Jeder sieht gerne dabei zu, wie Politiker in Unterhaltungssendungen aus ihrer Rolle fallen und auf Situationen reagieren, die sie tatsächlich oder vermeintlich unvorbereitet treffen. Dies hinterlässt fallweise einen fahlen Beigeschmack und wirft die Frage auf: Wie nett oder kritisch muss politische Satire sein und sind Gastgeber zur Gleichbehandlung verpflichtet?
Nicht erst gestern haben Politiker erkannt, dass man allein mit Sachlichkeit und Inhalten nicht bis in die letzten Winkel der politikverdrossenen Wählerschichten vordringt. Schon 2001 schreibt der deutsche Politikwissenschafter Andreas Dörner in seiner Studie über Politik in der medialen Erlebnisgesellschaft "Aufmerksamkeit ist ein rares Gut geworden, und Politik wird in Form des von den Medien praktizierten Politainments kommuniziert. Präsentationsprofis wie Reagan, Clinton, Blair und Schröder haben mit ihren Politainment-Strategien die öffentliche Kommunikationskultur revolutioniert."
Wenn sich die Politik der Unterhaltungskultur bedient, handelt es sich also keineswegs um ein neuartiges oder durch Online-Medien induziertes Phänomen, jedoch haben Auftritte in Unterhaltungssendungen durch die Digitalisierung der Medien und den Multiplikatoreffekt Sozialer Netzwerke wesentlich an Bedeutung gewonnen. Gerade in Zeiten des Dauerwahlkampfes bestimmen YouTube-Clips, in denen heimische Politiker persifliert werden oder Jimmy Fallon Donald Trumps Frisur ruiniert, unsere Timelines und werden tausendfach geteilt. Das kommunikative Zentrum der politischen Öffentlichkeit ist dadurch immer öfter auf halber Strecke zwischen Talkshow und Onlinediskurs verortet.
Wenn Politikverdrossenheit zu Voyeurismus wird
Die Rechnung scheint dabei für beide Seiten aufzugehen:
Die Sender können sich einer guten Quote gewiss sein, wenn ein Politiker sich zur besten Zeit und vor den Augen des ganzen Landes verhöhnen lässt. Hier kehrt sich die Politikverdrossenheit in Voyeurismus: Man sieht gerne dabei zu, wie hochrangige Entscheidungsträger – aus ihrem gewohnten Kontext gerissen – Gefahr laufen, der Lächerlichkeit preisgegeben zu werden.
Der Politiker wiederum erreicht Wähler, die er über andere Kanäle oft gar nicht oder zumindest nicht in dieser Effizienz erreicht. Weiters erhält er als Gast, trotz aller Häme, meist auch einen gewissen Sanktus durch den Auftritt in der Sendung. Er sitzt gemeinsam mit dem Gastgeber an einem Tisch und wird – dem humoristischen Setting entsprechend – nur selten ernsthaft attackiert. Lässt der Politiker die Witze mit guter Miene über sich ergehen, hat er in der Regel schon gewonnen.
Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen sieht zwischen unterhaltender Politik und politischer Unterhaltung ein ständiges Wechselspiel von Nähe und Distanz: "Wir brauchen uns beide. Sie uns als Kasperln zum Vorführen und wir sie, denn ohne Medien existierst du politisch nicht." (Der Standard, 25.04.2006)
Gerade im direkten Umgang der Medien mit Politikern sind aber entscheidende Unterschiede auszumachen – der Grat zwischen kritischer Satire und gefälliger Wahlwerbung ist nicht allzu breit. Um das zu verdeutlichen, soll hier jeweils ein Beispiel aus der österreichischen und der amerikanischen Unterhaltungskultur herangezogen werden:
Im Jänner 2010 ist Heinz-Christian Strache zu Gast in der Sendung "Wir sind Kaiser". Dem Gastgeber Robert Palfrader gelingt dabei etwas, was davor und danach nur wenigen Gesprächspartnern von Strache glückt: Er kritisiert den FPÖ-Chef und dessen Politik gnadenlos, macht dies aber in seiner Rolle als Kunstfigur Robert Heinrich I. dermaßen geschickt und unangreifbar komisch, dass Strache nicht viel mehr übrig bleibt, als devot mitzulachen. Will Strache seine üblichen Botschaft anbringen, bezeichnet der Kaiser ihn als Stimmenimitator von Jörg Haider oder lässt Strache ausrichten, dass er nur dann reden dürfe, wenn er gefragt wird. Palfrader wirkt insgesamt sehr gut vorbereitet und lässt nicht zu, dass Strache seine Sendung als Plattform zur Wahlwerbung missbraucht. Dadurch erfüllt die Sendung alle Kriterien, die politische Satire erfüllen soll: Sie ist unterhaltsam und kritisch, jedoch nie plump oder ungerecht. Gleichzeitig schafft sie auch etwas, was ein seriöses Interview nicht vermag und zeigt die Möglichkeiten von politischer Satire auf: Durch den künstlich-humoristischen Stil des Gesprächs kann Strache nie in seine polemische Ernsthaftigkeit schalten und ist gezwungen, sich den Verhaltenscodes der Sendung zu unterwerfen. So wird aus dem satirischen Charakter ein Trumpf: Strache kann seinem Unmut nicht Ausdruck verleihen, ohne dabei als Spielverderber dazustehen.
Weiter zu: Trumps Haare streicheln, zahnloser Satire und journalistischer Unabhängigkeit
Im krassen Gegensatz dazu bot der US-Comedian Jimmy Fallon in der gleichnamigen Late-Night-Talkshow unlängst ein Negativbeispiel in Sachen politischer Unterhaltung, als er Präsidentschaftskandidat Donald Trump interviewte und dabei in keiner Weise die Mittel der Satire nutzt. Er verzichtet – zumindest in den online verfügbaren Sequenzen – auf jede Form der kritischen Fragestellung und beschränkt sich auf eine sehr kokette und amikale Interviewsituation. Als grausamen Höhepunkt sieht man Fallon beschämt dabei zu, wie er Trumps berühmte Stahlhelmfrisur zerzaust, was er den Zusehern offenbar als Akt der Subversion verkaufen möchte. Das Publikum johlt ihm dabei willfährig zu und Trump wirkt im Ergebnis wie der sympathische Kumpel von nebenan. Fallon hat hier einen bekanntermaßen rassistischen und populistischen Politiker zu Gast und lässt jede Gelegenheit aus, heikle Themen anzusprechen oder die fragwürdigen Äußerungen in Trumps Wahlkampf zu persiflieren. Damit macht er einen schwer umstrittenen Politiker für seine Zuseher salonfähig und darf sich – obwohl selbst Demokrat – als bester Wahlhelfer der Republikaner feiern.
Satire verliert Zähne
Klar, man kann ein österreichisches Format nicht problemlos mit einem amerikanischen vergleichen. Sowohl bei Fallon wie z.B. auch bei der satirischen Interviewserie "Between two Ferns" des Schauspielers Zach Galifianakis gewinnt man schnell den Eindruck, dass in den Vereinigten Staaten andere Regeln gelten und jede Passage des Interviews im Vorfeld auf Strich und Komma gescripted ist. Ein US-Präsidentschaftskandidat würde sich kaum auf spontane Einlagen einlassen, hier verlieren die Medien deutlich das Spiel und die anfangs beschriebene Symbiose gerät zugunsten der Politiker aus dem Gleichgewicht. Die Satire verliert damit ihre Zähne und die Sendungen verkommen zu Handlangern ihrer Gäste. Die Reaktionen in den Medien waren nach Fallon’s Sendung auch zu Recht verheerend: Fallon wurde als Hofnarr der Hölle oder auch als Amerikas Leni Riefenstahl bezeichnet, selbst für amerikanische Verhältnisse war der Auftritt zu kritiklos, glatt und durchchoreographiert.
Hofnarren und große Wahrheiten
Was davon bleibt: Politische Unterhaltungsformate können ihren humoristischen Duktus sehr effektiv einsetzen, um perfekt geschulte Politiker auf dem falschen Fuß zu erwischen und in journalistische Gegenden vorzudringen, die ernsthaften Berichterstattern meist unzugänglich sind. Schon der Hofnarr konnte im Rahmen seiner "Narrenfreiheit" dem Adel die größten Unverschämtheiten zumuten, ohne dieselben Konsequenzen fürchten zu müssen wie jeder andere – unter dem Deckmäntelchen des Humors lassen sich große Wahrheiten gelassen aussprechen.
Dadurch beanspruchen Satiriker aber gleichzeitig auch eine gewisse moralische Deutungshoheit. Das, was sie letztlich zum Ausdruck bringen wollen, kann durchaus als ernst gemeinte Kritik verstanden werden. Wenn Christoph Grissemann in der Sendung Willkommen Österreich als Herr Karl über Norbert Hofer spricht, ist das natürlich ein Vergleich Hofers mit Adolf Hitler. Die ernst gemeinte und massive Kritik an der Ausländerpolitik der FPÖ wird hier elegant als satirischer Beitrag verpackt und unterliegt damit der modernen Narren- vulgo Kunstfreiheit.
Sprechen Stermann und Grissemann über andere Politiker wie Van der Bellen, Kern oder Mitterlehner, ist der Grad der Kritik ein deutlich milderer: Man kennt die Parodien, die Van der Bellens langsame Art zu sprechen oder auch seine Nikotinsucht aufgreifen sowie die Inszenierung Mitterlehners als nonchalanter Django.
Normalizing und ernsthafte Kritik
Durch das Ausmaß und die Härte der satirischen Kritik bringen die Humoristen also durchaus eine ablehnende Geisteshaltung oder im Umkehrschluss eine Akzeptanz zum Ausdruck, wenn sie bloß Banalitäten wie den Gestus oder die Frisur der Politiker persiflieren. Darin liegt die Verantwortung der Unterhaltungsmedien: Machen sie einen Politiker mit wohlwollender, zarter Kritik salonfähig, indem sie bloß unwesentliche Details persiflieren (in Zusammenhang mit Trump verwendeten viele Kritiker den Terminus "normalizing") oder sind die Parodien schwerwiegend und bringen trotz ihrer lächerlichen Überspitzung eine massive und ernsthafte Kritik zum Ausdruck.
Unterhaltungsformate müssen sich jedenfalls ganz grundsätzlich die Frage stellen: Laden wir rechtsradikale Politiker in unsere Sendungen ein (Galifianakis hat dies übrigens im Fall von Donald Trump unlängst ausgeschlossen) und wenn ja: Messen wir unsere Kritik an ihrem politischen Handeln oder daran, wie wir mit anderen Politikern umgehen? Sind wir also zu allen Politikern gleich freundlich oder greifen wir diejenigen härter an, die wir nach den moralischen und ethischen Maßstäben des Journalismus auch härter angreifen müssen?
Die Antwort auf diese Fragen kann nur lauten: Journalistische Unabhängigkeit darf nicht bedeuten, dass man alle Gäste, unabhängig ihrer Ideologie und Politik, gleich behandelt. Im Gegenteil: Gerade die Unabhängigkeit, die die meisten Medien für sich in Anspruch nehmen, verlangt, dass man Gleiches gleich, aber Ungleiches ungleich behandelt.
Mehr über politische Satire gefällig? Hier geht es weiter zu unserer Coverstory "Die Wahrheit im Witz".