Kerri Chandler besiegelt am 15.1 das Ende des Strom.Club. Wendelin Amtmann spricht mit uns über das Älter-Werden, Porno-Darstellerinnen und Hayden fucking James.
8 Jahre gibt es ihn schon. Wenige Veranstalter haben es in der Wiener Club-Szene bisher so gut verstanden ihr Publikum so konstant bei der Stange zu halten. Matthias Papst und Wendelin Amtmann haben den Dreh raus. Über den musikalischen Zugang kann man geteilter Meinung sein. Das wissen sie selbst. Der Erfolg ihrer Vermarktung spricht auf der anderen Seite eine eindeutige Sprache. Sie machen zusammen mit der Pratersauna einen Schlussstrich unter den Strom.Club. Doch da gibt es ja noch eine Brotgeburt.
Ihr gehört ja verhältnismäßig schon zu den Club-Greisen. Fühlt ihr euch auch so?
Nein. Natürlich ist das ewig lang, dass es uns gibt. Wir haben schon sehr viele Veranstaltungen gehabt und viel Erfahrung, aber wir haben relativ früh begonnen im Gegensatz zu den meisten anderen. Wir haben angefangen, als ich 18 war und jetzt bin ich 26. Das ist schon eine Ewigkeit mittlerweile, aber nachdem wir das Konzept immer wieder neu gemacht haben, ist es frisch und jung geblieben. Wir würden auch nach wie vor weiterveranstalten, aber mit der Pratersauna ist unsere Homebase auch irgendwie verloren gegangen, in der wir uns beide wohl fühlen.
Eure musikalischen Zugänge sind ja recht divers. Zwischen Crystal Fighters, Midland und Bondax bestehen ja doch große Unterschiede. Man könnte behaupten eure Gäste kommen nicht wegen der Musik. Was glaubt ihr, schätzen sie am Strom.Club?
Das ist eine gute Frage. Wir haben ja über die Jahre quer durch die Bank gebucht. Das sind wirklich Kraut und Rüben gemischt. Wir haben ja auch Rustie gehabt, der eher ein Future Bass Act ist und dann wieder Shadow Child, der wieder ganz was anderes ist. Dann DJ Hell, also klassischer deutscher harter Techno. Ich glaube Strom.Club erwischt immer etwas, was den Leuten gut gefällt und einen gemeinsamen Nenner hat. Strom.Club als klares Musik-Konzept, das gibt es nicht. Auch deswegen, weil wir das so lange machen und sich unser Musikgeschmack auch massiv verändert hat. Von Elektro zu House/Deep-House dann wieder zu Techno. Jetzt sind wir zu Hip Hop gedriftet.
Warum die Leute kommen? Ich denke wir haben einen schönen und sauberen Auftritt gerade mit den Videos. Die Leute merken, dass da viel Arbeit und Liebe dahinter steckt. Wir haben uns selber scherzhaft gefragt, wie es der Strom.Club über all die Jahre geschafft hat, die Balance zwischen Mainstream und Cool-Sein zu halten. Wir wissen es selber nicht.
Die künstlerische Diskrepanz zwischen Jessy Andrews und Kerri Chandler ist ja eher unüblich.
Zum Beispiel oder? Lustigerweise gehen auch solche Spaß-Bookings. Auch Die Vögel zu Halloween. Das war ja auch mehr Spaß als ein ernstzunehmendes Booking. Zu Halloween ist es lustig, aber normalerweise würden wir sowas nicht buchen.
Wie traurig seid ihr, dass es die Pratersauna in der alten Form nicht mehr geben wird?
Ich bin wirklich sehr traurig. Für mich war das der einzige Club, den ich richtig geil finde. Die Forelle finde ich auch geil, aber das ist aktuell einfach ein Riesen-Club. Bei der Sauna war es nett unterteilt.
Hennes von der Pratersauna meinte, er könne sich nicht mehr so in das junge Sauna-Publikum hineindenken. Geht es oder ging es dir mit deinen Gästen irgendwann auch so?
Das stimmt schon. Man wird älter und die Interessen verschieben sich. Das ist auch ein Mitgrund, warum wir mit dem Strom.Club ruhiger treten wollen, weil wir uns beruflich auch anders entwickelt haben. Musikalisch bekomme ich es schon halbwegs mit.
Wir machen das schon seit 8 Jahren, das heißt unsere Freunde sind zwischen 25 und 30 und die gehen auch nicht mehr so oft zu unseren Clubs. Jetzt ist es teilweise so, dass wir bei Strom.Clubs nur 10 bis 15 Leute kennen. Wir wollten immer mit unseren Freunden Party machen. Aber so Pensionisten wie Stefan und Hennes simma ned.
In der letzten Zeit gab es ja immer wieder große Rauner, wenn es um Wiens Clubkultur ging. Zu wenig mittelgroße Clubs, Vergnügungssteuer, zu hohe Mieten, zu wenig Interesse an anspruchsvollen Acts. Wie seht ihr die Wiener Clubkultur außerhalb des Strom.Club?
Mit der Sauna fällt für mich schon der Haupt-Club weg. Es gibt nur noch die Forelle, den Volksgarten, die Passage und für Hip Hop gibt es dann noch das Leopold. Das wars für mich clubtechnisch. Vielleicht ist die Auslage noch irgendwo dazwischen, aber mit der habe ich mich nie richtig angefreundet.
Es fehlt ein mittlerer Club. Die Pratersauna war für mich so ein Zwischending aufgrund der räumlichen Situation und von der Atmosphäre her. Wahrscheinlich würden wir weitere Veranstaltungen im Leopold oder der Forelle machen. Da brauchst du aber auch das nötige Kleingeld.
Ich würde mir mit 18 Jahren nicht mehr zutrauen in der Forelle zu veranstalten. Da musst du schon einige 1000 Euro in die Hand nehmen. Das musst du wollen. Das war bei uns damals anders im Badeschiff. Die Kosten für den Abend waren ok. Mittlerweile kosten die Events ein Vielfaches. Das ist schon ein großer Sprung.
Ihr hattet einige Komplikationen mit Jamie XX. Gab es andere schwierige Artists?
Rustie war da, auch mit großen Schwierigkeiten. Er ist irgendwann um 2 Uhr in den Club gekracht, dann auf die Bühne gegangen und hat gemeint, es fehle ein Teil und ohne dem könne er nicht spielen. Davon ist nichts am Rider gestanden. Er hat das gewusst und nur gemeint, dass er immer Probleme deshalb hat, weil sein Manager immer vergisst es reinzuschreiben. Der Techniker von der Pratersauna ist dann um halb 3 mit dem Auto nach Wiener Neustadt zu sich nach Hause gedüst und hat das scheiß Teil geholt. Rustie hat dann um halb 4 angefangen zu spielen.
Wieso wolltet ihr mit Schwarzbrot ein zweites Clubformat?
Wir hören beide gerne Hip Hop und haben uns gedacht, dass sich das schlecht mit dem Strom.Club-Brand verträgt. Ganz durchmischen wollten wir es dann nicht, obwohl wir anfangs zweigleisig mit Strom.Club x Schwarzbrot gefahren sind. Mit Schwarzbrot haben wir dann dieses zweite Format aufgemacht, wo wir unsere Future Bass und Hip Hop Sachen reinballern und ein Brand geschaffen haben, das lustiger ist und mehr aneckt. Strom.Club ist eher breit aufgestellt.
Man hat den Eindruck, dass Schwarzbrot euch musikalisch mehr Spaß macht.
Wir finden beide, neue Projekte sind lustiger als so etwas Altes, was sowieso immer super läuft. Beim Strom.Club müssen wir unter Anführungszeichen nicht allzu viel machen. Es kommen trotzdem 600 Leute. Bei Schwarzbrot kommen ab und zu 200 ab und zu 700. Das ist bisschen ein Glückssache. Deswegen bemühen wir uns doppelt. Schwarzbrot interessiert die Leute weniger – was nicht ganz angenehm, aber dafür eine neue Herausforderung ist.
Wie macht ihr weiter?
Bei uns war das eher ein Hobby als eine hauptberufliche Tätigkeit. Club-Veranstaltungen sind keine Goldgrube. Unsere große Leidenschaft ist Musik. Wir haben das immer nebenbei gemacht und es bleibt nach wie vor genug Zeit dafür. Ich höre beispielsweise Musik auf Youtube und denke mir "geiler DJ" oder "super Hip Hop Artist", den könnte man ja einladen. Dadurch verbinden wir unser Gefallen an Musik mit persönliche Traumbookings wie zum Beispiel Jamie XX oder Shlohmo. Strom.Club wird aufhören, aber wir werden mit Schwarzbrot im Café Leopold eher unregelmäßig weitermachen.
Der letzte Strom.Club ist am 15.1 in der Pratersauna mit House-Gott Kerri Chandler.
Schwarzbrot findet wieder am 18.3 im Café Leopold mit Hayden James statt.