Philip Hautmann ("Yorick") im Interview

„Man sollte um die Welt schon besorgt sein, wenn man ihr was mitteilen will“ – der Autor Philip Hautmann über seinen Roman „Yorick“.

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Sie haben ein Hybrid-Buch geschrieben. Können Sie unseren Lesern erklären, was das ist?

Das Konzept ist eine Idee des Trauma Wien Verlags, der neue Wege sucht, das Medium Buch zu erweitern. Auf jeder sechsten Seite sind unten Marker angebracht, über die man mit einer Software dazugehörige Informationen aufrufen kann. Derzeit sind beispielsweise Fotos von Büchern aus meiner Bibliothek hinterlegt, die zu den entsprechenden Passagen passen. Von Sternes „Tristram Shandy“ bis zu Marx‘ „Kapital“.

Ist es Absicht, dass die Bezeichnung "Roman" auf dem Buch fehlt?

Hm, nein, das wurde nicht bedacht und ist auch noch keinem aufgefallen. Ich würde „Yorick“ als Roman bezeichnen, der was mit einem Anti-Roman gemeinsam hat, der mit der Romanform spielt, und in der Tradition entsprechender Autoren steht, wie Laurence Sterne oder Samuel Beckett. Durch eine schwungvolle Geste am Schluss wird er allerdings wiederum zu einer Einheit zusammengefügt.

"Yorick" ist Ihr erstes Buch. Wie lange haben Sie daran geschrieben?

Das Schreiben des Romans hat zweieinhalb Jahre gedauert. Danach gab es noch kleinere Überarbeitungen und natürlich die Verlagssuche.

Habe Sie versucht, den Roman bei einem der größeren Verlage unterzubringen? Sie machen sich im ersten Teil ja auch über den aktuellen Literaturbetrieb lustig.

Ja, ich habe es bei allen Verlagen versucht. Nur die Frankfurter Verlagsanstalt des Joachim Unseld hat auf das Manuskript reagiert. Nach einer ersten Absage meldeten sie später dann doch noch Interesse an. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich bereits mit dem Trauma Wien Verlag geeinigt. Meine Erfahrungen bestätigen aber die Beobachtung, dass neue Bücher nur selten durch das Einschicken von Manuskripten zustande kommen. Allerdings mache ich mich ja weniger über den Literaturbetrieb lustig, als über Autoren, die glauben, mit sehr eigenartigen Einsendungen dort offene Türen einzurennen. Damit habe ich ja mehr Erfahrung, hehe.

Ihr Buch unterscheidet sich inhaltlich und ästhetisch sehr von dem, was im deutschsprachigen Raum sonst literarisch publiziert wird.

Grundsätzlich und in erster Linie interessiere ich mich für den Geist und für das was Geist hat. Insofern interessiere ich mich für Literatur primär dann, wenn sie Geist hat. Intensiv mit Literatur habe ich mich erst dann beschäftigt, als es mit meiner wissenschaftlichen und sonstigen Karriere nicht funktioniert hat. Zu diesem Zeitpunkt entstand diese Romanidee. Der Schreibprozess war mit vielen Unsicherheiten verbunden, eben aufgrund der Ungewohntheit der Form. Erst nachdem die Hälfte des Buches fertig war, hat sich das gefestigt. Literatur wird ja oft von (ehemaligen) Germanistikstudenten geschrieben und dann von (ehemaligen) Germanistikstudenten lektoriert. Die haben halt alle eine bestimmte Auffassung von Literatur, die relativ uniform ist, wie mir scheint.

Ihr Buch ist voller Anspielungen auf die Weltliteratur. Nicht zuletzt hat Ihr Yorick einige Gemeinsamkeiten mit dem Pfarrer Yorick aus "Tristram Shandy". Lesen Sie lieber Klassiker als Gegenwartsliteratur?

Ja. Klassiker sind die Bücher, die ausgesiebt und übrig geblieben sind, und daher per se schon interessant. Derzeit lese ich aber vor allem Sach- und Fachbücher.

Welche Klassiker der Weltliteratur sind Ihre Favoriten?

Was mich an Romanen interessiert, ist die Darstellung der allgemeinen menschlichen Situation anhand besonderer Fälle. Das ist ja auch die Aufgabe von Romanen. Ich lese persönlich gerne die Humoristen und Satiriker, allen voran Sternes „Tristram Shandy“. Gogol schätze ich als großen Charakterdarsteller. Beckett und Bernhard haben den „Yorick“ mit beeinflusst, wobei Bernhard ja noch zur Gegenwartsliteratur zählt.

„Yorick“ enthält umfangreiche Exkurse über Religion und Neoliberalismus: Wollen Sie den „Yorick“ als dezidiert politischer Roman verstanden wissen bzw. verstehen Sie sich auch als politischen Autor?

Ich verstehe mich durchaus auch als politischen Autor, allerdings ist das nur ein Aspekt unter vielen. Ich komme ja ursprünglich von der linken Studentenbewegung her, auch wenn ich mich inzwischen davon emanzipiert habe. Vor allen Dingen kann ich es aber nicht fassen, wie sehr die Erzeugnisse der jüngeren deutschsprachigen Schriftstellergeneration thematisch hauptsächlich um Ego- und Beziehungs-, fast schon nur mehr um Lifestylegeschichten herum kreisen!

Klar, wir haben keinen Krieg oder dessen Nachwirkungen miterlebt, die gesellschaftlichen Verhältnisse sind stabil und die Inhalte unserer Lebenserfahrungen, aus denen wir schöpfen können, gewissermaßen gleichförmig und langweilig, aber ein bisschen mehr um die Welt, in der man lebt, sollte man doch schon besorgt sein, wenn man eben der Welt was mitteilen will. Was die beiden Exposés angeht, enthalten diese natürlich nicht alles, was ich zu den beiden Themen zu sagen hätte. Dafür sind Religion und Neoliberalismus zu komplex. Religion zum Beispiel hat ihren Grund in erster Linie in emotionalen Bedürfnissen, weshalb Menschen ihre Religion meist unkritisch übernehmen.

Vieles deutet darauf hin, dass „Yorick“ in Wien spielt, auch wenn Sie mit expliziten Ortsangaben sehr zurückhaltend sind. Manches lässt auch an Linz denken. Ist „Yorick“ ein Wien-Roman?

Nein, der Roman ist eigentlich orts- und zeitlos gehalten, trotz einiger Anspielungen auf Linz und Wien. Oder eben Entenhausen. Das war durchaus Absicht, unter anderem, weil mich in der Gegenwartsliteratur die vielen Beschreibungen nerven, die eigentlich irrelevant sind. „Yorick” ist auch ein kosmopolitisches Buch, etwa die Passagen rund um den Milliardärsklub als transnationale Superklasse. Was man vielleicht als „österreichisch“ an dem Roman bezeichnen könnte, ist die Verschrobenheit der Figuren.

Viele der geschilderten Typen im Buch, vom Gegenwartskünstler bis zum Unternehmensberater, lösen trotz Überzeichnung starke Wiedererkennungseffekte aus. Hat sich bereits jemand bei Ihnen darüber beklagt, dass er sich wiedererkannt hätte?

Bisher nicht. Direkt autobiographisch habe ich eigentlich keine Figuren übernommen. Ich habe versucht, gewisse Charakterzüge und Details herauszuarbeiten, schließlich geht es ja darum, dass die Figuren in „Yorick“ bestimmte allgemeine Typen, die draußen im Leben eben so herumlaufen, darstellen sollen.

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