolge von Kolleg*innen, denn im Endeffekt bringt es ja der ganzen Szene etwas, wenn jemand erfolgreich ist. Ich habe sowieso das Gefühl, dass es momentan sehr viel gegenseitige Unterstützung gibt.«

Auswahl an Requisiten gab es beim Shooting im Schiffmuseum Wien genug. (Bild: Teresa Wagenhofer)

Ihr Job bei der diesjährigen Eröffnung von Waves Vienna ist für Oska auch eine gute Gelegenheit, über jene Zusammenhänge nachzudenken, die sich für sie durch das Festival ergeben haben. Kurz einmal rauszoomen, weil das im Alltag ohnehin nur sehr selten vorkomme, wie sie betont. »Mir hat einerseits der Musikfonds sehr geholfen, andererseits auch der XA – Export Award, weil er zum einen dotiert und zum anderen an einen Auftritt beim Reeperbahn Festival geknüpft war. Dort hat mich wiederum Tom Odell gesehen, der mich dann als Support für seine Europatour angefragt hat.«

In jenem Haus, in dem sie 2003 das »Starmania«-Finale mitverfolgt hat, sprechen wir auch über Christina Stürmer – deren Vorbildwirkung und Einsatz für Newcomer*innen sowie die Tatsache, dass »sie einfach unser Popstar ist«. Was das bedeutet, bekam Oska diesen Sommer als Support-Act für die Musikerin hautnah mit. »Alle singen mit, alle können die Texte auswendig. Und alles, was Christina sagt und singt, wird immer Christina Stürmer sein. Deshalb werden die Menschen auch noch zu ihren Konzerten gehen, wenn sie sechzig ist.«

Positionierung statt Posing

Von ihrem eigenen sechzigsten Geburtstag ist Oska zwar noch ziemlich weit entfernt, trotzdem setzt sie sich immer wieder mit der Frage auseinander, was es bedeutet, als Frau im Musikbusiness älter zu werden. Sie erinnert sich in diesem Zusammenhang an zwei Dinge, die ihr von ihrem ersten Musiklehrer in Wien mit auf den Weg gegeben wurden: »Er meinte einerseits, dass man in Österreich nur mit Kommerzmusik erfolgreich sein könne. Und dann hat er noch gesagt, dass man es als Frau bis dreißig schaffen müsse, sonst schaffe man es gar nicht.«

Mit dieser Offenheit, die sich durch unser ganzes Gespräch zieht, spricht die Musikerin auch darüber, dass sie in der Vergangenheit immer wieder mit ihren Geburtstagen gehadert habe, weil diese stets mit dem Gedanken verknüpft waren, dass sie noch gar nicht dort sei, wo sie gerne sein würde. »Dann wird man älter und merkt, dass es nicht nur komplett egal ist, sondern auch, dass man in vielen Dingen immer besser wird. Ich weiß immer genauer, was ich will. Ich singe viel besser, ich performe viel besser und ich bin sehr viel selbstsicherer«, sagt sie und man glaubt es ihr sofort. Mit der Musikerin und Sängerin zu sprechen, bedeutet nämlich auch: Posing? Fehlanzeige. Positionierung? Ja, bitte.

Zudem wird rasch klar: Draußen ist es zwar windstill, aber in Oska beginnt ein kleiner Sturm zu toben, wenn sie über Themen wie Repräsentation und Älterwerden nachdenkt. Einer, den sie jedoch in geordnete Bahnen lenken kann, wenn sie darüber spricht – klar und offen und mit dem ein oder anderen zwischendurch eingestreuten »oag«.

Sich nicht zu fragen, wer man in Zukunft sein möchte oder ob man schon dort ist, wo man sein sollte oder zumindest gerne wäre, ist ein Themenkomplex, der die Musikerin auch bei der Arbeit an ihrem neuen Album »Refined Believer« sehr stark umtrieb. Und zu dem sie mittlerweile eine klare Haltung hat: »Am ersten Album haben wir sehr lange getüftelt, beim zweiten war es mir wichtig, dass ich mehr loslasse und die Dinge ein bisschen schneller von der Hand gehen. Kurz: Dass ich einfange, wo ich gerade stehe. Ich glaube, dass nichts Gutes dabei herauskommt, wenn man versucht, wo zu sein, wo man noch nicht ist.«

Oskas Wunsch, Momente festzuhalten, schließt ihr Bestreben danach, mehr los- und das scheinbar Unperfekte zuzulassen, im Übrigen überhaupt nicht aus. Wobei: »Mit Loslassen bin ich jetzt mal fertig«, sagt sie lachend. Die Gelassenheit, mit der sie den Satz ausspricht, unterstreicht, dass es tatsächlich so ist. Wobei das nicht bedeutet, dass man gewisse Dinge nicht ein Leben lang mitnimmt, weil sie einen auf bestimmte Weise geformt haben. So heißt es am Ende von »Refined Believer«, dem gleichnamigen letzten Song des Albums: »It’s gonna take all my life.« Trotzdem habe sich dann beim Schreiben des gerade entstehenden dritten Albums ein Gefühl der Befreiung eingestellt, erzählt sie. Sie sei nun wieder sehr viel näher dran an jener Angstfreiheit und Selbstverständlichkeit, mit der sie als Kind Musik gemacht habe.

»Ich mache mir schon sehr viele Gedanken, auch was meine Musik betrifft«, merkt sie mit ruhiger Stimme an. »Gleichzeitig bin ich viel selbstsicherer als früher und kann viel besser mit kritischen Bemerkungen umgehen. Für mich ist das Wichtigste, ins Tun zu kommen. Wenn ich länger nicht gespielt habe, ist die Überwindung oft groß und es tauchen negative Gedanken auf. Setze ich mich dann aber hin und spiele, lege ich die Gitarre zwei Wochen nicht mehr aus der Hand. Es hilft auch, sich jeden Tag daran zu erinnern, dass ich gerade richtig glücklich bin mit meinem Leben.«

Ab nach Nashville

Wie viel selbstsicherer sie sich mittlerweile auch in Sessions fühlt, wurde ihr unter anderem bewusst, als sie für die Arbeit an ihrem dritten Album nach Nashville flog. Ein weiterer Aufenthalt in jener Stadt, die unter anderem für Taylor Swift wegweisend war, ist bereits fix eingeplant. »Das Schöne an der Arbeit dort ist unter anderem, dass es den Leuten egal ist, wo du herkommst. Den Menschen, mit denen ich dort arbeite, geht es einfach darum, einen guten Song zu schreiben – dem Song zu dienen. Sie lassen ihre Egos draußen. Das finde ich toll.«

Insgesamt hätte sie die Stimmung in der für ihre lange Songwriting-Tradition bekannten Stadt als sehr beflügelnd empfunden, fügt sie hinzu und erinnert sich dabei unter anderem an folgende Situation: »Ich war zum Schreiben bei einem Songwriter zu Hause und als er das Fenster geöffnet hat, um ein bisschen Luft reinzulassen, habe ich gehört, dass jemand aus der Nachbarschaft auch gerade einen Song schreibt.«

Musizieren ist für Oska schon seit ihrer Kindheit im Waldviertel fixer Lebensbestandteil. (Bild: Teresa Wagenhofer)

Wir sprechen über ihr drittes Album, bei dem die Gitarre möglicherweise etwas weniger präsent sein wird als bei den beiden Alben davor, und auch noch einmal darüber, wie wichtig es ist, sich nicht zu vergleichen und zu erkennen, wo man gerade steht. Aber manchmal eben trotzdem ins kalte Wasser zu springen. Schließlich landen wir bei der Frage, ob weibliche Artists dem Druck, sich ständig neu zu erfinden, verstärkt unterworfen seien. »Ich finde, dass man, wenn man beispielsweise an die Shows von Chappell Roan oder Sabrina Carpenter denkt, schon sehen kann, dass von Frauen im Musikbusiness mehr erwartet wird als von ihren männlichen Kollegen. Das macht auch mir Druck. Andererseits macht es auch Spaß, sich ein Bühnenbild auszudenken und Sachen anzuziehen, die ich im Alltag nicht tragen würde.« Lachend fügt sie hinzu: »Ich war eine eher brave Jugendliche – vielleicht hole ich gerade das ein oder andere nach.«

Ein Gedanke hallt nach dem Gespräch noch lange nach: Wissen, wo man gerade steht, hin und wieder aber auch springen. Zum Beispiel ohne Erfahrung und Anleitung ins Musikbusiness oder auch in den Flieger nach London oder Nashville. Nur von dem einen Felsen wollte sie nie hüpfen, macht Oska klar. Wir sitzen mittlerweile an ihrem Lieblingsbadeplatz am Ottensteiner Stausee und sie zeigt auf einen etwa fünf Meter hohen Felsblock am gegenüberliegenden Ufer. Dann wird die Gitarre ausgepackt. Gemeinsam mit ihrer Mama singt sie noch ein paar Songs. Es wird langsam dunkel, die Musikerin klopft sich den Waldboden von der Hose und verabschiedet sich mit einer herzlichen Umarmung. Wir sehen uns am Waves Vienna.

Oska wird am 1. Oktober durch den Eröffnungsabend von Waves Vienna 2025 leiten. Gemeinsam mit ihr werden auch Christina Stürmer, Josh, Teya, Yasmo, Hearts Hearts, Farce, Hans Platzgruber und Oskar Haag auf der Bühne des Volkstheaters stehen.

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