Florentina Holzinger macht Beyoncé ein bisschen dreckiger und die Theaterwelt ein bisschen geiler. Beim diesjährigen Impulstanz-Festival stellt die junge Wienerin ihr neues Solo-Projekt »Agon« vor.
Auf der Suche nach dem nächsten Kick
Bei alledem geht es den beiden immer darum, sich neu auszuprobieren und herauszufordern, Was-wäre-wenn-Szenarien zu erproben. Was wäre, wenn das unser letzter gemeinsamer Auftritt ist? Wenn wir heiraten? Wenn wir ein Kind bekommen? Oder wenn der Körper nicht mehr mitmacht? In ihrem ersten Solo »Silk«, widmet sich Florentina Holzinger letzterer Frage. Nach einem fingierten Sturz robbt sie zu einem Rollstuhl und hievt sich von diesem in die Seidenstränge und legt einen letzten dramatischen Lufttanz hin.
Was passiert, wenn eine dieser fiktiven Annahmen plötzlich bittere Realität wird, musste die gebürtige Wienerin schließlich letzten Sommer am eigenen Leib erleben: Bei einer Vorstellung in Norwegen löste sich ein Karabiner und Holzinger stürzte mehrere Meter kopfüber in die Tiefe. Diese Erfahrung konnte das tiefe Vertrauen in den Theaterraum allerdings nicht infrage stellen. Dauerhafte körperliche Schäden blieben keine, eine Erkenntnis aber setzte sich durch: Die Bühne ist ein Orakel. Und als Safe Space unantastbar. Schon sieben Wochen später ging es zurück auf Tour und die Suche nach neuen Challenges in die nächste Runde.
In »Wellness«, ihrer dritten und bisher letzten gemeinsamen Arbeit, die Anfang dieses Jahres im Brut zu sehen war, beschäftigten sich Holzinger und Riebeek konsequenterweise mit der Optimierung von Körper und Geist. Was ist der Schlüssel zum ultimativen Wohlbefinden? Yoga, Laufen, Crossfit oder doch endloses Getanze zu Lana del Reys »Brite Lites«? Erstmals mit drei weiteren Tänzern auf der Bühne, ging die Message irgendwo zwischen Unmengen an Gleitmittel und einem leuchtenden Riesen-Strap-On-Dildo verloren. Trotz gewohnt kompromisslosem Ganzkörpereinsatz war eine gewisse Müdigkeit zu spüren. Drei Jahre on the road mit dem Stempel »provokanteste Nachwuchskünstler Europas« auf der Stirn hinterlassen eben Spuren.
Mixed-Martial-Arts und ein bisschen Ballett
Kommenden August wird nun Florentina Holzingers neues Solo-Projekt »Agon« im Rahmen des Impulstanz-Festivals zur Uraufführung kommen. Einen Sommer verbrachte sie schon als Stipendiatin beim Impulstanz-Festival und 2012 wurde sie hier für »Silk« mit dem Prix Jardin d’Europe ausgezeichnet. Ein doppeltes Heimspiel also für die gebürtige Wienerin. »Agon« – altgriechisch für Wettstreit – steht hierbei für das Ringen mit dem eigenen Körper um Unversehrtheit und Heilung und für den Kampf um neue Bilder »jenseits knechtender Zuschreibungen«.
Anstoß für die Beschäftigung mit diesem Thema war die Begegnung mit einer Mixed-Martial-Arts-Sportlerin auf einem Flug nach Brasilien. Die vom letzten Wettkampf grün und blau geschlagene junge Frau beeindruckte Holzinger sehr und so beschloss sie, sich ebenfalls zum Warrior ausbilden zu lassen. Im Zentrum ihres Interesses steht hierbei vor allem das Verhältnis von der Auszubildenden zur Meisterin und die Übertragung dieser speziellen Frauenbeziehung auf die Bühne. Und auch die nächste Referenz lässt nicht lange auf sich warten: Wichtige Inspirationsquelle ist der ebenfalls »Agon« betitelte Ballett-Klassiker von George Balanchine und Igor Strawinski aus dem Jahre 1953. Auch ein »Kill Bill«-Vergleich drängt sich dabei auf – Holzinger vs. Thurman, das wäre doch was.
Die Uraufführung von »Agon« findet am 9. August im Kasino am Schwarzenbergplatz statt. Ende Oktober wird eine weiterentwickelte Fassung im Brut zu sehen sein.