David Jerina belebt seit rund 20 Jahren das Wiener Nachtleben und bietet auf Mottopartys Ausgelassenheit und Musikliebhaberei.
Als professioneller Partymacher ist David Jerina einer der langlebigsten Unterhalter im Wiener Nachtleben. Mit seinen Mottopartys 90ies Club, 2000s Club, 2010s Club und seit einem Jahr auch der Power Disco dominiert er das Nachtleben an den Samstagen im Wiener Loft. Den eigenen Ideen und Überzeugungen, wie der Notwendigkeit von mindestens zwei Floors, ist er dabei über all die Jahre treu geblieben. So wie er von der Balance zwischen Party-Musik und jenen Songs, die ihn selbst begeistern, nicht abrückt. Begonnen hat für den mittlerweile 41-Jährigen alles in seiner Kärntner Heimat. Seine Eltern haben ihn schon als Kind in die Discos und Clubs des Touristenorts Velden mitgenommen und »die Begeisterung für laute Musik und bunte Lichter hat seitdem nicht nachgelassen«, sagt er selbst. In Erinnerung ist ihm dabei DJ Hansi in der Disco Chic – seine Begeisterung führt er rückwirkend darauf zurückzuführen, dass Hansi eben DJ war und »Anfang der 90er-Jahre waren DJs Götter«.
Nachtleben im Panoramaheim
Nicht ganz untypisch begann David seine Veranstaltungen im jungen Studentenalter – eher ungewöhnlich ist, dass es ihm gelungen ist, davon zu leben und bis heute dabeizubleiben. Mit 18 kam er zum Studieren – es sollte Architektur sein – nach Wien, wobei er das Studieren selbst unter Anführungszeichen setzt. Denn die Praxis sah schnell anders aus. Er bezog ein Zimmer im Studierendenheim, in seinem Fall im Panoramaheim im 20. Bezirk, und wurde schnell einer der fleißigsten VeranstalterInnen von Studierendenpartys im Keller des Hauses. Dabei war zwar die Musik durchaus wichtig, David begann aber erst später, auf seinen Partys auch aufzulegen, und konzentrierte sich zu Beginn auf die Organisation. Gespielt wurden 70er-Hits und Musik, die man später wohl Indie oder Alternative nennen sollte. Die Partys waren erfolgreich, wozu auch der über den eigenen Ausschank günstig gehaltene Bierpreis und das Vorhandensein von genügend Publikum direkt im Heim beitrugen. Gemeinsam mit seinem Kollegen Jens begann er schon damals, den »kreativerweise Saal 1« genannten Mehrzweckraum als zweiten Floor zu bespielen. Möglich machte dies der Umstand, dass dieser für Kulturveranstaltungen genutzt werden konnte, wozu auch Events mit dem Ersten Wiener Heimorgelorchester, Maschek oder Stermann und Grissemann gehörten. Sein prominentester Gast-DJs war nach einer Podiumsdiskussion DJ Red Fred. Ein gewisser Alfred Gusenbauer, der während seiner Studienzeit im Panoramaheim gewohnt hat und in den 80ern dort selbst für die Musik gesorgt hatte. 2007 wurde DJ Red Fred Bundeskanzler.
Partys im U96
Ohne Erfolge im Studium musste er irgendwann in der zweiten Hälfte der 90er-Jahre das Studierendenheim verlassen. Als Wohnort fand er von da an über viele Jahre eine WG in der Wiener Stumpergasse, die selbst teilweise zum belebten Hot Spot wurde. Und David zu einem Gastgeber mit ordentlich Schmäh mit Hang zur Deftigkeit. Als Veranstalter galt es nun, sich in »freier Wildbahn« zu beweisen: »Dagegen war das Heim mit seinen vielen Leuten vor Ort schon so etwas wie eine geschützte Werkstätte«, erinnert er sich an diese Umstellung. Gemeinsam mit DJ Elk und Matthias Zacek veranstaltete er im November 2003 dann den ersten 90ies Club im U96 in der Nussdorfer Straße. Diverse 80er-Partys waren damals schon beliebt – »warum also nicht auf ein neues Jahrzehnt setzen«. Auch hier wurden zwei Floors bespielt. Nachdem die beiden Kollegen sich nach zwei, drei Jahren vollständig anderen Projekten zuwandten, übersiedelte David erst ins Bach, dann ins Weberknecht und von dort in den Keller des Hotels Donauwalzer. Das war in den Nuller-Jahren eine beliebte, wohl nicht wirklich genehmigte Location für DIY-Events und der Ort, an dem der 90ies Club zum ersten Mal so richtig aufging. Von dort ging es ins Badeschiff und, nachdem dort der obere Floor für wilde Partys gesperrt wurde, 2011 ins Loft. Und dort wurde der Club endgültig zur großartig laufenden Partyreihe.
Party als Job
Das bei den Partys erworbene Event-Know-how nutzt David in den letzten Jahren vermehrt auch als Einnahmequelle neben den eigenen Partys: Er veranstaltet Events für Unternehmen oder legt selbst bei Hochzeiten auf. So etwa auch die Jugendwahlkampfpartys von Heinz Fischer 2004 in ganz Österreich. Und immer wieder kommt der Fan in ihm durch – etwa wenn er als großer Nirvana-Fan seit mindestens 2010 jeden 5. April ein Kurt-Cobain-Tribute mit Coverbands gemeinsam mit Sir Tralala veranstaltet. Da sind dann auch schon Wanda oder auch Voodoo Jürgens aufgetreten, bevor ihr großer Erfolg kam: »Ich bin da streng und will wirklich nur Coverversionen, und Wanda wollten unbedingt einen eigenen Song spielen«, erinnert er sich. Dazu kamen noch weitere Eventreihen mit klar verständlichen Mottos: Es folgte der 2000s Club, der vom Jetzt ins B72 und von dort ins Loft zog, der 2010s Club und zuletzt vor einem Jahr Power Disco. David selbst macht das gut vorstellbar: »Wir spielen hier unten am zweiten Floor den ganzen Abend Nummern, die man sonst nur in den zehn Minuten vor Sperrstunde hört – fürs Weinen.« Die letzten beiden veranstaltet er gemeinsam mit Christoph Hofer*, einem ausgewiesenen Musikenthusiasten. Dieser beschreibt Davids Erfahrung und professionellen Umgang mit den Wünschen und Eventabläufen und erzählt grinsend, dass David wie bei den Coverversionen auch streng sein kann: »Wenn man als DJ bei einer Party eine Nummer aus einem falschen Jahrzehnt spielt, kann es schon sein, dass man einen Rüffel bekommt.«
Keine Berührungsängste
Die Power Disco zählt zu Davids persönlichen Lieblingen. Und so wie er bei seinen anderen Partys Wert auf Handwerk legt und DJs auflegen, die sich nicht nur darauf verlassen, dass die größten Hits vom betrunkenen Partypublikum sowieso gefeiert werden, sorgt er hier mit Leuten wie Rodney Hunter oder Antonio La Regina von 88.6. für Abwechslung hinter dem DJ Pult. Wichtig ist ihm dabei immer die Balance: ein Floor, der eher Hit- und partylastig bespielt wird, und einer mit leicht nischigerer Musik. Musikalische Berührungsängste haben die meisten DJs sowie David selbst keine und im besten Fall versehen sie ihre Tätigkeit mit einem gewissen Augenzwinkern. Eine gastfreundliche Stimmung, die auch Patrick Pulsinger oder Christopher Just gern bei David auflegen lässt. Es geht ihm darum, dass die Leute wegen der Musik kommen: »Damit sich Leute auskennen, müsste ich den zweiten Floor wohl immer FM4-Floor nennen«, erklärt er den Unterschied. Die Marke FM4-Musik sagt eben doch etwas aus. Selbst Christian Schachinger ließ sich 2013 zu zehn Jahre 90ies Club zu folgendem Zitat hinreißen: »Ich konnte mir nicht vorstellen, dass Cypress Hill oder Rage Against The Machine jemanden zum Tanzen bringen, mit dem ich reden möchte. Heute weiß ich es besser. Danke Weltjugend, danke David Jerina. PS: Und danke für den Wodka.«
Ein feines Netzwerk
Über die Jahre hat sich David nicht nur alle Samstage im Loft erspielt, sondern auch ein Stammpublikum, das je nach Club unterschiedlich alt ist. Er will mit den Eintritten immer kalkulierbar und leistbar bleiben und hat vom Wegfall der Vergnügungssteuer wie andere Veranstalter und Locations profitiert. Die meisten seiner Gast-DJs beschreiben David darüber hinaus als akkuraten Planer – er selbst nennt sich da durchaus Perfektionist. Er weiß Wochen im Voraus die Abläufe seiner Events, und die MusikerInnen können sich darauf verlassen, Backstage die gewünschten Getränke vorzufinden: »Wenn wir aufsperren, ist alles schon erledigt«, meint er. Das macht es einerseits leichter auf Unvorhersehbares zu reagieren und zum anderen lässt sich so selbst die Party mit dem einen oder anderen Getränk genießen. Im Laufe der Jahre hat sich außerdem ein feines Netzwerk in Wien ergeben, auch mit Medienleuten, die seine Partys ankündigen und bei manchen Events ihre Lieblingsplatten spielen. Dass er mit seinen Mottopartys nicht vollständig eigenständig agiert, ist ihm dabei vollkommen klar: »Jeder oder jede hat das Recht, eine 90er-Party zu machen – ich ärgere mich aber nur, wenn Leute meine Ideen offensichtlich kopieren und etwa die falsche Schreibweise meines Clubs klauen.« In seine Heimat Kärnten kommt David nur zum Urlauben – musikalisch sind die Events speziell in Velden seiner Meinung nach vollkommen uninteressant: »Da geht es nur darum, Champagnerflaschen zu verkaufen.« Dabei spürt auch er, dass sich das Wiener Studierendenleben verändert hat und es keine »Bummelstudenten« mehr gibt: »Als wir begonnen haben, waren Donnerstage die besten Abende, heute braucht man unter der Woche nichts mehr versuchen.« Dafür gibt es heute Facebook, das es ihm leichter macht, den Kontakt zu den Gästen zu halten. Wie lange er noch Partys machen kann und will, weiß er nicht. Mit dem ihm eigenen Schmäh lässt er aber keinen Zweifel daran, dass er eigentlich nicht vorhat, an seiner Profession je etwas zu ändern.
Ende 2017 feiert David Jerina nun eine Menge Jubiläen und eine Premiere: Im November jährte sich Power Disco zum ersten Mal, am 2. Dezember gibt es eine 5-Jahre-Party für den 2000s Club, bei dem unter anderem Max »Moogle« Zeller und Stefan Niederwieser für »Minimalbretter« auf einem dritten Floor sorgen sollen, und zu Silvester wird er das Loft erstmals auf vier Floors mit allen seinen Clubs bespielen.
* Disclaimer: Der im Text erwähnte Christoph Hofer steht unter anderem als Gesellschafter von Monopol in einem Naheverhältnis zu The Gap.