Preaching

Reverend Billy predigt Konsumverzicht. Am Samstag wird das Buch "Truth is Concrete", dem Schwerpunktthema des vorletzten Steirischen Herbsts, in dem sich internationale Aktivisten mit Strategien engagierter Kunst auseinandersetzten, vorgestellt. Wir haben Reverend Billys Essay exklusiv schon vorab für euch.

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In den USA zu predigen – also wie ich die Figur des politisch rechten, christlichen Predigers der Apokalypse zu verkörpern – bedeutet, in die ikonische Rolle des amerikanischen Faschismus zu schlüpfen. Die Fernsehprediger, die ihren Gemeinden spät abends mit Hölle und Verdammnis drohen, sind ein Echo des Drucks, den der amerikanische Patriotismus, die Religion des Konsumismus, der Starkult und alle anderen Katastrophen dieses expansionistischen gelobten Landes auf die Menschen ausüben.

Predigen als Kunst, die ausschließlich auf der Stimme beruht, ist viel älter als der Blues. Und ich liebe das Predigen. Laurie Anderson hat es den „Riss zwischen Sprechen und Singen“ genannt. Ich würde es als die Landschaft dazwischen bezeichnen, als das Traumland von drüben. Die Vokale heulen mit voller Kraft, die Konsonanten brechen plötzlich ab und was bleibt ist eine Stille, die die Menschen als Geiseln nimmt. Ich liebe das Predigen. Ich studiere diese Kunstform.

Unser Ziel ist das Überleben. Seit unsere singenden Aktivisten, die Church of Stop Shopping, zu einer Gemeinschaft geworden sind, mit Liebe, Geburten und Todesfällen, sind wir achtsam, was das Leben betrifft. Dass die Urheber des Konsumismus zu den teuflischen Hauptverursachern der Krise gehören, die unsere Erde heimsucht, hat uns über die Jahre hinweg dazu veranlasst, unser Ziel noch tiefer und klarer zu formulieren. Sich als Gemeinschaft in direkten, gewaltfreien Aktionen zu engagieren, mit den Körpern der Beteiligten als Schauplatz von Geburt, Tod und Liebe, fühlt sich völlig anders an, als – wie wir es früher oft taten – Recherchen, Strategien, Werte als Ausgangspunkt zu nehmen. Als Gemeinschaft zunehmend miteinander verwobener Familien, die sich gemeinsam dem Leben – und einer potentiellen Verhaftung – stellen, wurden wir zu Radikalen der Erde. In diesem Prozess ersetzen oder ergänzen Großbanken die Einzelhandelsriesen in der Rolle des großen Satans. Bei unseren Performances in Banken wie UBS, Bank of America, Chase, HSBC und Deutsche Bank stehen wir als Gemeinschaft für eine andere, natürliche Gemeinschaft, für ein Ökosystem. Wenn wir unsere großen goldenen Krötenköpfe aufsetzen (die Performance mit dem ausgestorbenen Frosch, mit den kleinen Bäumen, dem Singen und den fließenden Froschtänzen), dann beschwören wir die Gemeinschaft des Nebelwalds, in der diese wunderschöne Amphibie lebte, ehe sie durch Trockenheit und Krankheit ausgerottet wurde. Unser oberstes Ziel ist also das Überleben und die Gemeinschaft bildet das Drama, das Drehbuch unserer direkten, gewaltfreien Aktionen. Earthalujah!

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