Pop-up Bitch

Design-Märkte, Open-Airs und Pop-up-Märkte sprießen aus dem Boden, Agenturen werden gegründet und Start-ups gefördert – wir erobern uns die Stadt. Aber es gibt auch Kritik. Ist das nur harmloser, neoliberaler Aktivismus? Wem gehört die Stadt eigentlich?

Kultur erhalten und öffentlichen Raum bespielen

In Wien hat sich nie eine große Besetzungskultur entwickelt. Auf solche Aktionen wurde Mitte der 70er Jahre von der Stadt mit Zuckerbrot und Peitsche reagiert: Einige wurden sofort geräumt, andere legalisiert und subventioniert. Übrig geblieben sind WUK, Arena und Amerling-Haus. Das Ernst-Kirchweger-Haus ist das einzige noch besetzte Haus in Wien. »Die sozialdemokratische Stadtverwaltung in Wien war immer relativ schnell darin, Bewegungen zu unterstützen und dadurch auch gewissermaßen zu vereinnahmen«, meint die Kulturtheoretikerin Angelika Fitz dazu, die auch an der TU Wien lehrt. Dennoch erinnert man sich an die Besetzungen. Bis heute sind Hauseigentümer skeptisch: Groß ist die Angst, die Leute nie wieder aus dem Haus zu bekommen.

Von der Hausbesetzung zum Pop-up

Heute wird nicht mehr besetzt. Man sucht stattdessen nach einem Raum, um dort zu arbeiten. Architekturstudierende brauchen etwa Platz für ihre Modelle, Kunst braucht Fläche, um auszustellen oder zu arbeiten, vielen Start-ups sind Büro- oder Verkaufsflächen auf dem freien Markt (noch) zu teuer. Dafür nimmt man eben kurzfristige Lösungen in Kauf. Man arbeitet meist ohnehin auf Projektbasis und weiß nicht, ob man in fünf Jahren noch dasselbe machen wird. Bezeichnenderweise heißt der Vertrag, mit dem die Zwischennutzung formalisiert wird, Prekarium. Er kann von beiden Seiten jederzeit gekündigt werden. Für den Eigentümer hat das Vorteile: Die Betriebskosten werden ihm abgenommen, manchmal wird sogar renoviert oder das Image besser. Nachdem coole Leute dort »Rummel Hummel« oder einen »Makers Market« veranstalten und ihre Kunst, Yogakissen oder Longboards verkaufen, ist auch ein marodes Gebäude attraktiver geworden. Oder kann wie im Fall des Fox House nachher in Ruhe abgerissen werden. Von der Container-Party Jessas in der Krieau über zahlreiche Food-Pop-Ups und dem temporären Hostel Trust 111 in der Schönbrunnerstraße ist alles dabei. Win-Win nennt man so eine vorteilsbeladene Situation typischerweise. Die Nachfrage nach solchen Räumen ist allerdings deutlich größer als das Angebot.

Win-Win-Win

Um Vorurteile abzubauen, soll noch dieses Jahr eine Zwischennutzungsagentur im Auftrag der Stadt Wien ihre Arbeit beginnen. »Die Agentur soll zentrale Anlaufstelle für Eigentümer und Nutzer sein, und das allgemeine Stadtklima rund um das Thema verbessern«, so Gerlinde Riedl, Pressesprecherin im Büro des Stadtrats für Kultur und Wissenschaft, das die Ausschreibung betreut. Diese Agentur stand im rot-grünen Koalitionsprogramm und soll noch rechtzeitig vor der Gemeinderatswahl im Oktober umgesetzt werden. Für Kulturstadtrat Mailath-Pokorny war die Aufwertung rund um den Yppenmarkt etwa durch Soho Ottakring ein prägendes Beispiel, das ihm die Vorzüge für die Stadtentwicklung nähergebracht hat. Weil für Zwischennutzung in Wien offiziell lange niemand zuständig war, hat sich Jutta Kleedorfer von der MA18 für Stadtentwicklung und Stadtplanung in den letzten Jahren zur inoffiziellen Ansprechperson entwickelt.

Es gibt kaum einen Ort, zu dem sie keine Geschichte erzählen kann. Zum Fluc etwa, welche Schwierigkeiten es da am Anfang gab und wie es zu einem beständigen Verstärker in der Wiener Subkultur wurde. Oder dass einer der coolsten Standorte der Stadt, die Burggasse 2, wo früher die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse war, jahrelang leer stand und nichts zugelassen wurde, bis ein Investor das Sans Souci hinstellte. Auch sie sieht in der Belebung von Straßen und Grätzeln die große Stärke des Konzepts. Gassenlokale, die leer stehen oder als Lager genutzt werden, sind Gift für das öffentliche Leben einer Straße. »Die Leute schätzen das, wenn man sieht, da arbeitet jemand oder es stehen jetzt Sessel vor der Tür.

Die Zwischennutzer sind wahnsinnig gut darin, sich ins öffentliche Leben einzubringen. Sie sind genauso tolle Sympathieträger wie urbane Gärtner. Da reden dann Leute miteinander, die sonst nichts miteinander zu tun hätten.« Dass es so viel leere Gassenlokalen gibt, hat auch etwas mit unserem Einkaufsverhalten zu tun. Bankangelegenheiten erledigen wir online, und statt zum Elektriker um die Ecke rennen wir zum Media Markt in die Lugner City. Deshalb nisten sich Cupcakes, Craft-Bier und Co-Working-Spaces in den Erdgeschossen ein. Und vor lauter Aufgeilen am nächsten Homemade-Umcompromised-Street-Food-Pop-up kommen wir nicht auf die Idee, auf die Straße zu gehen und eine durchdachte Kulturförderung zu verlangen. Unsere Wirtschaft so wie sie ist, hat uns gelehrt zu denken, dass Kurzfristigkeit nichts Schlechtes ist. Projektarbeit? Verbindlichkeit? Sicherheit? Unsichere Arbeitsbedingungen werden mittlerweile oft als Freiheit wahr genommen.

Bild(er) © Wrap Stars, Shirty, Eva Mair, Tanz durch den Tag
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