Kaum ein Entertainer hat die Szene derart aus dem Hintergrund geprägt wie der Anka. Sein Wort gilt in Las Vegas, als Performer ist er Weltklasse und seine über 900 Lieder sind pures Gold quer durch die Generationen. Am 3. November gastiert der Ausnahme-Künstler in der Wiener Stadthalle.
Propere Optik hat schon vielen zu einer zumindest kurzweiligen Karriere verholfen. Und man mag der Schönheit auch nicht die Begabung, das Talent oder die nötige Disziplin absprechen. Doch signifikant oft sind es die von Mutter Natur optisch nur mittelmäßig Gesegneten, die sich länger an der Spitze des Showbiz halten. Das wohl universellste Talent als Performer – Sammy Davis Jr. – hatte tatsächlich wenig Bonus vom Start weg. Farbig, jüdisch, kleinwüchsig, verkanntete Gesichtszüge und einäugig waren wenig Attribute zur vielzitierten Chancengleichheit in der Mitte der vorigen Jahrhunderts am amerikanischen Markt. Wäre heutzutage nur dezent besser.
Überraschung: Paul Anka ist nicht nur ein Hund bei den Gilmore Girls. Auch er war nicht das Glanzlicht der weiblichen Träume, wenn auch nicht derart geschlagen. Als Kanadier und Sohn libanesischer Einwanderer war ihm in den USA der gestrengen McCarthy-Ära das Belächelt werden sicher, Argwohn gratis anbei. Trotzdem avancierte klein Paulchen als minderjähriger Inhaber eines Plattenvertrages schnell zum Liebling der braven Teenager und warf nur so die Millionseller raus. Sein untrügliches Gespür für eine gute Hookline mit klarer Melodie bei sauberer Darbietung ließ Anka schnell ein beachtliches Repertoire schreiben. Trotzdem war der Mann ohne Skandale nicht immer als Sänger seiner Songs gefragt und andere charismatische Stars bekamen die Perlen. Langfristig kein Fehler, denn die Tantiemen begannen zu sprudeln. Als erster Künstler überhaupt begriff Anka die Wichtigkeit der Rechte in der eigenen Tasche und kaufte schon in den Sechzigern seinen Backkatalog für ein paar Millionen Dollar von den Plattenfirmen zurück. Gerade in unseren Tagen wieder ein topaktueller Gedanke. Seit damals hat er diese Ansicht beibehalten und ist bestens durch die Jahre gekommen. Ebenso früh realisiert der Kanadier, dass es eine Welt außerhalb des amerikanischen Showbiz gibt, japanische, spanische, französische, italienische und deutsche Alben zeugen davon. Alleine wenn man an die Einnahmen durch sein „My Way“ (abgeleitet von „Comme D’habitude“) denkt, das erst ein Frank Sinatra zum Hit machte oder "She’s a Lady" für Tom Jones kann einem schwindlig werden. Oder “Diana” – eine der zehn meist verkauften Singles aller Zeiten – , “Lonley Boy” (Guten Tag, Goleador Krankl!) ”Put Your Head On My Shoulder” und die feine „Steel Guitar And A Glass Of Wine“. Der gute Mann an Gitarre, Schlagzeug und Klavier hatte schon mit 18 Jahren fünf Millionseller aus eigener Feder im Köcher.
Stopp! Was hat der Mann eigentlich hier auf thegap verloren? Zum einen spielt Anka am 3. November in der Wiener Stadthalle und sooft wird man ihn wohl nicht mehr hierorts erleben können. Und zweitens wäre da der interessante Aspekt, dass der noch immer flotte 70-Jährige wie kein anderer lebender Künstler seiner Ära Brücken in die Gegenwart spannt und vorbildlich intelligent agiert. Als einer der letzten Könige von Las Vegas hat sein Wort dort tatsächlich Gewicht, ohne dass er wie das Ratpack durch die Mafia inhaliert ist. So ist es Anka, der Michael Buble als seinen Nachfolger aufgebaut, platziert und durchgesetzt hat. Er verehrt Kollegen wie Stevie Wonder, Sting, Joni Mitchel, Elvis Costello oder Prince und arbeitet mit ihnen. Seine enorm erfolgreichen „Rock Swings“-Alben – produziert mit dem ehemaligen Techno-Macher Alex Christensen – mit jazzigen Coverversionen von Oasis, Van Halen, Bon Jovi, R.E.M. über Soundgarden, Nirvana bis zu The Cure, Michael Jackson, den Pet Shop Boys, Cyndi Lauper und Billy Idol eröffnete ihm ein neues Publikum. Die Lieder wurden tatsächlich von ihm ausgewählt, noch dazu hatte er – wenig bekannt – mit einigen Künstlern wie Jackson oder den Killers abseits der Gazetten väterlich am Songwriting gearbeitet. Solche Stars könnten sich von der Gabe und Konsequenz eines Anka einiges abschneiden. Als Betreiber eines der letzten richtig großen, erstklassig besetzten Big Band-Orchester steht der Libanese noch immer seine gut geplanten 35 Wochen pro Jahr auf der Bühne. Sein Umgangston für sein Gegenüber ist als schwerreicher Superstar erstaunlich freundlich, offen und witzig. Was mit der praktisch skandalfreien Karriere des Vaters von fünf A-Töchtern (Amelia, Anthea, Alicia, Amanda, Alexandra) einhergeht. Nach weit über 900 Liedern und 128 verschiedenen Alben in sechs Dekaden ist es noch immer die Disziplin und der Respekt gegenüber seiner Tätigkeit, die Paul Anka an unter den 20 erfolgreichsten Künstlern aller Zeiten der Billboard-Statistik hält. Chapeau! Bleibt nur noch einer gewissen Diana Ayoub zu danken. Denn die Schwärmerei für die Babysitterin brachte Paul Anka die Inspiration für den Welthit “Diana“.
Paul Anka
Stadthalle Wien
Donnerstag, 3.November 2011, 20:00 Uhr