Wenn die Welt nur aus Facebook und Twitter bestünde, wie würde sie wählen? Diese alberne Frage, stellen wir uns bald jede Woche und startet damit hier auf The Gap den Politometer-Blog. Um das einzuläuten haben wir fünf phänotypische Exemplare von Politiker_innen aus dem sozialen Netz gefischt.
Peter Pilz, 59, Die Grünen
Ein grüner Pilz. Ein Kürbis mit Gesicht. Das ist Peter Pilz. Und das sind seine Profilbilder auf Twitter und Facebook. Der grüne Politiker macht Social Media mit Humor. Den Fliegenpilz, das Twitter Bild von Peter Pilz, kennt mittlerweile jeder. Für einen Politiker eher gewagt. Das hätte auch nach hinten losgehen können. Doch die Zahlen sprechen für sich. Bei Politometer hat er es in Woche 8 in die Top 5 bei Politiker_innen geschafft. 6.617 Follower und 1.158 Tweets sind da auch ein Aushängeschild. Die Tweets von Peter Pilz sind lustig und oft auf Kosten von anderen Politikern, die, wie zum Beispiel Maria Fekter, „im Parlamentscafé sitzen“ anstatt Anfragen zu bearbeiten. „Gelebte Demokratie“. In letzter Zeit hat es ihm vor allem der Erwinizer angetan. Viel Grundlage, um den ein oder anderen Witz reißen zu können. Auf seiner Facebook-Page werden unter anderem Beiträge, die er auf seinem Blog verfasst hat, angeteasert. Viel wichtiger sind aber die, wieder sehr humorvollen, Fotos, Videos und Statements. So kann man den Politiker auch einmal mit blonder Perücke im Büro oder mit Partyhut in seiner Wohnung sehen. Kommt da nicht die Strache-Falle? Dass der Politiker zwar beliebt, aber von vielen nicht wirklich ernst genommen wird? Bei Peter Pilz ist das nicht der Fall. Er hat einen guten Mix aus Witzeleien und objektiven, ernsten Beiträgen geschaffen. So wird er zwar als Politiker wahrgenommen, erspielt sich aber trotzdem viele Pluspunkte durch seine sympathische, menschliche – für manche sicher auch allzu menschliche – Art. http://www.facebook.com/peterpilz https://twitter.com/Peter_Pilz
Claudia Gamon, 24, Liberale (© Claudia Gamon)
Battlestar Galactica, CSS-Versteherin und Adobe-Adoptivkind. Claudia Gamon gibt viel Preis auf ihrer Homepage. Als selbst ernannter „Hippie Capitalist“, ist die 23-jährige Vorarlbergerin stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen. Mit Claudia Gamon sollte man sich nicht anlegen. Als stellvertretende Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen (JuLis) auf Twitter zu allem eine Meinung, argumentiert sie jeden, der dagegen redet, an die Wand. Erfolgreich. Meistens geben ihre Diskussionsgegner bald nach. Und das ist verständlich. Claudia Gamon gibt kreative Antworten. Die sind noch dazu meistens sehr gut durchdacht. Und das wichtigste: sie gibt Antworten. Mit 1.199 Followern, Tendenz steigend, und Platz 45 beim Politometer zwar nicht die erfolgreichste Polit-Twitterantin Österreichs, aber weit hat sie es trotzdem gebracht. Pro Woche kann man ca. 20 Tweets von ihr lesen, über 10.000 Tweets insgesamt sind ein Spitzenwert was das Engagement im sozialen Netz angeht (Selbst Barack Obama hat weniger). Die werden dann auch diskutiert, denn durchschnittlich antworten 36 Twitterer auf die sehr meinungslastigen Tweets von Claudia Gamon. Ihre Follower kommen hauptsächlich aus einem politisch interessierten, aber auch sehr jungen Publikum. Die Aktivistin verpackt ihre Posts häufig in einer großen Portion Humor und macht Politik etwas begreiflicher und vor allem amüsanter. Die Interaktion steht hier im Vordergrund. Was sie so erfolgreich macht? Wahrscheinlich, dass sie zwar politische Themen anspricht und auch auf ihnen beharrt, aber trotzdem viel Humor in die Sache bringt. Für eine junge Politikerin twittert sie außerdem viel Privates. Da kann auch schon mal ein Foto vom Sonnenaufgang in ihrem Garten kommen. https://twitter.com/dieGamon
Christopher Clay, 28, Piraten
„I seem to be a verb.“ Christopher Clays Beschreibung bei Twitter und auf seinem Soup-Blog. Authentizität, Kreativität und ganz viel Kritik an ... ja an was eigentlich? Christopher Clay ist Bundesvorstand der Piraten Österreich, Stammmitglied des Hacker-Treffpunkts Metalab und technisch versierter Gründer von Soup.io. Ein Allroundtalent eben. Im Web 2.0 fühlt er sich scheints wohl, schon früh. So wie einige andere Expertenvögel im sozialen Netz, trägt er Haarfarben, die sagen: seht her, ich habe türkise, pinke und violette Haare, weil ich mich in diesem neuen, fremdartigen Soziotop namens Internet zurecht finde. Auf Twitter hinterfragt der junge Aktivist unter dem Kürzel @c3o viel, was er nicht ganz versteht oder ihn interessiert. So wird, im Gegensatz zu den meisten Politikern auf Twitter, die Plattform nicht nur als Sprachrohr genutzt, sondern auch zum Austausch mit den anderen Nutzern. Der Informations-Design-Absolvent recherchiert und hat zu vielem eine Meinung. Täglich diskutiert er mit seinen 1.550 Followern. Hauptsächlich über seine Lieblingsthemen: Web 2.0, Hacker, Datenschutz. Und wer könnte da sonst sein Lieblings-Mitdiskutant sein als der bekannte @porrporr. Viele von Clays insgesamt 2.354 Tweets sind also Dikussionen mit diversen Gegnern, Fans oder anderen Followern. Eins merkt man dabei sofort: @c3o will etwas bewegen. Christopher Clay ist Politiker für junge Kreativköpfe. Und für Informatiker. Immer wieder ruft er zu Datenschutzaktionen und Demos auf. Schlecht haben es die, die sich nicht ganz so gut mit Computer, Technik und Programmiersprache auskennen. So manche Tweets verstehen Normalo-Bürger kaum. Clay schafft sich so ein sehr eigenes, technikaffines Publikum, das Lust auf Revolutionen hat. https://twitter.com/c3o https://www.facebook.com/c3o.org
Andreas Mölzer, 60, FPÖ
Andreas Mölzers Social Media Auftritt ist auf den ersten Blick ein bisschen fad. Auf den zweiten leider auch. Trotzdem hat er es ins Mittelfeld des Politometer geschafft. Für Mölzer, Mitglied des europäischen Parlaments ist Social Media anscheinend eher Neuland. Durchschnittlich alle vier Tage postet der 60-jährige etwas auf Twitter. Das sind dann meistens Beschwerden über die Linksextremen, die sich zum Beispiel gegen den WKR-Ball auflehnen. An die Popularität anderer Politiker auf Facebook, Twitter und Co. kommt er damit jedenfalls nicht heran. Beim Politometer schafft er es in Woche 8 trotzdem mit 839 Facebook-Fans und 782 Followern auf Twitter, auf Platz 44. Also vergleichsweise ziemlich weit oben. Offenbar sieht Herr Mölzer Facebook und Twitter als einen weiteren Verlautbarunskanal, den man heute eben irgendwie nutzt. Wie sonst lässt es sich erklären, dass er dort kaum interagiert und noch nicht einmal provozeirt. Seinen Wordpress-Blog sielt er auf beiden Plattformen regelmäßig aus, hat aber ansonsten das Potenzial dieser „netzvölkischen Empfangs-und-Sendegeräte“ noch nicht verstanden. Auch wenn Mölzer also nicht gerade unerfolgreich ist, die jungen, politisch Interessierten erreicht er jedenfalls nicht. Mölzer ist kein „Schmähreißer“, auch wenn er offenbar Ironie versteht und sich gelegentlich mit dem Ton eines Chefideologen zum Wert von Bürgernähe, Demokratie und Transparenz äußert. Was dabei auffällt: Es gibt es kaum Interaktionen mit Fans, Gegnern etc. Wie das besser geht, würde ihm eigentlich sein geistiges Findelkind H.C. Strache vormachen. https://twitter.com/AndreasMoelzer https://www.facebook.com/pages/Andreas-M%C3%B6lzer/63451564640
Heinz Fischer, 74, Parteifrei
Der HBP gibt sich auf Facebook präsidial, volksnah und mitfühlend. Für das eher unspektakuläre Amt des Herrn Bundespräsidenten wird sein Auftritt dort vergleichsweise super in Szene gesetzt. Am Stil erkennt man schon, dass hier nicht Heinz Fischer selbst schreibt. Oder an den Anführungszeichen bei direkten Zitaten. Das Team vertraut ausschließlich auf Facebook, eine nachvollziehbare Entscheidung, wenn man bedenkt, dass Twitter in Österreich immer noch nicht im Mainstream angekommen ist und sich ein Heinz Fischer nicht mehr in tagesaktuelle Themen einmischen muss (und das von der politischen Kaste oft genug auch gar nicht gewünscht ist) – wofür Twitter deutlich besser geeignet wäre. Er tut dort auf Facebook, was ein Bundespräsident eben so tut, empfängt Delegationen aus fremden Ländern, eröffnet Ski-Weltmeisterschaften, nimmt Paraden ab, geht auf Reisen, auf den Opernball und gratuliert Oscar-Gewinnern zu ihrer Auszeichnung. Dabei vertraut er auf einen hohen Bildanteil und hält sich vorbildlich kurz. Sogar gelegentlich Einblicke ins Privatleben werden geboten. Hier ist klar, ein professionelles Team soll die verschiedenen, mit einem Klick wertzuschätzenden Facetten eine Bundespräsidenten zeigen – mit der nötigen Balance aus präsidialer Distanz und Bürgernähe. Erstaunlich selten macht Heinz Fischer dabei das, was man sich von einem politischen Würdenträger erwarten würde, nämlich politische Kommentare abgeben. Nur bei der Volksbefragung zur Wehrpflicht, dem Refugee Camp in der Votivkirche oder einem goldenen Verdienstkreuz für Ute Bock deklariert sich Heinz Fischer. Insgesamt kann der Auftritt Heinz Fischers im sozialen Netz als durchwegs gelungen gelten. Die aktivierenden Slogans und hochemotionalen Bilder von Branchenprimus Barack Obama sucht man zwar auch hier vergebens, ein aktueller Platz Drei bei Politiker_innen im Politometer gibt ihm aber zumindest national recht.
Was das Politometer genau ist, haben wir schon mal an dieser Stelle zu erklären versucht, eine Art Fieberthermometer für Politik im sozialen Netz nämlich. Da werden Fanzahlen, Followers und Interaktionen in einen Topf geworfen und ausgewertet. Wer am Ende einer Woche ganz oben steht, kann zumindest großen Wirbel im Netz erzeugen, über die Art der Interaktion – positiv oder negativ – sagt das noch nichts.
Warum also auswerten und beobachten? 2008 wurde Barack Obama als erster Internet-Präsident bezeichnet, weil er nicht nur seinen Wahlkampf über das Netz finanzieren konnte, sondern oft genug für einzeln Agenden erfolgreich auf Facebook und Twitter kampagnisierte. Dahinter stand natürlich ein umfangreicher Stab aus Berater und Experten. Vier Jahre später konnte man zumindest vermuten, dass Barack Obamas Wahlsieg ohne seine emotionaliserenden Botschaften auf Facebook und Twitter, seine Aufrufe selbst aktiv zu werden, zumindest deutlich knapper ausgefallen wäre. Warum also sollte – nur weil Österreich cirka zwei Prozent der US-Einwohner hat – das in Österreich kein Thema sein?
Deshalb beobachten wir zumindest mal im Superwahljahr die Verschiebungen zwischen den Parteien und ihren Funktionären. In diesem Fall mit einem Blick auf fünf besonders beispielhafte Profile: Peter Pilz, Andreas Mölzer, Heinz Fischer, Claudia Gamon und Cristopher Clay.
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