Design-Märkte, Open-Airs und Pop-up-Märkte sprießen aus dem Boden, Agenturen werden gegründet und Start-ups gefördert – wir erobern uns die Stadt. Aber es gibt auch Kritik. Ist das nur harmloser, neoliberaler Aktivismus? Wem gehört die Stadt eigentlich?
Das Grätzel und die Wirtschaft
Die Kreativwirtschaft hat sich in den letzten Jahren zu einem bedeutendem Wirtschaftszweig für die Stadt Wien entwickelt. 2014 waren dort allein in Wien 60.600 Menschen in über 16.000 Unternehmen beschäftigt. Das Interesse ist also groß, kleine Unternehmen zu fördern und ihnen erschwingliche Räume zu verschaffen. In der Stadt werden heute Klassenkämpfe ausgetragen, sagt der bekannte marxistische Geograph David Harvey. Weltweit gibt es einen Konkurrenzkampf zwischen Städten, um sich als Standort zu profilieren. Sozial Schwache werden an den Stadtrand gedrängt, weil »das Kapital«, also Immobilieneigentümer, versuchen, den Wert ihrer Objekte zu steigern. All die Zwischennutzer treiben diese Entwicklung natürlich an.
Der Schatten des Leerstands
Egal mit wem aus der Szene man spricht, alle sind begeistert. Wien wäre vielleicht ein wenig spät dran, aber nimmt jetzt Fahrt auf. Dass Kreative oft prekär leben und arbeiten und mit ihrer Selbermacherei auch ein paar Häuser aufwerten, stört niemanden. »Da muss man pragmatisch denken, und das Beste aus den Räumlichkeiten machen, die man hat«, so Kulturstadtrat Mailath-Pokorny. »Kurzfristig ist es nicht möglich, den Leerstand in qualitativen Wohnraum umzuwandeln oder die Situation am Immobilienmarkt zu verändern. Dafür können wir Raum schaffen für Kreative.« Man wundert sich eher über das Zögern auf Eigentümerseite und versucht, ihnen ihren wirtschaftlichen Nutzen vor Augen zu halten.
In anderen Ländern werden die Schattenseiten häufiger diskutiert: »Natürlich ist das ein Warm-up für die Aufwertung eines Geländes. Da stellt sich die Frage: Wie verteilt sich die Wertsteigerung? Was haben die davon, die das vollbracht haben?« erklärt Angelika Fitz. Drei Jahre lange arbeitete sie durch das Projekt »We-Traders« mit Kunst-, Architektur- und Nachbarschaftsinitiativen aus Portugal, Spanien, Frankreich und Deutschland zusammen. In diesen politischen Szenen ist man müde von der kurzfristigen Bespielung von Räumen. »Da wird viel diskutiert: Wo ist die Verbindung zwischen öffentlichem Raum und politischen Strategien? Wie kann man sich anders versammeln und wie muss man sich organisieren, um Projekte und Ideen langfristig am Laufen zu halten?«