Das Primavera Sound ist vielleicht das beste Festival der Welt. Neben dem Lineup gibt aber noch viel mehr Gründe, weshalb man unbedingt hin sollte. Nikolaus Ostermann hat 7 davon aufgeschrieben.
Die Sommersonne & das Meer
Damit ist schon sehr viel gesagt. Barcelona liegt am Meer, das Festivalareal Parque del Forum im Norden der Stadt ebenso, und damit in Breitengraden, die Ende Mai/Anfang Juni bereits am Sommer kratzen. Das hat ausschließlich Vorteile und ihr werdet in euren Appartments (Empfehlung: im Strandviertel Barceloneta) oder Hotelzimmern (Luxusempfehlung: die direkt beim Gelände) auch sicher nicht von Sandstürmen, spontanen Wintereinbrüchen oder epischen Unwettern heimgesucht. Dafür könnt ihr am Tag nach dem Festival am Strand abhängen und müsst euch nicht bewegen. Das empfehlen wir sogar ausdrücklich.
Wege zum Glück und die Organisation
Gut, auch die Primavera-Veranstalter greifen manchmal ins Klo. Die bargeldlose Zahlungsidee 2012 war nicht die beste, sie hat nämlich nicht funktioniert. Bei uns hätte nix zum Saufen vermutlich große Aufruhr verursacht. Da könnten sie ja gleich das Rauchen verbieten. In Barcelona wird sowas gechillter geregelt. Ein paar Stunden später konnte man bar zahlen. Außerdem gibt es genug Toiletten, manchmal W-Lan, der Zugang zum Fotograben wird auch bei den großen Acts demokratisch und nicht mit ungeschriebenen Regeln gehandhabt, die Wege über das Gelände sind nicht so weit und nie überfüllt, am Primavera Pro (dem Businesspart für die vielen musikarbeitenden Menschen dieser Welt) lässt es sich sehr gut arbeiten, und so weiter.
Sicher nicht die Toten Hosen
Es ist an dieser Stelle nicht notwendig, Highlights aus dem diesjährigen Lineup aufzuzählen. Man hätte genauso gut schon längst buchen können, denn auf das Booking kann man sich verlassen. Immer. Immer, immer, immer. Das Lineup glänzt jedes Jahr mit Highlights aus allen Spielarten populärer Musik – das inkludiert den heißesten Scheiß von morgen, einmalige Reunions einflussreicher Bands von gestern und die biggesten Acts (Bild: Arcade Fire, 2014) von heute. Es schließt sich nicht aus, dass Kendrick Lamar und die Nine Inch Nails direkt hintereinander spielen und beide abgefeiert werden, als gäbe es kein Mogwai im Anschluss. Genres sind zweitrangig und es wird niemals passieren, dass eine Band – nichts gegen die Toten Hosen, das sind nette Menschen – jedes verdammte Jahr bloß deshalb gebucht wird, weil das Festival dann auch ja sicher ausverkauft ist. Dafür werden immer wieder bewusst Akzente gesetzt, dieses Jahr zum Beispiel mit einem natürlich von Patti Smith angeführten Tribut an das riot grrrl movement.
Barcelona ist toll
Die Hauptstadt Kataloniens ist eine tolle Stadt. Es ist egal ob man zum ersten Mal – Sights gibt’s genug – oder zum fünften Mal dort ist, wenn es beginnt richtig spannend zu werden, weil man dann auch sowas wie Entwicklungen wahrnimmt. Langweilig wird es in Barcelona nicht, ob am Strand oder in der Tapas Bar oder an einem der tollen Orte, die das Primavera Sound auch bespielt. Jamie xx und der John Talabot letztes Jahr im wunderschönen Teatre Principal (Bild) an der La Rambla waren großartig, der Sala Apolo ist jedes Jahr ein sure shot und die großen gratis Open Air-Shows zwischen Arc de Triompf und dem Parc de la Ciutadella in der Nähe der Altstadt sind noch größere Feste, für alle. Und wenn man Glück hat, gewinnt der FC Barcelona die Champions League, dann steht sowieso alles Kopf.
Mhm, Tapas
Wir müssen auch über das Essen sprechen – einerseits über das Essen am Gelände, das vom Einheitsfraß heimischer Festivals ungefähr soweit entfernt ist, wie Instant-Asia Nudeln von, nun ja, Asien. Es besteht die Möglichkeit einer ausgewogenen Ernährung! In der Stadt sowieso. Am Rande des Strandviertels Barceloneta liegt zum Beispiel eine unfassbar gute Tapas-Bar namens El Vaso De Oro, die – richtig vermutut, ihr Spanischkenner – auch ihr eigenes Bier braut. Aber erkundet am besten selbst.
Menschen, die Musik mögen
Das Publikum am Primavera Sound unterscheidet sich sehr von dem, das man auf den großen Open Air-Festivals in Österreich und Deutschland trifft und das ist sehr angenehm. Natürlich kann man auch mit 18 nach Barcelona fliegen und sich in erster Linie aus der Welt schießen, macht aber niemand. Das Publikum ist im Schnitt zehn Jahre älter und obwohl die Menschen natürlich auch Alkohol trinken und Drogen nehmen feiert man am Primavera in allerallererster Linie immer noch die Musik. Ich habe am Primavera Sound noch nie jemanden kotzen sehen. Kann das irgendjemand von einem anderen Festival mit 40.000 Besuchern pro Tag behaupten? Nein. Eben.
El sentimiento, el sentimiento
Der siebente und letzte Grund ist ein Gefühl. Das Gefühl, wenn man vom Flughafen in die Stadt fährt und um sein Appartment in Barceloneta (in Strand- und U-Bahn-Nähe, sei hiermit empfohlen) zu beziehen und sich auf die kommenden Tage zu freuen. Das Gefühl, wenn Beach House vor der Skyline Barcelonas mit der untergehenden Sonne und spielen wie The xx mit dem Vollmond oder The National den Ozean besingen, in den das Menschenmeer vor ihnen mündet. Der Moment, als Jarvis Cocker den Pulp-Hit „Common People“ der #occupy Bewegung widmete, die dieser Tage am Placa de Catalunya die Stellung hielten, und das katalanische Publikum der Band diese Solidarität mit grenzenloser Euphorie zu danken wusste. Die Momente, in denen Bands wie die Pixies abgefeiert werden, wie bei uns Deichkind (nichts gegen Deichkind) oder Jamie xx in den Sonnenaufgang auflegt. Das Gefühl, wenn man geht, weil man weiß, dass man wiederkommt.
Das Primavera Sound Festival findet jedes Jahr Ende Mai bis Anfang Juni statt, in den Tagen davor läuten einige Konzerte in der Stadt die große Party ein. Das Lineup umfasst jedes Jahr über 100 Acts, nach denen man sich in Österreich zumeist nur die Finger abschleckt, und das in so ziemlich alle Spielarten zeitgenössischer Popularmusik.
2015 waren das u.a.: The Strokes, The Black Keys, Ride, Antony & The Johnsons, Patti Smith & Band (perform Horses), Alt-J, Interpol, James Blake, Damien Rice, Caribou, Foxygen, Run The Jewels, Ariel Pink, Chet Faker, Twin Shadow, uvm.
2016 hat es wieder in sich: Radiohead, LCD Soundsystem, Sigur Ros, PJ Harvey, Tame Impala, Air, Last Shadow Puppets, Moderat, Vince Staples, Beirut, Pusha T, Dinosaur Jr. uvm.
Erstmals fand das Primavera Sound 2001 statt, seit 2005 wird der Parc del Forum im Norden Barcelonas bespielt.
Festivalpässe für das Primavera Sound 2015 gibt es noch bis zum Anfang Februar um EUR 175€ (bis Festivalbeginn: EUR 195€) und zwar hier.